Alle Ausgaben / 2017 Bibelarbeit von Kirstin Müller

Ich sah: Da! Eine weiße Wolke

Bibelarbeit zu Offenbarung 14,12-15,1

Von Kirstin Müller

Gleich zu Beginn erscheint in der Of­­fenbarung des Johannes „eine Gestalt wie ein Menschensohn“ (Luther); „jemand, der einem Menschen ähnlich war“, übersetzt die Bibel in ge­­rechter Sprache, „eine Gestalt, einem Menschensohn gleich“ die Zürcher Bibel.

Alle Übersetzungen lassen unwillkürlich an Jesus denken, der in den Evangelien oft als Menschensohn (vgl. Mk 2,28) ­bezeichnet wird. Ist er es? Oder ein ganz neuer Menschensohn? Oder beides? Jedenfalls ist dieser Menschensohn einer, der radikal ins Geschehen eingreift und richtet.

Und: Wer wiederkommt, muss schon einmal dagewesen und weggegangen sein. Deshalb werfe ich, ehe ich das letzte Buch in der Bibel aufschlage, einen Blick auf die Vorgeschichte(n) von Wolken auf dem Weg Jesu. Wo tauchen Wolken – griech. nephele, das deutsche Wort Nebel klingt an – auf? Welche Bedeutung hat eine Wolke?

Wolken-Vorgeschichte(n)

WOLKE ist Zeichen für Gottes Anwesenheit. Eine ganze Wolkensäule geleitet das Volk Israel sicher durch die Wüste:

Gott zog immer vor ihnen her, tagsüber in einer Wolkensäule, um ihnen den Weg zu zeigen, nachts in einer Feuersäule, um ihnen den Pfad zu erhellen. So konnten sie Tag und Nacht wandern. (Exodus 3,22)

WOLKE ist durchlässig und verschließt den Himmel nicht:

Das Gebet der Elenden dringt durch die Wolken und lässt nicht nach, bis es sein Ziel erreicht. (Sirach 35,21)
WOLKE ist Sprechblase Gottes, Trägerin der Stimme der Liebe. Sie kommt bei Matthäus (17,1-9), Markus (9,2-13) und Lukas (9,28-36) auf dem Berg der Verklärung ins Spiel. Dort wird erzählt, dass sechs Tage nach der ersten Leidensankündigung1 Jesus mit Petrus, Jakobus und Johannes auf einen hohen Berg steigt.

Vor ihren Augen wurde er verwandelt, sein Gesicht leuchtete wie die Sonne, seine Kleidung wurde weiß wie das Licht.

Mose und Elija erscheinen ihnen, sprechen mit Jesus. Da will Petrus ihnen auf dem Berg Hütten bauen, weil dort „gut sein“ ist. Vielleicht ist Jesus doch im Leben zu halten, weg von allem anderen, hoch oben auf dem Berg? Vielleicht muss er nicht leiden und sterben? Vielleicht lässt sich das verhindern?

Da überschattete sie ein Wolke voll Licht2 und eine Stimme sprach aus der Wolke: „Dieses ist mein geliebter Sohn, ihm gehört meine Zuneigung. Hört auf seine Stimme.

Die Himmelsstimme aus der Taufszene Jesu (Mk 1,11; Mt 3,17; Lk 3,22) ist zur Stimme aus der Wolke geworden. – Das Auftauchen der Wolke verhindert den Hüttenbau auf dem Berg. Sie steigen wieder hinunter. Müssen zurück in die Härte des Lebens, können Schmerz, Verlust und Abschied von Jesus nicht verhindern. Keine Berghütte kann das Geschehen aufhalten. Er muss sterben und auferstehen. Eine andere, ein anderer wird die Hütte bauen. Am Ende. Wenn alles neu wird. Aber so weit sind wir noch nicht.

WOLKE ist Transportmittel bei der Himmelfahrt. In der Apostel_innengeschich­te wird im ersten Kapitel erzählt, dass der Auferstandene 40 Tage lang mit ihnen vom Reich Gottes sprach.

Sie fragten ihn: Herr, stellst du in dieser Zeit das Reich für Israel wieder her? Er sagte zu ihnen: Nicht euch kommt es zu, Zeiten und Zeitpunkte zu kennen, die der Vater in eigener Souveränität festgesetzt hat. Ihr werdet vielmehr Kraft empfangen, wenn die heilige Geistkraft über euch kommt, und werdet meine Zeugen sein in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis ans Ende der Erde. Als er das gesagt hatte, wurde er vor ihren Augen empor­gehoben,3 und eine Wolke nahm ihn auf und entzog ihn ihren Augen.

WOLKE markiert Abschied. Er ist jetzt fort. Ganz und gar. Verhüllt vom Wolkennebel. Ihren Augen entschwunden. Jetzt wird es darauf ankommen, wie die Zeug_innen seine Nachfolge auf Erden leben.

WOLKE markiert Übergang. Zwei Gestalten in weißen Gewändern sagen ­ihnen, während sie ihm noch hinter­herschauen:

Wie ihr ihn zum Himmel gehen ge­sehen habt, so wird er wiederkommen“. (Apg 1,11)

Wenn der Auferstandene auf einer Wolke entschwindet, dann wird er auch auf einer Wolke wiederkommen. Und dann – endlich(!) – das „Reich für Israel“ oder das „Königreich der Himmel“ aufbauen. Wann aber wird das sein? Es werden Zeichen geschehen! Menschen werden den Atem anhalten vor Furcht, die Kräfte des Himmels werden erbeben und

dann werden sie den Menschensohn auf einer Wolke kommen sehen mit Kraft und großem Glanz. Wenn dies ­geschieht richtet euch auf und erhebt euren Kopf. Denn eure Befreiung ist nahe. (Lk 21,27f)

Wann wird es so weit sein? Und wie wird es sein? Je mehr Zeit vergeht, umso mehr wird das Königreich der Himmel als zukünftige Wiederherstellung von Gerechtigkeit erwartet – genährt durch ganz reale Erfahrungen von Schrecken, Naturkatastrophen, Krieg und Verfolgung. Es wird zum Ende dieser Welt, dem Gottes Weltgericht voraus geht. Die Gerechten werden bestehen, die Elenden werden erlöst und die Übeltäter_innen bestraft werden.

WOLKE bringt den Menschensohn wieder. Aber wann?

Es werden Zeichen geschehen am Himmel

Als Kind habe ich die kleine Hexe4 geliebt. Ich erinnere mich gut an die Muhme Rumpumpel, eine bösartige Wetterhexe, die gern in einer dunkel drohenden Wolke erschien und die kleine Hexe ausspionierte und verpetzte. Manchmal denke ich heute noch beim Anblick ­einer dunklen Gewitterwolke: Das ist bestimmt die Muhme Rumpumpel!

Zeichen am Himmel werden wohl zu allen Zeiten und in allen Kulturen gedeutet und in das Leben der Menschen hineingelesen. Märchen und Geschichten bewahren damit verbundene Gefühle und Deutungen. Und natürlich die großen visionären Erzählungen in der Bibel, besonders die Johannesoffenbarung, unser letztes biblisches Buch.5

Apokalypse

Apokalypse, „Enthüllung“: So fängt die Offenbarung an. Johannes schreibt von der Insel Patmos aus an Gemeinden in der jüdischen Provinz Asia, Kleinasien, die Verfolgung und Bedrängnis kennen.

Offenbarung: Verhülltes wird aufgedeckt – von einem für alle. Für die Gemeinde und die Gemeinschaft und die Welt. Die Offenbarung des Johannes ist Brief, prophetischer Appell, Kritik und Trost, Vision und Gebet. In mehreren Visionszyklen wird das Weltgericht entfaltet.6 Die Hauptbotschaft lautet: Jesus hat in seinem Tod und seiner Auferstehung das Böse – auch wenn es in der Welt scheinbar noch herrscht – überwunden; er führt die Weltgeschichte sicher zu ihrem Ziel. Bei seiner Wiederkunft wird er das Böse endgültig beseitigen, die Treugebliebenen erlösen und für immer seine Herrschaft aufrichten, in der Gott wieder sichtbar unter den Menschen wohnt und in der es keine Tränen, kein Leid und keinen Tod mehr gibt.7

Im ersten Kapitel wird das Kommen auf einer Wolke eingeleitet:

Siehe, der Messias Jesus, der Zeuge, der Erstgeborene der Toten kommt mit den Wolken (Offb 1,7).

Die Tür zum Himmel öffnet sich (4,1), der Himmelsthron wird sichtbar, der Tag des Zorns ist gekommen (6), das Lamm öffnet das Buch mit den sieben Siegeln, Engel und Posaunen leiten das Weltgericht ein. – Viele der Szenarien lassen an Hollywoodfilme und ihre Inszenierungen des Untergangs denken:
Schlachtengetümmel, ein Meer voller Blut, Ungeheuer.8

Bibelarbeit in der Gruppe

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„Dann werden sie den Menschensohn auf einer Wolke kommen sehen.“ – Einblick ins Weltgericht: Offb. 14,12-15,1

Einleitung für das gemeinsame Lesen der Bibelstelle:
Nehmen wir in unserer Vorstellung einmal selbst Platz auf einer Wolke. Viele sind ja schon geflogen und haben ­Bilder davon, wie die Welt von oben aussieht. Nehmen wir also für einen ­Moment die Himmelsperspektive ein.

Was sieht GOTT aus der Wolken­perspektive? Vielleicht dies:
GOTT sieht das Meer, die Wälder
und Felder, das Grün, das Blau,
das Gelb und Rot.
GOTT sieht die Schönheit der
Schöpfung. Gott freut sich daran.
GOTT sieht die Menschen in den
Städten und Dörfern.
GOTT sieht diese Gruppe.

GOTT sieht aber noch mehr.
Sieht, was ihm/ihr nicht passt:

GOTT sieht Unrecht, Blutvergießen und Gewalt.
GOTT sieht die Abgestumpftheit der Menschen.
GOTT sieht, dass sie nicht weiter an seinem/ihrem Reich bauen, dass sie sich in der Welt verheddern, dass sie nicht vertrauen, glauben, lieben, dass sie lügen und betrügen.
GOTT sieht das Abschlachten von ­Tieren und Menschen, verseuchte Böden.
GOTT sieht die todverliebte Welt.
Darüber wird GOTT sehr zornig.9

Die Gruppe einladen, sich in die Perspektive des Zorns einzufühlen, wie/mit GOTT zornig zu werden und dieses Zorn zum Ausdruck zu bringen: laut werden, stampfen, schreien …; spüren Sie dem Energie­fluss nach!

Es ist durchaus vorstellbar, dass Gott aus der Wolkenperspektive in Zorn entbrennt. Es ist eine furchterregende Vorstellung, eine fürchterliche Vorstellung. Der Zorn Gottes ist verheerend. Alles wird zu Ende gehen – zerstört werden.

Noch einmal: laut werden, stampfen, schreien …; spüren Sie dem Energiefluss nach!

Die Zornperspektive ist gefährlich und schwer auszuhalten. Das ist aber nur die eine Seite.

Zorn ist auch Lebensenergie. Im Hebräischen haben Zorn und Nase denselben Wortstamm AF. Die Nase ist der Körperteil, durch den Gott ganz am Anfang dem Erdwesen Leben einhaucht:

Da bildete GOTT Adam, das Menschenwesen, aus Erde vom Acker und blies in seine Nase Lebensatem.“ (Gen 2,7)

Zorn ist gewaltig, voller Zerstörungskraft und zum Fürchten, gleichzeitig aber auch Lebenskraft!

Nehmen wir wahr, was davon jetzt im Raum ist …

Es ist gut, die Offenbarung gemeinsam zu lesen, denn sie richtet sich an Gemeinschaften, Gemeinden, an ein Wir.10

Nach der Methode Bibelteilen:
– dreimal Vers für Vers mit verschiedenen Stimmen reihum langsam lesen
– Zeit der Stille, um im Text unterwegs zu sein und zu markieren: Wie liest Du das? Welche Gefühle regen sich? Was kommt Dir entgegen? Was schreckt Dich ab? Was sind „Kratzepunkte“? ­Wo hast Du Fragen?
– Gelegenheit, sich in der Gruppe darüber austauschen

1412 Hier ist von den Heiligen Standhaftigkeit gefordert – also von denen, die an Gottes Geboten und dem Glauben an Jesus festhalten.

13 Vom Himmel hörte ich eine Stimme sagen: „Schreib! Selig sind die Toten, die von jetzt an im Herrn (kyrios) sterben! Ja, sagt die Geistkraft, sie werden von ihren Strapazen ausruhen, denn ihre Taten folgen ihnen.“

14 Und ich sah: Sieh doch: eine weiße Wolke. Auf der Wolke saß jemand, der aussah wie der Menschensohn. Der hatte einen goldenen Kranz auf dem Kopf und in der Hand eine scharfe Sichel.

15 Und ein anderer Engel kam aus dem Tempel und rief dem, der auf der Wolke saß, mit lauter Stimme zu: „Schick deine Sichel los und ernte! Die Stunde der Ernte ist doch gekommen, die Ernte der Erde ist reif geworden!“

16 Und der auf der Wolke saß, setzte seine Sichel an die Erde. Die Erde wurde abgeerntet.

17 Und ein anderer Engel kam aus dem Tempel im Himmel. Auch er hatte eine scharfe Sichel.

18 Und ein anderer Engel kam vom Altar, der hatte Macht über das Feuer und rief dem, der die scharfe Sichel hatte, mit lauter Stimme zu: „Setze deine Sichel an und schneide die Trauben vom Weinberg der Erde, denn seine Beeren sind reif!“

19 Und der Engel setzte die Sichel an die Erde, schnitt die Trauben am Weinstock der Erde und warf sie in die Kelter des großen Zorns Gottes.

20 Getreten wurde die Kelter außerhalb der Stadt. Blut trat aus der Kelter heraus bis zu den Zügeln der Pferde: 1.600 Stadien (1 Stadion = ca. 200 m) weit.

151 Und ich sah ein anderes Zeichen ­im Himmel, groß und staunenswert: Sieben Engel mit sieben Plagen, die letzten, denn mit ihnen kommt der Zorn Gottes an sein Ende.

Anknüpfungen und Widerstände – aus einer Erprobung:
– Was für ein unvorstellbarer Blutstrom: pferdezügelhoch, 320 km weit. Hier wird versucht zu berechnen, was nicht zu berechnen ist, die Grenzen der Vorstellungskraft werden gesprengt. Die armen Pferde!
– Es ist Standhaftigkeit gefordert, sich diesem Text auszusetzen. Was soll das eigentlich?
– Es ist tröstlich zu wissen, dass die Toten von ihren Strapazen ausruhen können.
– Alles ist durcheinandergeraten. Der Tempel ist im Himmel, die Kelter steht außerhalb der Stadt, wo ist der Weinberg? Ich kriege die Orte gar nicht zusammen. Und: Wer tritt die Kelter? – In Offb 19,15 wird Christus, der auf einem weißen Pferd kommt, der sein, der die Kelter tritt.
– Eigentlich ist Erntezeit doch eine gute, reiche Zeit, ich verbinde sie mit Fülle und Farben, mit Düften und Geschmack. In der Erntezeit wird doch eingebracht, was fruchtbar war. Ich verbinde sie mit Erntedank. Hier ist alles anders herum, Ernte wird zur Bluternte. Die Vorstellung ist mit ­Abscheu und Ekel verbunden.
– Auch das Bild vom Weinberg ist anders. Hat er nicht gesagt: Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben? (Joh 15,5) Da hat er uns noch gehalten und wir konnten Frucht bringen. Jetzt ist er der Schnitter. Das will ich nicht denken.
– Der auf der Wolke ist seltsam unemotional. Ist das der Menschensohn? Der, von dem ich erwarte, dass er die Welt zurechtbringt?

Es ist gut, sich intensiv, aber nicht zu lange mit dem Text zu beschäftigen, weil er nicht „rund“ zu bekommen ist, keinen Trost birgt. Er beschreibt ja einen Ausschnitt aus dem Zorneshandeln Gottes. Wichtig ist, sich – wenn möglich – einmal dem Gedanken des Gotteszornes auszusetzen (wofür es Standhaftigkeit braucht).

Auch in vielen Psalmen kommt der Zorn Gottes vor, wir lassen diese Stellen allerdings oft aus, so beispielsweise in Psalm 90 den Vers: „Das macht Dein Zorn, dass wir so vergehen, und Dein Grimm, dass wir so plötzlich dahinmüssen.“ Aber der Zorn Gottes ist Bestandteil göttlichen Wirkens, gött­­licher Macht und göttlicher Lebensenergie. Das mag mir nicht behagen oder gefallen, biblisch gesehen ist es so. Und ich möchte lernen, auch die schwer erträglichen Stellen der Bibel zu lesen. Gut zu hören ist, dass der Zorn Gottes ein Ende hat. Er wird nicht ewig dauern. Es gibt ein Danach. Die Offenbarung ist ja noch nicht fertig enthüllt, die Erzählung noch nicht an ihr Ende gekommen.

Ab Kapitel 21 beschreibt die Offen­barung den neuen Himmel und die neue Erde. Das Ende ist nämlich nicht einfach ein „Aus-und-vorbei“, sondern ein Neuanfang.

Sieh da, die Hütte Gottes bei den ­Menschen! Und GOTT wird bei ihnen wohnen, und sie werden seine Völker sein, und er selbst, GOTT mit ihnen, wird ihr GOTT sein; und GOTT wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! (Offb 21,3-5 Luther 2017)

Petrus konnte die Hütten auf dem Berg nicht bauen, weil GOTT selbst die Hütte bauen wird. Wie wird sie aussehen? Wie das neue ­Jerusalem, was dann beschrieben wird? Oder noch ganz anders?

Hier ist es möglich, sich mit eigenen Vorstellungen in die Vision hineinzulesen, das Neue auszumalen. Wie wird es sich anfühlen, wenn GOTT die Tränen von den Augen wischt? Wie sieht es aus, wenn alles ganz neu ist? Wenn das Ende ein Anfang ist? Hier dürfen auch Luftschlösser und Wolkenkuckucksheime entstehen, eigene Visionen sich entwickeln.

Wenn der Zorn Gottes eine „Station“ auf dem Weg zu einem neuen Himmel und einer neuen Erde ist, verändert das dann meine Sichtweise, mein Unbehagen, mein Verstehen?

Die Offenbarung endet: „Amen, komm, Herr Jesus! Die Gnade des Herrn sei mit allen!“ Das Ende ist ein Gebet, ein Wunsch, ein Gruß. Und klingt wie ein Auftakt, wie eine Einladung, das Buch nun wieder von vorn zu lesen: Im Anfang hat Gott Himmel und Erde geschaffen. (Gen1,1)

Gebet: Psalm 27 (BigS)
1 Die Ewige ist mein Licht und meine Befreiung –
vor wem soll ich mich fürchten?
Die Ewige ist die Zuflucht meines ­Lebens –
vor wem sollte ich erschrecken?

2 Nähern sich mir Menschen mit böser Absicht, mich zu zerfleischen –
sie, die mich bedrängen und anfeinden, stolpern und fallen.

3 Selbst wenn mich ein Heer belagert, fürchte ich mich nicht.
Selbst wenn eine Schlacht gegen mich entbrennt, bleibe ich voll Vertrauen.
4 Eines erbitte ich von der Ewigen,
das wünsche ich mir:
ich möchte im Haus der Ewigen ­bleiben,
alle Tage meines Lebens,
um die Freundlichkeit der Ewigen zu erfahren,
um in ihrem Tempel Einsicht zu ­gewinnen.

5 Sie wird mich verstecken in ihrer ­schützenden Hütte am Unglückstag.
Sie wird mich verbergen in ihrem ­schirmenden Zelt.
Hoch auf einen Felsen wird sie mich stellen.

6 Nun überrage ich, die mich ­anfeinden, mich einkreisen.
Ich will in ihrem Zelt Jubelopfer ­darbringen.
Ich will singen und musizieren für
die Ewige.

7 Höre, Ewige, mein lautes Rufen,
neige dich zu mir! Antworte mir!

8 Mein Herz spricht dir nach: Sucht mein Antlitz!
Ich suche dein Antlitz, Ewige.

9 Verbirg dein Antlitz nicht vor mir!
Weise mich nicht ab im Zorn,
ich gehöre zu dir!
Du bist mir zur Hilfe gekommen,
gib mich nicht auf, verlass mich nicht, Gott meiner Befreiung!

10 Mein Vater und meine Mutter haben mich verlassen,
die Ewige jedoch nimmt mich auf.

11 Weise mir, Ewige, deinen Weg!
Leite mich auf ebenem Pfad, weil ­Menschen mich verleumden!

12 Überlass mich nicht ihrer ­bedrängenden Gier,
denn Lügenzeugen sind gegen mich aufgestanden,
sie schnauben: Gewalttat.

13 Unerschütterlich glaube ich daran, die Güte der Ewigen zu sehen,
im Land der Lebenden.

14 Hoffe auf die Ewige, sei stark,
fasse dir ein Herz!
Hoffe auf die Ewige!

Lied:
Der Tag, mein Gott, ist nun vergangen
(EG 266)

Segen:
„So sei es, HERR: die Reiche fallen,
dein Thron allein wird nicht zerstört;
dein Reich besteht und wächst, bis allen
dein großer, neuer Tag gehört.“

So segne uns, Gott.
Stärke, was in uns wachsen will,
schütze, was uns lebendig macht,
behüte, was wir weitergeben,
und segne uns,
wenn wir unterwegs sind zu dir. Amen.

Kirstin Müller ist Pfarrerin für Frauenarbeit in der Ev.-lutherischen Landeskirche Braunschweig. Zu „Wolken“ fällt ihr noch vor jeder biblischen Betrachtung ein Witz ein, den sie liebt: Was macht eine Wolke, wenn es sie juckt? Sie sucht sich einen Wolkenkratzer?

Anmerkungen
1) „Die ihm nachfolgen, die lehrte er und sagte zu ihnen: Der Menschensohn wird in die Hände der Menschen übergeben und die werden ihn töten. Und wenn er getötet worden ist, wird er nach drei Tagen auferstehen. Aber sie verstanden diese Worte nicht.“ (Mk 9,31-32, Mt 16,21 und Lk 9, 22 betonen leiden und abgelehnt werden.)2) Wie sieht eigentlich eine „Wolke voll Licht“ aus, die Schatten wirft?
3) lat. levatus est – engl. elevator – dt: die Rolltreppe klingt an …
4) Otfried Preußler: Die kleine Hexe, Stuttgart u.a. (Thienemann Verlag) 2005
5) So wurde zum Beispiel die Reaktorkatastrophe von Tschernobyl aus Offb 8,10f gedeutet, wo es heißt, dass ein großer Stern vom Himmel fiel und wie eine Fackel brannte. Der Name des Sterns heißt Wermut. Das ukrainische Wort „Tschornobyl“ bedeutet Wermut! Vgl. den „Erlöser von Tschernobyl“ in: Jens Mühling: Mein russisches Abenteuer, DuMont 2013, S. 62
6) Vgl. Einleitung in der Bibel in gerechter Sprache (BigS), Gütersloh 2011.
7) Vgl. Einleitung in der Zürcher Bibel, Zürich 2007, S. 409.
8) Eine etwas sanftere Variante vom „Weltgericht in Malente“ findet sich im Buch „Jesus liebt mich“ von David Safier, Hamburg 2008.
9) Der Neutestamentler Stefan Alkier sieht die Bibel als Gesamterzählung, deren durchgängiges Thema die Machtfrage ist: Wer bestimmt wirklich auf dieser Welt? Die Antwort: Entschieden wird erst am Ende der Geschichte. Johannes habe in der Apokalypse Gott als Allmächtigen beschrieben, als gerechten Gott, den es zornig macht, wie die Menschen mit seiner Schöpfung umgehen. Vgl. http://evangelischesfrankfurt.de/2012/05/stefan-alkier-wie-man-mit-gott-reden-kann/
10) Der Text Offb 14,12-15,1 ist hier aus Luther und Bibel in gerechter Sprache zusammengestellt.

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