Alle Ausgaben / 2007 Artikel von Sybille Richter

Goldkronen und Diamantbroschen

Zu gesellschaftlichen Funktionen des Schmucks

Von Sybille Richter


Schmuck ist eine Sprache: Ein Ehering zeigt die Verbindung zweier Menschen an. Ein Kreuz um den Hals weist die TrägerInnen als gläubige Menschen aus. Oder doch eher als AnhängerInnen einer okkulten Satanistengruppe? Wenn Schmuck Sprache ist: Wie können wir sie erstehen?

Schmuck wurde – und wird – selten allein zur Zierde getragen. Schmuck hatte schon immer und hat immer noch meist eine gesellschaftliche Funktion und Bedeutung. Amts- und WürdenträgerInnen etwa wiesen und weisen sich durch einzigartige und oft aufwändig gearbeitete Schmuckstücke aus; frühzeitliche Schmuckartefakte und die goldenen Amtsketten unserer BürgermeisterInnen lassen sich da durchaus vergleichen. Die Form, die Größe und der materielle Wert eines Schmuckstückes bergen vielfältige Hinweise auf die Identität der Trägerin oder des Trägers, die wir – bewusst oder unbewusst – lesen. Sei er Statussymbol oder individueller Besitz, immer hat Schmuck Teil am Leben eines Menschen. Ob er aus Gold, Silber, Horn, Muscheln, bunten Federn, Haaren, Perlen, Holz oder Pflanzenfasern gefertigt wird, ist eine Frage der jeweiligen Kultur. Während man im europäischen Kulturkreis zur Schmuckherstellung vor allem edle Metalle und Steine verwendet, findet man beispielsweise in Peru Ohrgehänge aus Käferflügeln.


Mittel der Kommunikation

Die irakische Presse bezeichnete einmal die damalige amerikanische Außenministerin Madeleine K. Albright als doppelzüngige Schlange. Bei sensibleren Naturen hätte das sicherlich zu ernsthaften Verstimmungen und einer Belastung der diplomatischen Beziehungen geführt. Nicht so bei Madeleine Albright. Sie erschien zu den anstehenden Gesprächen mit dem irakischen Vizepremierminister Tarik Aziz mit einer Brosche in Schlangenform – und persiflierte damit die Anfeindungen der irakischen Presse.

Madeleine Albright hat sich den Ruf erworben, Schmuck subtil humorvoll und im Sinne der Diplomatie einzusetzen. Während der Nahost-Friedensgespräche prangte eine Silbertaube auf ihrer Schulter. So demonstrierte sie schon durch die Wahl ihrer Brosche ihren Verhandlungsstandpunkt und ihre Tagesform. „Da dieses symbolische Ausdrucksmittel von männlichen Diplomaten nicht eingesetzt wird, haben Madeleine Albrights juwelenbesetzte Broschen eine öffentliche Diskussion über die Verbindung zwischen Weiblichkeit und Macht ausgelöst. Sie trägt eine juwelenbesetzte Spinne, wenn sie sich anmutig fühlt, eine Brosche mit dem Kapitol, um zu zeigen, dass sie für beide Parteien steht, eine Nadel mit einem Ballon, wenn sie in Hochstimmung ist.“ Das Wesen der Außenministerin ist das einer Kommunikatorin, und Madeleine Albright hat ihre Broschen – ein Mittel der Kommunikation – benutzt, um ihre Ziele voranzubringen.


Insignie der Macht

Prachtvolle Schmuckstücke sind Insignien der Macht. Historisch gilt Gold als Sinnbild des Ewigen, der Vollkommenheit. Daher verwendete zum Beispiel die mittelalterliche Malerei Blattgold ausschließlich zur Hervorhebung der metaphysischen, göttlichen Sphäre (Ikonen). Gold ist der Inbegriff des Kostbaren, und die Faszination des seltenen Materials ist bis heute ungebrochen. „Eine jüngst vorgelegte Studie bestätigt, dass ein repräsentativer Bevölkerungsquerschnitt auf die Frage ‚Wer oder was fasziniert Sie?' aus einer Sammlung von mehr als 100 vorgegebenen Namen und Bezeichnungen den Begriff Gold in einer ‚Faszinations-Hierarchie' am höchsten ansiedelt, deutlich über allen bekannten und begehrten Statussymbolen.“ Als Zeichen der Herrschaft schlechthin gilt die goldene Krone, sie ist Symbol der Würde und der Macht des Herrschers. Gold als Sinnbild des Unvergänglichen rückt den Herrscher in die Nähe Gottes. In manchen Kulturen sind es andere Schmuckstücke, die als Statussymbole verstanden werden. So wird von den Häuptlingen auf Hawaii als Zeichen der Macht eine Kette aus Pottwal-Elfenbein und Menschenhaar getragen.


Anzeiger der Klasse

Der hohe Preis, den Gold und edle Steine haben, macht besonders den Juwelenschmuck zu einem Luxusgegenstand, der der Repräsentation dient. Anders als andere Goldschmiedearbeiten stellt Juwelenschmuck die Edelsteine, besonders Diamanten, in den Vordergrund. Er ist auf Strahlkraft, auf Glamour ausgerichtet. Bereits die Herrscher der barocken Königshäuser liebten es, sich selbst und ihre Frauen mit prächtigen Juwelen zu schmücken, die die Größe und den materiellen Wert der Edelsteine ausstellten und damit den Reichtum des Fürsten demonstrierten.

Der Glanz der Steine verschönert auch die Trägerin des Schmucks auf geheimnisvolle Weise, die Kostbarkeit der Juwelen macht auch sie selbst kostbarer und unterstreicht ihre Individualität. Zugleich aber ist Juwelenschmuck nach wie vor bestens geeignet, Reichtum und damit die Zugehörigkeit zur „upper class“ zu demonstrieren. Nach wie vor gilt darum: Je größer die Edelsteine, je mehr Diamanten blitzen, desto eher sind Kunden (und Kundinnen) bereit, große Summen für ein Schmuckstück auszugeben.

Ganz anders verhält es sich mit bäuerlichem Schmuck oder Trachtenschmuck. Hier liegt das Hauptaugenmerk nicht auf der Prachtentfaltung, vielmehr steht die Stellung der oder des einzelnen in der Gemeinschaft im Vordergrund. So kann man an Art und Zahl der Nadeln, die das Schultertuch der Miesbacher Tracht halten, die Größe des Hofes ablesen, von dem die Trachtenträgerin stammt. Zur Tracht der Mädchen in Nidwald (Schweiz) gehört ein Haarpfeil, der auf der rechten Kopfseite aus dem Haarknoten ragt. Die verheiratete Frau tauscht diesen gegen einen kleineren Haarschmuck. In der hessischen Schwalm trug eine Frau, die ein uneheliches Kind hatte, eine bestimmte Form der Schuhschnalle.


Symbol der Beziehung

Einen sehr privaten, ja fast intimen Charakter haben Ringe, die Menschen einander als Zeichen der Liebe und Freundschaft schenken. Trauringe, Taufringe oder Freundschaftsringe sind in unserer Vorstellung angefüllt mit Bedeutung. Die geschlossene Kreisform des Ringes symbolisiert etwas Unauflösliches und macht ihn zum Zeichen von Verlöbnis und Ehe. Häufig wird der Bezug zu Treue und Vereinigung noch durch Symbolmotive unterstützt wie etwa zwei ineinander verschlungene Hände oder ein Herz.

Die gesellschaftlichen Funktionen von Schmuck sind vielfältig. Er liefert Informationen über das Leben derjenigen, die ihn zur Schau tragen und ist dabei vieles zugleich: Objekt von Sehnsüchten und Neid, Zeichen der Liebe, persönlicher Gegenstand und Statussymbol.


Für die Arbeit in der Gruppe

Ziel
Die Frauen erkennen, welche Möglichkeiten Schmuck bietet, sich selbst auszudrücken, sich selbst wertzuschätzen und sich darzustellen.

Material
– Goldpapier, Silberpapier, Alufolie, Buntpapier (Farben)
– Quadrate, Dreiecke, Rechtecke, Kreise, Ringe, Ellipsen aus Papier (Formen)
– Papierbögen und Buntstifte, Strick, Scheren und Sicherheitsnadeln
– Plakat oder großes Papier, beschriftet mit einem Text aus dem Lied der Lieder: „Deine Wangen sind lieblich mit den Kettchen und dein Hals mit den Perlenschnüren. Wir wollen dir goldene Kettchen machen mit kleinen silbernen Kugeln.“ (Hld 1,10f) Und: „Du hast mir das Herz genommen mit einem einzigen Blick deiner Augen, mit einer einzigen Kette an deinem Hals.“ (Hld 4,9)
– Gesangbücher
– Loszettel (mindestens in der Anzahl der Teilnehmerinnen; bei Bedarf Texte mehrfach verwenden) mit folgenden Sätzen:
Ich möchte angesehen werden.
Ich möchte ausstrahlen.
Ich zeige, wer ich bin.
Ich zeige, was ich bin.
Ich betone eine Seite von mir.
Ich zeige, zu wem ich gehöre.
Ich halte Erinnerungen wach, an einen Menschen oder an ein Ereignis.
Ich bin mit einem anderen Menschen verbunden.
Ich bin etwas wert.
Ich trauere.
Ich lasse niemanden an mich heran.
Ich bin glücklich.
Ich möchte mich unterscheiden von anderen.
Ich bin ein Original.
Ich möchte, dass man mir ins Gesicht sieht.
Ich fühle mich beschützt. Mir kann nichts passieren.

Für AbonnentInnen ist eine Kopiervorlage unter „Service“ zum Herunterladen vorbereitet.


Ablauf

Einzelarbeit
Nach einer kurzen Einführung durch die Leiterin zieht jede Teilnehmerin ein Los und bekommt die Aufgabe: Wählen Sie für Ihren Satz eine Farbe und eine Form. Wenn Sie unter den angebotenen Farben und Formen nichts Passendes finden, schneiden Sie sich eine Form aus und bemalen Sie diese. Wo würden Sie das Teil bei sich anbringen – am Ohr, am Hals, im Haar, auf der Brust, am Arm…?
(Es können auch zwei oder drei Teilnehmerinnen zusammenarbeiten.)

Gespräch im Plenum
Die Teilnehmerinnen sollen jetzt die „Schmuckstücke“ der anderen lesen, d.h., sie sollen erraten, was jede ausdrücken wollte.

Information
Die Leiterin informiert mit Hilfe des Beitrags oben über Schmuck als Sprache. Evtl. dazu die Zwischenüberschriften des Textes (Mittel der Kommunikation, Insignie der Macht etc.) auf je ein Kärtchen schreiben und die Kärtchen mit je einer kurzen Erläuterung in die Mitte legen. Wenn die Zeit reicht, können auch die Kärtchen zunächst kommentarlos in die Mitte gelegt werden, und die Teilnehmerinnen finden im Gespräch selbst heraus, worum es geht, welche Beispiele ihnen jeweils einfallen etc.

Gespräch im Plenum
Die Leiterin liest die Verse aus dem Lied der Lieder vor und leitet das Gespräch ein mit den Fragen: Welche Sprache sprechen Wangenkettchen, kleine silberne Kugeln, Perlenschnüre, Halskette? Was wird uns über die Menschen erzählt durch den Schmuck, den sie tragen?
(Der Text kann in der Mitte liegen oder an einem Flipchart hängen.)

Abschluss
Lied: Geh aus, mein Herz und suche Freud, EG 503,1-2 und 13-14
Text:

Euangelion –

die bösen Geister bannen
gesund werden
am Tisch sitzen
endlich ausruhen dürfen
etwas zu essen haben

die Augen zum Leuchten bringen
sagen, was ist
rufen, was wird
Füße, die ausziehen und
einen Weg beginnen

Brot und Wein teilen
mit den Ohren wackeln
am Sabbat
durch Wände gehen
und singen aus voller Brust –

Luzia Sutter Rehmann, in: Dies., Ursula Rapp, Ulrike Metternich: Zum Leuchten bringen. Biblische Texte vom Glück, Gütersloh 2006


Sybille Richter, geb. 1972, hat eine Ausbildung zur Goldschmiedin an der Staatlichen Zeichenakademie Hanau absolviert sowie ein Studium im Fachbereich Schmuck an der Hochschule für Kunst und Design Burg Giebichenstein in Halle; während dieser Zeit studierte sie auch zwei Semester an der Hochschule für Angewandte Kunst UMPRUM in Prag. Heute lebt Sybille Richter als freischaffende Schmuckgestalterin in Halle.


Anzeige: Goldschmieden in Weimar

In unserem Kurs können Sie nach eigenen Ideen und Entwürfen Schmuck und kleine Objekte anfertigen. Wir führen in die grundlegenden Techniken des Gold- und Silberschmiedehandwerks ein.
– Vorkenntnisse sind nicht erforderlich.
– Werkzeuge und Material werden gestellt.
– Edelmetalle werden gesondert abgerechnet.

Das Tagungshaus in Weimar liegt nah am Goethepark und in angenehmer Fußweg-Entfernung zur Innenstadt. (www.hedwig-pfeiffer-haus.de)

Kursleiterinnen:
Eva Küpper ist Silber- und Goldschmiedin mit pädagogischer Ausbildung. Sie unterhält in Frankfurt/Main die Galerie SCHMUCK-RAUM. (www.schmuck-raum.de)
Sybille Richter ist Goldschmiedin und diplomierte Künstlerin in Halle/Saale.

Kursdatum: 23.–28. Oktober 2007
Kursgebühr: 460 € inkl. Unterkunft und Vollpension
Anmeldung: bis 30. Juli 2007
Teilnahme: Die TN-Zahl ist auf 12 Personen begrenzt.
Kontakt: Sybille Richter
Tel.: 0176 / 22 701 649
sybillerichter@web.de

Ausgabenarchiv
Sie suchen eine Ausgabe?
Hier entlang
Suche
Sie suchen einen Artikel?
hier entlang