„Wir, die Deutschen … haben schon von jeher viel übrig gehabt für den Tod. Die Kunst zu leben zählt bei uns zu Hause nicht viel. Woraus folgt, dass auch das Leben lassen nicht hoch im Kurs steht.“
Sätze, die eine ins Grübeln bringen können – zumal, wenn sie bedenkt, dass sie in der Erzählung „Erlebnis einer Reise“ der jüdischen Deutschen Grete Weil stehen. Ihr literarischer Erstling erschien erst 1999, obwohl die damals 26-Jährige ihn bereits 1932 geschrieben hatte. Es war nicht die Zeit, in der deutsche Verlage sich um die Veröffentlichung jüdischer SchriftstellerInnen gerissen hätten …
„Ich lebe und ihr sollt auch leben.“ Der Vers aus dem Johannesevangelium (14,19) ist die Jahreslosung 2008. Ihr sollt leben! Das ist zunächst ein Versprechen, eine Zusage, eine Verheißung: Ihr sollt leben! Ihr werdet, ihr dürft leben.
Und doch: Je länger ich mir den kleinen Satz unter die Haut gehen lasse, desto stärker spüre ich auch andere Untertöne. Wie mit kleinen Widerhaken setzt sich
der Gedanke fest: Ihr sollt leben! Da klingt auch an: Ihr „müsst“ leben. Lasst euch nicht einfach treiben. Tut etwas. Lasst euch nicht hängen. Ihr sollt leben! Das ist ein Geschenk. Aber da schwingt auch mit: Es kostet euch etwas, zu leben. Umsonst ist der Tod. Also setzt ein, was ihr habt, um dieses euch geschenkte Leben zu leben. Die Kunst zu leben und leben zu lassen: Mir scheint, es ist die richtige, die höchste Form der menschlichen Antwort auf das göttliche Geschenk des Lebens.
„Ich lebe und ihr sollt auch leben.“ Die Zusage Jesu dankbar hören – und dafür danken, indem wir das Leben als Herausforderung annehmen: Das ist der Leitfaden, an dem alle Beiträge dieser Arbeitshilfe festgemacht sind. Ich hoffe, die so unterschiedlichen Beiträge dieser ahzw machen Lust, sich in den Gruppen – oder in einer stillen Stunde auch allein – mit der Jahreslosung auseinanderzusetzen. Und ich wünsche Ihnen, dass Ihnen dabei der eine oder andere Aspekt der „Herausforderung Leben“ begegnet, den anzuschauen Ihr Leben reicher macht.
