„Kommt zu mir, ich werde euch in meinem uterus tragen!“
„Zuerst will ich euch in der Gebärmutter tragen, bis ihr Gestalt gewonnen habt. Dann, nachdem ihr geboren und gestaltet seid, will ich euch während der gesamten Folgezeit tragen, bis ihr wachst. So trägt eine Mutter den Foetus in der Gebärmutter, den Säugling im Schoß, das Kind auf dem Rücken.“
„Ich habe euch gemacht, deshalb werde ich euch tragen.“
„Ihr sollt nimmermehr zu groß werden, euer ganzes Leben lang will ich euch tragen.“
Nein, liebe Gemeinde, es ist keine feministische Theologin, die mit diesen Worten Gott ins Bild der Mutter bringt. „Kommt zu mir, ich werde euch in meinem uterus tragen!“ Diese erstaunliche, ja aufregende Einladung … hat der Wittenberger Reformator Martin Luther dem Gott Israels in den Mund gelegt. Wir finden sie in Luthers Auslegungen zum Jesajabuch, genauer zu Jesaja 46,3-4.
Wollten wir aber nun dieses eindrückliche Bild der göttlichen Gebärmutter in den Dienst einer (auch nicht mehr ganz) „neuen Mütterlichkeit“ stellen und als göttliche Supermutter, die unermüdlich belastbar und unendlich tragfähig ist, den irdischen Müttern als Vorbild hinstellen, hätten wir nicht nur den Wittenberger Reformator, sondern auch den biblischen Text gründlich missverstanden. Das Bild der göttlichen Mutter will weder den Frauen unter uns noch mehr Lasten auflegen, noch die Männer davon entlasten, ihre Kinder zu tragen – sei's im buch stäblichen, sei's im übertragenen Sinne. Dieses Bild will überhaupt kein Vor-Bild sein, dem wir nachzueifern hätten, sondern tröstliche Vergewisserung. Dieses Bild legt nicht uns fest, sondern in ihm hat Gott sich gebunden, verbindlich erklärt, in unverbrüchlicher Treue um uns Sorge tragen zu wollen – und das auch zu können! Gott hat sich definiert. Daran will Gott als Gott erkannt werden, dass sie nicht müde wird, die, die sie geschaffen hat, auch zu tragen – ein Leben lang. Tragfähigkeit und Belastbarkeit – das sind Insignien der Gottheit des Gottes Israels.
aus: Predigt „Gottes Mutterschößigkeit“
Nachdruck mit freundlicher Genehmigung aus: Lila Blätter 2/2004
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