Alle Ausgaben / 2017 Bibelarbeit von Susanne Krahe

Gott sagt: Ich heile dieses Wasser

Bibelarbeit zu Elisas "Wasserwunder" 2 Kön 2,19-22

Von Susanne Krahe

Was wird das Jahr 2018 uns bringen? Was werden wir tun und lassen, em­pfangen und weitergeben? Fragen, die uns angesichts der politischen und gesellschaftlichen Situation, der kirchlichen Entwicklung und des eigenen Lebens bedrängen.

Jericho liegt im Jordangraben, rund 250 Meter unter dem Meeresspiegel. Die Stadt ist von Wüste umgeben und wird im Westen von einer Hügelkette umsäumt. Bevor aber der Blick gegen diese Anhöhen stößt, darf er sich an den Grün- und Brauntönen der Tiefebene weiden. Tatsächlich: Jericho ist eine Oase mitten in der Ödnis! Trotz notorischer Regenarmut kann auf diesen Feldern Ackerbau betrieben werden, und zwar dank der Elisa-Quelle in der Nähe. Kein Wunder, dass schon in der Antike Karawanen mit ihren Lasttieren und Händlern hier Station machten.
Doch landschaftliche Reize allein machen einen Wohnort noch lange nicht attraktiv. Die Bewohnerinnen und Bewohner Jerichos, die eines Tages zum Propheten Elisa kamen, brachten nur halbherziges Lob für ihre Heimat auf. An und für sich lasse sich gut in der Oase wohnen, räumten sie gegenüber dem Gottesmann ein. Die Einschränkung, mit der sie dann herausrückten, war allerdings keine Kleinigkeit. Sie stellte die elementaren Lebensbedingungen rund um Jericho in Frage, und beschwor eine Bedrohung herauf, die Gegenwart und Zukunft der Bevölkerung verdunkelte: „Das Wasser ist verdorben, und das Land ist kinderlos!“ (2 Kön 2,19).

Sauberes Wasser

Ob der Zusammenhang zwischen Unfruchtbarkeit und mangelnder Wasserqualität aus medizinischer Sicht haltbar ist, sei dahingestellt.1 Ausschließen lässt er sich keineswegs. Tatsache ist, dass dem Element Wasser bis heute eine Fülle von Wirkungen, Nebenwirkungen und Risiken zugeschrieben wird. Manche schwören auf teure Verwirbelungsapparate oder leisten sich Patronen zur Anreicherung mit Kohlensäure und Aromastoffen. Kunststoffleitungen sollen unser wichtigstes Lebensmittel bleifrei halten, Filteranlagen entkeimen und entkalken das Wasser. Bei Verdacht auf Verunreinigung genügt ein Anruf beim Wasserwerk oder beim Gesundheitsamt.

In biblischen Zeiten gab es weder Qualitätsstandards noch behördliche Instanzen, die sich um die Wasserversorgung kümmerten. Entweder nahmen die Bewohnerinnen und Bewohner Jerichos die Launen der Natur schicksalsergeben hin, oder sie suchten Hilfe bei einem „Experten“, dem sie die „Reinigung“ ihrer Quelle zutrauten. Eine alte Geschichte über den Urpropheten Mose mag die Leute in der Hoffnung bestärkt haben, bei Elisa an der richtigen Adresse zu sein. Während der Wüstenwanderung Israels war das Volk in eine ähnliche Notlage geraten: Das Wasser, das die Wandernden entdeckt hatten, erwies sich als ungenießbar. Wovon sollten sie nun leben? Damals hatte Mose ein Holz in die Quelle geworfen, und das bittere Wasser von Mara war süß geworden (Ex 15,25f).

Auch Elisa wusste auf der Stelle Rat. Er griff aber weder zu einem Holz noch zu einem anderen „Zauberstab“. Ihm genügte Salz zur Reinigung des Wassers. Dieses Mineral galt schon in biblischen Zeiten als unverzichtbar, um Speisen zu würzen (Ijob 6,6). Auch in kultischen Handlungen wurde Salz verwendet. Darüber hinaus wusste man von seinen heilenden, konservierenden und vor allem reinigenden Wirkungen. Elisa griff also auf ein populäres Erfahrungswissen zurück, wenn er die Leute aus Jericho aufforderte, ihm eine neue Schale zu bringen und sie mit Salz zu füllen. Gesagt, getan. „Dann ging er zur Wasserquelle hinaus, warf das Salz dort hinein …“
(2 Kön 2,21a).
Das Verfahren wirkte.

Gott hilft

Besondere Menschen, besondere Fäh­igkeiten: Dieser Schluss könnte sich durchaus auf Elisa und die anderen ProphetInnen Israels übertragen lassen. Nun waren diese berühmten biblischen Gestalten jedoch nicht für ihre übernatürlichen Kräfte bekannt. Amos, Jesaja oder Jeremia vollbrachten keine Wundertaten. Ihre Nähe zu Gott zeigte sich anders. Sie waren berufen, Gottes Willen an das Volk zu übermitteln, gerade auch, wenn dieser einen Tadel, eine Drohung oder gar eine Strafe für Israels Fehlverhalten nach sich zog. In der Zeit vor dem babylonischen Exil klang die Stimme Gottes, die von den Mündern der Propheten artikuliert wurde, überwiegend nach Unheil.

Auch Elisa stand in dieser Tradition. Er war der legitime Nachfolger Elias, hatte dessen Geist geerbt und dessen Aufgabe übernommen, die Könige Israels und deren Politik kritisch zu begleiten. Wo sie vom Willen Gottes abwichen, indem sie religiöse Tabus verletzten oder auf die falschen Bündnispartner setzten, nahm er kein Blatt vor den Mund. Dass Elisa über Zukunftswissen zu verfügen schien, machte ihn zu einem wertvollen diplomatischen Ratgeber in poli­tischen und militärischen Krisen. In seiner Zeit, der zweiten Hälfte des 9. Jahrhunderts v. Chr., drohten Israel und Juda zwischen den wechselnden Macht­ansprüchen ihrer Nachbarstaaten zerrieben zu werden. Guter prophetischer Rat war teuer und wurde von den Königen Joram, Jehu und Joahas von Israel immer wieder eingefordert.

„Gott hilft“ oder „Gott hat geholfen“. So lässt „Elisa“ – auch „Elischa“ genannt – sich übersetzen. Bereits dieser Name schien einen gehörigen Vertrauens­vorschuss in seine göttlichen Kräfte zu rechtfertigen. Anders als sein Vorgänger Elia beschäftigt er sich weniger mit Fragen des rechten oder falschen Jahwe-Glaubens. Er ist mehr als ein kundiger, pragmatischer Helfer in existentiellen Notlagen der kleinen Leute bekannt. „Gott hilft“ – nicht nur den Anführern und nicht nur in militärischen Katastrophen. Ihn kümmern nicht nur die Fehlentscheidungen gekrönter Häup­ter. Israels Gott hat auch ein Ohr für die Nöte und Klagen der einfachen Leute, für deren Hunger und Durst, für ihre Schulden und ihre kleinen Missgeschicke.

Um dieses Vertrauen zu verankern, überliefert die Hebräische Bibel neben den Berichten über Elisas politische Einflussnahmen eine Reihe von Wunder­taten des Gottesmanns: Elisa
– spaltet mit seinem Mantel das Wasser des Jordans (2 Kön 2,14),
– reinigt das Wasser der Jericho-Quelle mit Salz (2 Kön 2,19-22),
– verflucht eine Horde junger Leute, die ihn verspottet hatten (2 Kön 2,23-24),
– rettet die Kinder einer verschuldeten Witwe durch Vermehrung ihres Ölvorrats (2 Kön 4,1-7),
– entgiftet eine vermeintlich ungesunde Speise durch die Zugabe von Mehl
(2 Kön 4,38-41),
– tut sich während einer Hungersnot durch eine wunderbare Brotvermehrung hervor (2 Kön 4,42-44),
– heilt einen syrischen Offizier von Aussatz (2 Kön 5,-27),
– lässt ein im Jordan verlorenes Beil wieder auftauchen (2 Kön 6,1-7) und
– erweckt sogar ein totes Kind zum Leben (2 Kön 4,8-37).

Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott

Heutigen Leserinnen und Lesern mögen solche volkstümlichen Legenden übertrieben bis abstrus erscheinen. Sobald man sich allerdings in die Denkvoraussetzungen und die von magischem Denken bestimmte Gefühlswelt der antiken Zuhörerschaft versetzt, bekommen die Heldentaten des Gottesmanns eine erstaunlich nüchterne Färbung. Elisa benutzt keine magisch aufgeladenen Gerätschaften für seine Hilfsmaßnahmen, sondern arbeitet mit dem Gegebenen: Wasser, Salz, Mehl, Getreide, Öl, Gemüse. Er schwingt keine Zauberstäbe und spricht keine Zauberformeln, sondern setzt auf Wort und Gebet.
Vor allem aber: Statt sich und seine Fähigkeiten in der Rolle eines Supermanns zu inszenieren, leitet er die BittstellerInnen dazu an, selbst aktiv zu werden und ihre eigenen Voraussetzungen einzubringen. Die verschuldete Witwe wird darauf aufmerksam gemacht, dass auch das wenige Öl, das sie im Haus hat, sich vermehren und verkaufen lässt (2 Kön 4,2). Bevor die im Wasser versenkte Axt wieder auftaucht, muss der Mann, der sie verloren hat, sich besinnen, an welcher Stelle genau ihm das Werkzeug entglitten ist
(2 Kön 6,6).

Nein, Elisa geht es nicht um Hokuspokus, sondern um den Gebrauch von Verstand und Erfahrungen. Irrationale Ängste, Panik und Hysterie federt er mit besonnenem Eingreifen ab. Während seine Gefolgsleute mit einer unbekannten Speise den „Tod im Topf“ beschreien, neutralisiert er den verdächtigen Geschmack cool mit einer Hand voll Mehl – und behält Recht (2 Kön 4,41).

Zu seiner Überlegenheit gesellt sich ­Elisas Neigung, die eigene Rolle möglichst herunter zu spielen. Sie fällt umso mehr auf, als im ganzen Land Gerüchte über seine Hilfsbereitschaft und seine Kompetenzen verbreitet worden sein müssen. Doch Elisa wirkt jeglicher Sensationslust und jeglichem Personenkult entgegen. Mit dieser Art von Selbstbescheidung wird der Prophet seinem eigenen Namen in einer fast schon symbolischen Weise gerecht. „Gott hilft“. Das könnte als Motto über Elisas Wundern stehen, korrigiert aber gleichzeitig auch eine allzu personenbezogene Auffassung vom prophetischen Auftrag. „Gott hilft“, nicht seine Berufenen. Sie sind Werkzeuge in Gottes Hand. Nicht mehr und nicht weniger.

Weder medizinisches Wunder noch Zauberei

Zurück zur Quelle von Jericho. Die Gesandtschaft, die Elisa die Not ihrer Stadt vorgetragen hatte, dürfte nicht schlecht gestaunt haben, als der Gottesmann genau das richtige Rezept gegen die Verseuchung des Wassers ausstellte. Es genügte, sich an das reichlich vorhandene Salz und seine heilenden Wirkungen zu erinnern.

Aber stimmte das überhaupt? War es wirklich dieses Mineral mit seiner alka­lischen Wirkung, das mit der bedrohlichen Lage der Bevölkerung Jerichos Schluss machte? Elisa verließ sich nicht allein auf sein Erfahrungswissen. Salz hin, Salz her. Wenn über die Gaben der Geber vergessen, wenn Gott aus dem Geschehen ausgeblendet wurde, dann drohte jedes therapeutische Bemühen zu scheitern. Auch für dieses prophetische „Wunder“ galt: Es wurde weder von medizinischen Wundermitteln, noch von menschlichen Zauberkräften bewirkt. Hinter dem Reinigungsakt steckte das Wort Gottes. War es damals bei Mose und dem bitteren Wasser von Mara nicht auch so gewesen, dass der Prophet zuerst zu Gott um Hilfe gebetet, und dass ihm Gott erst dann das Holz gezeigt hatte, mit dem er Abhilfe schaffte? (Ex 15,25)

Elisa war nicht nur ein Mann der wirksamen Tat, sondern auch einer der wirkmächtigen Worte. „Dann ging er zur Wasserquelle hinaus, warf das Salz dort hinein und sprach: ,So spricht die Ewige: Ich heile dieses Wasser! Nie wieder soll von ihm Tod und Kinderlosigkeit kommen!' Und so wurde das Wasser bis zum heutigen Tag geheilt gemäß dem Wort Elischas, das er geredet hatte.“
(2 Kön 2,21-23).

Mit dieser Klarstellung verwandeln diejenigen, die das Geschehen überliefert haben, einen Vorgang, den wir heute mit biochemischen Prozessen in Verbindung bringen, in ein Gottesgeschehen. Ein im Naturbereich angesiedeltes Ereignis wird entprofaniert, eine volkstümliche Legende erhält eine theologische Färbung. In welchem Stadium der Sammlung und Überlieferung der Legende das gemacht wurde, ist unerheblich. In ihrem jetzigen Textzusammenhang dient die Legende als ein versachlichendes Vorzeichen aller folgenden prophetischen „Wunder“. Sie ergänzt und kommentiert die vorausgehende Geschichte, in der Elisa seine Ausstattung mit dem prophetischen Geist Elias bewiesen hatte. Mit dessen Mantel konnte er den Jordan spalten. Aber ­diese Geste illustrierte eben nur eine Seite prophetischen Geistes. Die andere zeigte sich, wenn Elisa in nüchternen Worten auf die Macht und den Willen Gottes hinwies.

Für die Arbeit in der Gruppe

Material
Liste mit den Wundertaten Elisas
– Arbeitsblatt mit dem Text 2 Kön 2,19-22 (evtl. nach mehreren Bibelübersetzungen) mit Platz für Notizen
– Blätter; Stifte in der Anzahl der TN

Kopiervorlagen für AbonnentInnen unter www.ahzw-online.de / Service als Material zum Herunterladen vorbereitet

Ablauf
Hinführung
Elisa – oder auch Elischa genannt – ist ein Schüler des Propheten Elia. Doch anders als seinen Vorgänger interessiert ihn weniger die Frage nach dem rechten oder falschen Jahwe-Glauben. Und er kümmert sich auch nicht nur um Fehlentscheidungen gekrönter Häupter oder militärischer Anführer. Wem Gott durch seinen Propheten Elisa hilft, lässt sich an dessen Wundertaten ablesen.

Impuls
Betrachten wir die Liste mit den Wundertaten Elisas. Was fällt Ihnen auf? An wen richtet sich das Wirken Elisas?

Austausch (evtl. in Murmelgruppen)

Mit eigenen Erfahrungen verbinden
Elisas Taten machen deutlich, dass Israels Gott ein Ohr für die Nöte und Klagen der einfachen Leute hat, für deren Hunger und Durst, für ihre Schulden und Missgeschicke.

Lassen Sie uns einen Moment Zeit nehmen, in der jede/jeder überlegen und – nur für sich – auf einem Blatt festhalten kann:

– Wonach hungere oder dürste ich?
-Wovon würde ich gerne „geheilt“ werden?
– Was ist mir verloren gegangen?
– Was ist in mir/in meinem Leben „tot“ oder „verunreinigt“?

Den Bibeltext aufnehmen
Jetzt wird es spannend. Denn nun geht es darum, wie dieser Prophet, dessen Name „Gott hilft“ bedeutet, eigentlich hilft. Lassen Sie uns dazu die Erzählung über die Reinigung der Jericho-Quelle aus 2 Kön 2,19-22 näher betrachten.

– Nach einer kurzen Einführung in Geographie der Stadt Jericho und Bedeutung der Elisa-Quelle1 verteilt die Leiterin / der Leiter Kopien der Schriftstelle zum gemeinsamen Lesen.

Wenn der Text in verschiedenen Übersetzungen vorliegt, werden diese nacheinander mit verschiedenen Stimmen laut gelesen.

Die TN werden eingeladen, Worte oder Satzteile zu wiederholen und in den Raum zu sprechen.

– Kleingruppenarbeit
Die TN werden aufgefordert, den Text jetzt nach den Orten der Handlung zu gliedern (der Ort, wo Elisa und die Leute miteinander reden – die Stadt – die Wasserquelle) und zu überlegen: Wer sind die jeweils handelnden „Personen“? Wer agiert mit wem?

Spielen oder stellen Sie dann die einzelnen Szenen nach.

– Austausch
Was haben die Darstellenden erlebt? Was haben die Beobachtenden gesehen?

Die Leiterin / der Leiter ergänzt Hintergrundinformationen (aus den letzten zwei Abschnitten der Bibelarbeit)

Übertragung
Bitte, nehmen Sie jetzt noch einmal Ihre Notizen von vorhin zur Hand und suchen sich eine Gesprächspartnerin / einen Gesprächspartner. Überlegen Sie gemeinsam: Was könnte eine wirksame Tat und ein wirkmächtiges Wort für die von Ihnen notierte Situation sein?

Alternativ kann die Fragestellung auch sein: Erwarte ich / erwarten wir „in der Not“ göttliches Eingreifen? Und was bedeutet es für unseren Glauben, wenn Gott nicht im erhofften Sinne eingreift?
Oder auch: was können wir tun, um allen Menschen Zugang zu lebensnotwendigen Trinkwasserquellen zu ermöglichen.

Abschlusslied
Lass uns den Weg der Gerechtigkeit gehn oder Liebe ist nicht nur ein Wort oder Erleuchte und bewege uns
Zu finden in den landeskirchlichen Liedteilen des EG oder in: Durch Hohes und Tiefes Gesangbuch der Ev. Studierendengemeinden in Deutschland. Hrsg. von Eugen Eckert u.a., Strube Verlag, München 2008

Susanne Krahe, 58 Jahre, lebt als frei schaffende Theologin und Autorin in Unna. – mehr über die Autorin erfahren sie unter www.susanne-krahe.de

Vorschlag für die Bibelarbeit in der Gruppe: Simone Kluge, Referentin bei den Evangelischen Frauen in Mitteldeutschland und Mitglied im Redaktionsbeirat ahzw

Anmerkung
1) Zur Kinderlosigkeit: Steht kein Trinkwasser zur Verfügung, beispielsweise bei schrecklichen Dürren oder verseuchtem Wasser, ist es eine Realität, dass Kinder sterben, weil sie verdursten, und Frauen aus dem gleichen Grund Fehlgeburten erleiden. Wie gut ist es, wenn Menschen dort Abhilfe schaffen!

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