(Auszug)
Fast jedes Kind auf dieser Erde kann die Symbole von Coca Cola, Mercedes oder McDonalds malen. Und wir kennen sie auch. Kennen wir aber auch die Farbe der UN-Flagge? Mir scheint es wichtig, zu Beginn darauf hinzuweisen, dass wir zwischen Globalisierung und Internationalismus unterscheiden müssen. Während der Internationalismus auf die politische Zusammenarbeit in unserer Welt zielt, bezieht sich die Globalisierung auf wirtschaftliche Prozesse. Auswirkung des Internationalismus war z.B. die Gründung der Liga der Nationen, später der Vereinten Nationen. Während Globalisierer grundsätzlich die Entwicklung der Weltwirtschaft als unausweichlich akzeptieren, wollen Internationalisten sie gestalten und beeinflussen. Internationalismus möchte die Beziehungen zwischen den Nationen verbessern, BürgerInnen befähigen, die Regierungspolitik mitzugestalten und dabei die Armen und Randgruppen nicht aus dem Auge zu verlieren. Befürworter der Globalisierung dagegen begrüßen die Vereinnahmung aller Länder und Systeme der Welt für ein einheitliches Gebilde, das Konzept der unabhängigen Nationalstaaten scheint für sie überholt. Darin aber liegt eine große Gefahr für die Demokratie und die Beteiligung der Menschen an ihrer Gestaltung.
Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung sind die Merkmale der globalisierten Wirtschaft. Die Idee hinter diesen oft genannten Begriffen ist, dass die Wirtschaft befreit werden müsse von „Einmischungen“ der Regierungen, denn dies verderbe den Markt, verzerre den Wettbewerb und fördere Ineffizienz und Verluste. Ohne Zweifel steckt in diesem Argument viel Wahrheit. Wir alle kennen Beispiele dafür, dass Regierungspolitik erstickend auf Initiative und Kreativität einzelner Menschen gewirkt hat. Einem gewissen Grad von Privatisierung, Deregulierung und Liberalisierung können wir nur zustimmen. Aber sie zum alles bestimmenden Credo zu erheben, wirkt sich zerstörerisch auf Menschen aus. Das wichtigste Kriterium zur Bewertung von Politik aber ist deren Auswirkung auf die verletzlichsten Gruppen in der Gesellschaft und auf die Schöpfung.
Ein weiteres Kennzeichen der Globalisierung ist der verstärkte und oft grausame Wettbewerb. Auch hier denke ich, dass Wettbewerb nicht als etwas durch und durch Negatives zu sehen ist. Er kann nützlich und hilfreich sein, fördert er doch Neuerungen und regt die Produktion besserer Güter und Dienstleistungen an. Auch beim effizienten Einsatz von Rohstoffen kann Wettbewerb durchaus hilfreich sein. Das Wort „compete“ (wetteifern) kommt vom lateinischen „competere“, das bedeutet „gemeinsam suchen“. In diesem Sinn halte ich Wettbewerb für sehr sinnvoll. Ein Wirtschaftssystem sollte beides zulassen: Wettbewerb auf bestimmten Gebieten, immer kontrolliert im Blick auf Betrug und Manipulation, und daneben kooperative Formen auf Gebieten, wo durch Kooperation die besten Beiträge aller PartnerInnen ermutigt werden. Immer aber muss dies im Rahmen einer demokratischen Verantwortlichkeit bleiben, die Eingreifen ermöglicht, wenn etwas falsch läuft.
Zur Zeit erlebe ich jedoch den Wettbewerb fast als Ideologie, als scheinbar einzige Lösung für zahlreiche Übel in unserer Gesellschaft. Hohe Arbeitslosigkeit? Die Antwort heißt: mehr Wettbewerb und Wachstum. Schulen und Universitäten sollen mehr Wettbewerb einführen, um die Menschen für Industrie und Handel „brauchbarer“ zu machen. Technologischer Fortschritt soll unsere Industrie wettbewerbsfähiger machen… Ich befürchte, dass der Wettbewerb so zu einer zerstörenden Kraft wird, die die Menschen gegeneinander und gegen die Natur ausspielt.
Wenn wir über Globalisierung sprechen, könnte der Eindruck entstehen, dass alle Teile der Welt zu gleichen Bedingungen an der globalisierten Wirtschaft teilnehmen. Globalisierung ist jedoch nicht wirklich global. Welthandel und Investitionen finden vor allem in drei Regionen der Welt statt: in Europa (besonders in den Ländern der Europäischen Union), in Nordamerika und in den Ländern am Rande des Pazifik. Mehr als 80% des internationalen Kapitalflusses findet nur zwischen diesen Ländern statt. 1990 lagen die Anteile der 102 ärmsten Länder am Export bei 1,4% und am Import bei 4,9%. Unsere Welt teilt sich in zwei Gruppen, und die Schere öffnet sich immer weiter. Wir leben in einer 20:80–Gesellschaft.
Wir alle kennen das Wort von GewinnerInnen und VerliererInnen der wirtschaftlichen und politischen Veränderungen der letzten Jahre. Es stimmt, dass gut qualifizierte Frauen von zahlreichen neuen Chancen profitieren – allerdings nur, wenn sie vom Markt den gleichen Gebrauch machen können wie die Männer. Die Praxis zeigt, dass Frauen weitaus mehr als Männer die Interessen ihrer Partner und Kinder in ihre Entscheidungen einbeziehen. Wenn wir mit „Verliererinnen“ der Globalisierung in Kontakt kommen, können wir deutliche Verschlechterungen der Situation der Frauen feststellen. Nicht zu Unrecht sprechen wir weltweit von einer „Feminisierung“ der Armut. Im Bereich der Erwerbslosen gibt es einen überproportionalen Anteil von Frauen, ebenso bei den sogenannten „ungeschützten“ Arbeitsverhältnissen. Lebensunsicherheit und soziale Ausgrenzung haben Auswirkungen auf die ganze Familie. Dazu kommen die fehlende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und Alterssicherung. 98% aller Teilzeitkräfte in unserem Lande sind Frauen. Bei Arbeitsplatzabbau in Folge der Rationalisierungsmaßnahmen verlieren Frauen schneller ihren Arbeitsplatz als Männer.
Schlimme Folgen hat die „freie“ Marktwirtschaft für die Frauen im östlichen Teil Europas. Ihre Chancen auf einen festen Arbeitplatz sind rapide gesunken, geradezu aussichtslos ist es, wenn sie älter als 45 Jahre sind. Weder sind die Lohnunterschiede deutlich abgebaut worden noch die Konzentration auf wenige Tätigkeitsbereiche am unteren Ende der Arbeitshierarchie und den stark „feminisierten Berufen“ wie Pflege, Erziehung, Gebäudereinigung. Auch gewinne ich den Eindruck, dass unsere Dienstleistungsgesellschaft immer mehr zu einer Dienstmädchengesellschaft wird, wenn ich an die Migration von Frauen von Ost- nach Westeuropa denke.
Frauen der südlichen Welt sind im Prozess der Globalisierung „unsichtbar“ geblieben und werden stärker denn je marginalisiert, an den Rand gedrängt. Im Norden ist durch die Verarmung ein „Süden“ entstanden, und im Süden gibt es „nördliche Inseln des Reichtums“, die eine „Globalisierung“ der Frauenbewegung von unten oft erschweren.
Angesichts der Situation könnte „frau“ den Mut verlieren und an Aufgeben denken, wenn es da nicht die vielen Hoffnungszeichen gäbe. Unzählige Initiativen sind entstanden, die bewusst gegen den Strom schwimmen und versuchen, an der globalen Wirtschaft zu eigenen Bedingungen teilzunehmen und gerechte, partizipatorische und nachhaltige Gemeinschaften zu bilden.
Alternativen werden meist von der Basis und von Betroffenen erarbeitet. Sie sollten ihre Anknüpfungspunkte in den unterschiedlichen Erfahrungen und Lebensrealitäten der Frauen haben, auf deren Stärken, Wissen und Fähigkeiten aufbauen. Damit sage ich aber nicht, dass nicht Eingriffe des Staates in Form von Gesetzen und ökologischen Besteuerungssystemen dringend notwendig sind. Wir dürfen uns nicht mit der Rolle der „Trümmerfrauen“ abfinden, die den Dreck, den andere z.B. in Form der Industrie produzieren, still wegräumen.
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