Alle Ausgaben / 2002 Artikel von Katja de Braganca, Bärbel Peschka

Hauptsache gesund?

Eine Hinführung zum Zweifel

Von Katja de Braganca, Bärbel Peschka

(Auszug)

Wer hätte es nicht, ohne groß darüber nachzudenken, schon einmal jemand mit auf den Weg gegeben? „Hauptsache gesund!“ Und wenn nicht? Was sagen oder tun wir dann? Gesunde Menschen können sich oft kaum vorstellen, dass sie selbst oder nahe Angehörige einmal von Behinderung oder chronischer Krankheit betroffen sein könnten. Reden über Behinderungen fällt noch einigermaßen leicht, mit behinderten Menschen zu sprechen ist für viele eine beunruhigende Vorstellung. Die folgenden Vorschläge für die Gruppenarbeit laden dazu ein, sich mit den eigenen Gefühlen auseinander zu setzen und, wo nötig und möglich, Änderungen im Denken und Verhalten einzuüben. Sie können (jeweils in 1–1,5 Stunden) einzeln oder aufeinander aufbauend verwendet werden.

Ich kann nicht sehen. Kann ich die Welt dennoch wahrnehmen?

In Gruppen (3-5) setzen sich die Frauen mit der Vorstellung auseinander, BLIND zu sein. (30 min) Die Phantasie der Einzelnen und das Gespräch kann durch folgende Fragen angeregt werden: – Kenne ich einen blinden Menschen? – Kann ich mir vorstellen, selbst blind zu sein? Fühle ich mich dann behindert? Wie verändert sich mein Leben? Wie fühlt sich meine Lebensqualität an? Kann ich mir vorstellen, dass ich weiterleben könnte? Welche Unterstützungen würde ich brauchen? – Was ist (für mich) schlimmer als blind zu sein? Wie wäre es für mich, wenn ich ein blindes (Enkel-)Kind bekäme? Wichtige Sätze werden auf einzelne Zettel geschrieben und für alle sichtbar hingelegt oder aufgehängt. Die Frauen tauschen sich aus. (20 min) Das Wichtige wird anschließend in der großen Runde vorgetragen. Nachdem sich alle Gruppen mitgeteilt haben, erfolgt noch eine große Runde: Wer möchte, äußert sich nochmals zu dem Thema.

Wie es ist, mit dem Down-Syndrom zu leben?

Vorbereitung: Die Teilnehmerinnen verabreden sich (so sie selbst keinen Zugang haben) mit einer Person, die Zugang zum Internet hat. Sie wählen sich in die Seite www.ohrenkuss.de ein. Dort sehen sie Beiträge, die Menschen mit dem Down-Syndrom erstellt haben. Sie betrachten die Bilder und lesen einige der Texte. Der Text, der sie am meisten berührt, wird ausgedruckt und zu dem Treffen mitgebracht.

Beim Treffen der Gruppe werden die ausgewählten Texte vorgelesen und besprochen: – Warum habe ich diesen Text gewählt? Was löst er in mir aus? Kann ich mir wirklich vorstellen, dass ein Mensch mit einer geistigen Behinderung ihn verfasst hat? – Kenne ich einen Menschen mit einer geistigen Behinderung? Mit dem Down-Syndrom? – Wie wäre es, wenn ich ein Kind mit dem Down-Syndrom erwarten würde? Wie wäre es, wenn ich ein Enkelkind mit Down-Syndrom bekäme? – Habe ich Lust, einen Beitrag in das online Gästebuch der Redaktion zu schreiben?

Krank oder Behindert?

In Gruppen (3-5 Frauen) beschäftigen sich die Teilnehmerinnen mit der Frage: Was ist der Unterschied zwischen Krankheit und Behinderung? Die Ideen und Gedanken werden auf ein Blatt geschrieben (20 min) und anschließend besprochen. Auf einem großen Plakat stehen die rechts und links die Begriffe „Krankheit“ bzw. „Behinderung“, jeweils umkreist. Die Gruppe schreibt nun Wörter und Assoziationen zu den beiden Begriffen auf und verbindet sie durch strahlenförmige Linien mit den Kreisen. So entstehen zwei Sonnen (30 Minuten). Fragen zum anschließenden Gespräch: – Wo überschneiden sich die beiden Begriffe? Wie unterscheiden sie sich? – Kenne ich einen kranken Menschen? Kenne ich einen Menschen mit einer Behinderung? – Bin ich selber betroffen? Kann ich mich darüber mitteilen? Wenn nein, warum? – Wie geht die Öffentlichkeit um mit Menschen, die eine Behinderung oder eine Krankheit haben? Wie gehe ich selber damit um? Im Plenum werden die Plakate aufgehängt und betrachtet. In der großen Runde werden die Unterschiede und Gemeinsamkeiten der Erkenntnisse ausgetauscht.

Idee: Die TeilnehmerInnen sollen raten, wie hoch der Anteil der Menschen mit einer Behinderung ist, die schon mit dieser Behinderung zur Welt gekommen sind. Antwort: 10%. (90% aller Behinderungen werden im Laufe des Lebens erworben.) – Bin ich von dieser Zahl überrascht? – Kenne ich einen Menschen, der im Laufe seines Lebens seine Behinderung erworben hat? Was hat sich im Leben dieses Menschen verändert? Was weiß ich eigentlich darüber? – Habe ich ein Bewusstsein dafür, dass ich einmal betroffen sein könnte? Ist es sinnvoll, sich mit solchen Fragen zu beschäftigen, wenn man/frau gesund ist? – Kann das Leben trotz Behinderung oder Krankheit lohnenswert und schön sein? Was unterstützt mich dabei?

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