Ausgabe 2 / 2021 Material von Michaela Rojahn

Henne, Herr, HaSchem

Fundstück

Von Michaela Rojahn

Die Bibel kennt viele verschiedene Namen und Bilder für Gott. Sie sind menschlich, tierisch und abstrakt. Sie sind männlich oder weiblich konnotiert oder ohne Geschlechtsbezug. Gott ist Licht und Wasser, eine reißende Bärin und eine Henne, ein Herr oder eine Hebamme. Mit Bildern lässt sich umgehen, Bilder haben ihr Potenzial und ihre Grenzen. In der Summe ergibt sich ein spannungsvolles, diverses Bild Gottes.

Der Gottesname hingegen stellt Übersetzer*innen immer wieder vor Herausforderungen. Wird das Tetragramm in der Lutherbibel mit HERR in Kapitälchen wiedergegeben, schlägt die Bibel in gerechter Sprache mehrere Varianten vor, mit denen die Lesenden arbeiten können. Der HERR ist jedoch nicht darunter.

Anfang des Jahres hat die Deutsche Bibelgesellschaft eine weitere Bibelübersetzung herausgegeben: Die BasisBibel. Innovativ und knallbunt gleicht ihr Einband einer Geschenkverpackung. Sie soll als moderne, verständliche und doch texttreue Alternative zur Lutherübersetzung jungen Menschen den Bibeltext näherbringen.

Jedoch, an einer äußerst markanten Stelle bleibt die BasisBibel überraschend traditionalistisch und eindimensional: Sie übersetzt den Gottesnamen – das Tetragramm, das 6.828 Mal im Ersten Testament vorkommt – durchweg mit HERR. „Hier wurde eine Chance vertan, die Thematik der Geschlechtlichkeit Gottes in einen weiteren Horizont zu stellen und für diverse Identifikationen zu öffnen. Die Vielfältigkeit Gottes spiegelt sich ja nicht nur in den biblischen Bildern, sondern gerade auch im Gottesnamen selbst“, stellt die EFiD-Geschäftsführerin, Dr. Eske Wollrad fest. Drastischer formuliert die Frankfurter Politikwissenschaftlerin Dr. Antje Schrupp ihren Eindruck: „Als hätte es nie eine feministische Theologie gegeben, übersetzt die neue Basisbibel den Gottesnamen offenbar durchgängig mit „DÄRRRR HÄRRRR“ – für mich unlesbar.“ Sie finde zwar den Rest gelungen, aber der „HERR“ in Großbuchstaben sei „grottig, grauslich, unentschuldbar.“

Teilweise Aufschluss gibt ein Erläuterungstext der BasisBibel: HERR als Ersatznamen für Gott zu verwenden, sei ein Brauch, der bereits vor 2000 Jahren entstand. Es sei „damals genauso üblich wie heute“ gewesen, „Männer mit ‚Herr‘ anzureden“. Wie jedoch zahlreiche Kommentare anmerken, galt die Anrede „Herr“ sowohl in neutestamentlicher Zeit (kyrios) als noch zu Luthers Zeiten nur Männern mit Macht. Eine zeitgemäße, lesbare Bibelübersetzung mit einem „Wurde-schon-immer-so-gemacht“ zu begründen, ist dementsprechend fragwürdig. Die Deutsche Bibelgesellschaft weist auf Nachfrage darauf hin, dass es keine weit verbreitete kirchliche Bibelübersetzung in einer anderen Sprache gebe, die das Tetragramm mit „Gott“ wiedergebe. Auch das überzeugt als Argument wenig.

Für eine einfach lesbare Übersetzung gerade in der Frage des Gottesnamens hätte man schlicht auf Gott zurückgreifen können. Damit wären zwar die theologisch spitzfindigeren Unterscheidungen zwischen Jahwist und Elohist unsichtbar gemacht, jedoch Androzentrik und Machtfragen, die HERR zweifelsohne evoziert, zumindest abgemildert worden. Mit Blick auf die junge Leser*innenschaft wäre dies eine nachvollziehbare Priorisierung gewesen.

Im Übrigen übersetzt die jüdische Tradition das Tetragramm mit „der Name“ (HaSchem)1 und macht es so les- und sprechbar ohne eine Interpretation vorzunehmen, wie es bei „mein Herr“ (Adonaj) oder der/die Ewige der Fall wäre. Die Interpretation des Gottesnamens bleibt so ein diskussionsoffener Teil in der Annäherung und Erschließung diverser Gottesbilder.

Aktuell widmet sich etwa das Frankfurter Bibelhaus dieser Erschließung: „Wie lässt sich die Vielfalt im G*ttesbild entdecken und denken und was heißt das für das Zusammenleben untereinander, ob religiös oder nicht?“ Bis zum 19. Dezember 2021 lädt das Bibelhaus zur Auseinandersetzung mit diesen Fragen sowie mit den eigenen Geschlechterkategorien und Rollen ein. „G*tt w/m/d – Geschlechtervielfalt seit biblischen Zeiten“ zeigt und interpretiert Exponate vom Altertum bis in die Gegenwart. „Es geht um archäologische Erkenntnisse aus dem Heiligen Land, Gottesebenbildlichkeit und die Einheit in der Vielfalt“, heißt es im Begleittext der Ausstellung.

In der Arbeit mit jungen Menschen nimmt der Actionbound OMG* – ein digitales, kostenfreies Stationenspiel – diverse biblische Gottesbilder in den Blick und regt zur Auseinandersetzung mit den Spannungen und Widersprüchen eigener Gottesvorstellungen an. Teams diskutieren, beziehen Position und werden selbst kreativ: Wer bin ich und welche Vorstellung habe ich von Gott? Was macht mich aus und wofür will ich mich einsetzen? Die Frage und Aufgabe, die eigenen Selbst- und Gottesbilder zu reflektieren, ist für jede Altersgruppe und immer interessant.

Weil Gott alle
Menschen
nach seinem Ebenbild
erschaffen hat, kann
er entweder kein
Geschlecht haben
oder alle
Geschlechter
.

Ellen Radtke
Anmerkungen

1) https://www.talmud.de/tlmd/haschem/

Michaela Rojahn ist Kommunikationswissen- schaftlerin und evangelische Theologin. Sie ist als Referentin für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Evangelischen Zentrum Frauen und Männer tätig. Theologisch gilt ihr besonderes Interesse dem Posttheismus und der Kybernetik.

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