Hinterm Horizont„Dummes Gerede!“ wieherte das Zebra. „Hinterm Horizont ist gar nichts!“ „Ich müsste es wohl wissen – mit meinem Überblick“, grunzte die Giraffe, „aber ich sage dir, wo Himmel und Erde zusammenstoßen, ist die Welt zu Ende.“ „In meiner Familie weiß man seit Generationen, dass, wer sich dem Horizont nähert, schrumpft, bis nichts von ihm bleibt!“ schrie das Dromedar und spuckte vor Aufregung.
„Aber irgend etwas in meinem Innern flüstert mir, dass dort hinterm Horizont Afrika liegt!“ trompetete der junge Elefant und zerrte an seiner Fußfessel, bis sie zerriss. „Afrika ist ein Hirngespinst, und du wirst schrumpfen, bis auch du nur noch ein Hirngespinst bist“, kicherte die Hyäne, und der Strauß nickte dazu. Doch der junge Elefant hatte bereits den Hauptausgang des Zoologischen Gartens durchschritten.
„Seht wie er schrumpft!“ wieherte das Zebra. Da war er schon nicht mehr viel größer als ein Büffel. „Kehr um, ehe es zu spät ist!“ schrie das Dromedar. Und da war er schon nicht mehr viel größer als ein Erdferkel. Und als er, winzig wie ein Sandfloh, am Horizont verschwand, gingen die Tiere zu ihren Schlafplätzen. Nur das alte Nashorn stand noch eine Weile, die kurzsichtigen Augen verträumt geschlossen, in der Abenddämmerung. Es war einst in Afrika geboren.
aus: Solang ich denn ein Wort hab
© Schnitterhof Verlag Lühburg 1996
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