Wieder einmal nehme ich das Bilderbuch von Leo Lionni in die Hand, das ich schon seit Kindertagen kenne: „Frederick“.
Die Geschichte von der kleinen Feldmaus, die Farben sammelt, Sonnenstrahlen und Wörter, begleitet mich seit vielen Jahren, und ich entdecke mich in ihr immer wieder neu. Heute möchte ich Sie dazu einladen, mit mir zusammen Altbekanntes neu zu entdecken – oder sich neu anregen zu lassen zum Müßiggang.
So lasst uns diese Andacht feiern
im Namen von Schöpferin Gott,
die uns den Schabbat geschenkt hat
als Zeit innerer Ruhe und Neuausrichtung;
im Gedenken an Jesus Christus,
der uns ein Beispiel dafür gab,
wie ein Leben in Ausgewogenheit
und Liebe zum Sein gelingen kann,
und in Verbindung mit der Geistkraft Gottes,
die in uns wirken und sich entfalten will.
Möge Gottes Geistkraft uns erfüllen
und uns wache Sinne schenken.
Mögen wir mit offenen Augen hören
und mit wachem Herzen sehen.
Amen
Lied:
Komm, Heilger Geist (s. S. 30)
Andachtstext:
„Komm, Heilger Geist, mit deiner Kraft, die uns verbindet und Leben schafft“, haben wir soeben gesungen. Doch was ist es, das verbindet? Was schafft Leben?
Wenn ich mir die Bilder aus dem Buch „Frederick“ anschaue, dann sehe ich da Mäuse, die gut miteinander verbunden sind, die miteinander schwatzen und dann, als der Winter naht, zusammen Vorräte sammeln. Sie schaffen gemeinsam. Sie ziehen an einem Strang. Ich sehe, wie sie aufeinander bezogen sind. Sie haben Blickkontakt und sind einander zugewandt. Sie arbeiten Hand in Hand, helfen einander aus. Ich sehe, wie sie gemeinsam Körner und Nüsse und auch große Maiskolben in ihr Winterlager tragen. Eine einzelne Maus hätte dies so nie vollbracht.
Kennen Sie das auch? Diesen Geist der Gemeinschaft? Die Freude am gemeinsamen Schaffen?
Stille
Es ist ein schönes Gefühl, in eine Gemeinschaft eingebunden zu sein, einen Beitrag leisten zu können und zusammen mit anderen etwas zu bewirken. Es ist schön, ein gemeinsames Ziel zu haben. Das stärkt. Das trägt. Ich kann aufgehen in der Verbindung mit den anderen, in meiner und unserer gemeinsamen Schaffenskraft.
Ist es da nicht traurig zu sehen, wie die Maus Frederick abseits sitzt? Die anderen lebendig, aktiv – und er?
stille Betrachtung des Bildes1
In dem Bilderbuch sehe ich Frederick an verschiedenen Orten sitzen, die Augen halb oder ganz geschlossen. Er sitzt fast immer nach links gewandt, in die Vergangenheit gerichtet, während die anderen Mäuse nach vorn ausgerichtet sind, nach rechts, in die Zukunft. Mal hängt sein Mäuseschwanz, mal steht er aufrecht. Und ich frage mich: Geht es ihm gut?
Wie geht es mir, wenn ich das Bild betrachte?
Stille
Neutral betrachtet, ist da ja einfach eine Maus, die dasitzt. Empfinde ich ihr Dasitzen als „Alleingang“? Stört es mich, dass da jemand ausschert? Dass sich eine das Recht herausnimmt, einfach nur dazusitzen? Halte ich es für unredlich, unsolidarisch, egoistisch?
Was sehe ich und wie werte ich, was ich sehe?
Austausch
Vielleicht stellt dieses Bild mich und meine Werte in Frage? Ich meine es doch richtig zu machen! Müssten das nicht alle anderen auch so sehen und ihr Leben danach gestalten?
Dass mich das Verhalten einer, eines anderen stört, hat mehr mit mir selbst als mit der oder dem anderen zu tun. Ich halte es nicht aus. Vielleicht meine ich sogar, ihr oder ihm helfen zu müssen, heraus aus dem, was ich als Isolation, als Faulheit, vielleicht als Lebensuntüchtigkeit empfinde. Warum halte ich das abweichende Verhalten anderer eigentlich so schlecht aus?
Stille
Die anderen Mäuse fragen Frederick: „Frederick, warum arbeitest du nicht?“ Auf dem nächsten Bild, schon etwas interessierter: „Und nun, Frederick, was machst du jetzt?“ Und dann: „Träumst du, Frederick?“
Die erste Frage zielt auf Rechtfertigung ab: Wer nicht (mit-) arbeitet, muss sich erklären. Die zweite Frage zeigt eine gewisse Neugier: Was machst du jetzt? Ganz verstanden, was die andere da macht, habe ich noch nicht, aber ich frage nach. Dass die anderen Mäuse das abweichende Verhalten jedoch nur schwer akzeptieren können, zeigt die dritte Frage: „Träumst du, Frederick?, fragten sie vorwurfsvoll.“
Scheinbar lässt Frederick sich durch die Fragen der anderen nicht aus der Ruhe bringen. Frederick weiß, was er tut. Er ist sich seiner selbst bewusst und schätzt sein eigenes Tun wert: „Ich arbeite doch, ich sammle Sonnenstrahlen für die kalten, dunklen Wintertage.“ „Ich sammle Farben, denn der Winter ist grau.“ Den Vorwurf, dass er träume, weist er zurück. Stattdessen verrät seine Antwort, dass er die Zukunft und das, was es für die Zukunft braucht, sehr wohl im Blick hat: „Aber nein, sagte er, ich sammle Wörter. Es gibt viele lange Wintertage – und dann wissen wir nicht mehr, worüber wir sprechen sollen.“
Austausch zu zweit:
Fragen zum Austausch für alle kopieren und austeilen
– Wie blicke ich auf mein eigenes Nichtstun: Hänge ich ab? Bin ich mit wachen Sinnen dabei?
– Lebe ich im Bewusstsein dafür, was es für lange Wintertage braucht?
– Wann und wo erlebe ich das Abhängen, wann das andere?
– Was braucht es, um in Ruhe und gleichsam aufmerksam und wach zu sein?
Meditation:
Ich möchte Sie einladen, eine innere Haltung der Wachsamkeit zu erproben.
Setzen Sie sich bitte aufrecht auf Ihren Stuhl. Wenn es geht, vorne auf die Sitzkante, sodass Sie Ihre Sitzhöcker spüren können. Die Beine sind parallel, die Füße etwa hüftbreit nebeneinander auf dem Boden. Ruckeln Sie sich ruhig ein bisschen zurecht, lockern Sie Schultern und Rücken, um dann in eine gute Aufrichtung zu kommen.
Die Wirbelsäule sitzt gut und sicher, ausgespannt zwischen Himmel und Erde. Die Schultern und Arme sind locker und entspannt. Sie dürfen sinken. Die Hände können Sie in Ihrem Schoß ablegen, gerne mit den Handflächen nach oben geöffnet, in leichter Berührung der Fingerspitzen. Der Kopf sitzt locker oben auf, in Verlängerung der Halswirbelsäule. Der Kiefer ist entspannt. Die Stirn darf sich entfalten, die Augen dürfen in sich ruhen.
Und ich möchte Sie einladen, einen Moment in dieser Haltung zu verweilen, Ihrem Atem nachzuspüren und Ihre Gedanken kommen und gehen zu lassen …
1-5 Minuten Stille, eingeleitet und beendet durch den Ton einer Klangschale; dann die Teilnehmer(innen) einladen, sich zu strecken, zu gähnen und wieder im Raum anzukommen
Wie ist es mir ergangen?
Austausch zu zweit
Lange Wintertage werden kommen. Auch kalte und dunkle Tage. Tage, an denen wir nicht mehr wissen, was wir machen oder worüber wir sprechen sollen. So ist es auch bei den Feldmäusen. Ihnen gehen die Vorräte aus – und auch der Gesprächsstoff. Gut, dass sie dann von den Vorräten zehren können, die Frederick gesammelt hat. Plötzlich drehen sich die Rollen um. Frederick wird aktiv. Er klettert auf einen großen Stein. Mit Händen und Füßen und wachem Blick erzählt er und erzählt. Nun sind es die anderen, die ihre Augen schließen. Und in ihnen entsteht die Wärme der Sonnenstrahlen, der Duft der Farben, die Schönheit der Worte.
Frederick nimmt sie mit. Lässt sie erleben und erfahren, was er selbst erleben durfte. Lässt sie teilhaben an seinen Schätzen. Brauchen wir das nicht auch? Heute mehr denn je? Dass wir einander von den inneren Schätzen weitergeben, dem was unser Herz erfüllt und unsere Seele nährt? In dem Lied, das wir am Anfang gesungen haben, heißt es in der zweiten Strophe: „Nur, wenn wir uns nicht verschließen, können wir deine Kirche sein.“
Lasst uns beten: Gott, wir bekennen, dass wir uns oft über andere erhoben haben und ihnen mit Vorwürfen und Unverständnis begegnet sind.
Wir scheinen uns selbst oft so sicher zu sein. Wir meinen zu wissen, was gut und richtig ist. Lehre du uns zuzuhören und die anderen als dein Geschenk und Wunder zu sehen.
Manche Begegnungen sind eine Herausforderung für uns. Lass sie uns annehmen und selbst daran wachsen. Du willst, dass wir mit- und voneinander lernen.
Gott, wir bitten dich auch für unsere Kirche, dass sie sich nicht verschließen möge, sich nicht verlieren möge im gemeinsamen Schaffen und Tun, sondern die Sonnenstrahlen im Blick behält, deine Farben und die Kraft deines Wortes. Amen
Lied:
Komm, Heilger Geist, mit deiner Kraft
Segen:
Gott segne dich
mit der Kraft, die verbindet und Leben schafft.
Gott segne dich
mit Liebe, die dich ganz erfasst und
aufblühen lässt.
Gott segne dich
mit Vertrauen, um dich anderen
zuzuwenden und dich gegenüber
Neuem zu öffnen.
Gott segne dich
mit Worten, die Herzen erreicht und dich und andere erhellt.
Gott segne den Frederick in dir.
Amen
Simone Kluge, Mitglied im Redaktionsbeirat der ahzw, ist Referentin für Frauenarbeit bei den Evangelischen Frauen in Mitteldeutschland und stellvertretende Leiterin der Dienststelle. Wenn sie nicht gerade „Frederick“ liest, sammelt sie Sonnenstrahlen auf dem Balkon und Farben in der Natur und tanzt an Sommer- wie Wintertagen.
Anmerkung
1) Siehe oben S. 2-3; Kopiervorlagen sind für AbonnentInnen der ahzw unter www.ahzw-online.de / Service zum Herunterladen vorbereitet.
Eine letzte Ausgabe der leicht&SINN zum Thema „Bauen“ wird Mitte April 2024 erscheinen.
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