Alle Ausgaben / 2006 Artikel von Dr. Caroline Schröder Field

Ich will ein Neues schaffen

Nachdenken über Gottes Handeln in der Geschichte

Von Dr. Caroline Schröder Field


„Es ist wie im richtigen Leben: die Anfänge der Geschichte liegen im Dunkeln, und die Quellenlage lässt allerlei Deutungen zu.“ (1) Ein bedenkenswerter Satz, der eigentlich mit dem vorliegenden Thema gar nichts zu tun hat: Und doch trifft die Beschreibung nicht nur auf die Geschichte der evangelischen Rundfunkarbeit in Deutschland zu, sondern auf die allermeisten anderen „Geschichten“, die sich in der Regel auch besser von ihrem Ende her als gleichzeitig mit ihren Anfängen erzählen lassen. Liegen nicht sogar die Anfänge einer Liebesgeschichte im Dunkeln, auch wenn man/frau sie selbst erlebt hat und sich hellwach und ganz bei Sinnen glaubte? Lassen Sie nur einmal zwei Menschen ihre Geschichte erzählen, oder sehen Sie sich die entsprechenden Ausschnitte des Films „Harry und Sally“ an!

Warum ist Geschichte in ihren Anfängen so schwer erkennbar? Warum zeigt sich oft erst im Nachhinein, dass aus Unscheinbarem, aus so jedenfalls nicht Beabsichtigtem eine Geschichte entstanden ist, etwas Unübersehbares, Bedeutsames? Ist es ein Merkmal von Geschichte, dass sie sich im Verborgenen anbahnt?

Anfänge im Dunkeln

Einem naivem Verständnis zufolge ist Geschichte erinnerte Vergangenheit – das, was in Geschichtsbüchern gedruckt steht: die Namen, Daten und Taten der Großen, gleich, ob sie nun Gutes oder Schreckliches gewirkt haben. Dass wir selbst im Strom der Geschichte stehen, jetzt, heute, hier und in diesem Augenblick Geschichte erfahren, erleiden, prägen, mitverschulden, verstehen und missverstehen, ja, mitsamt unserem Verständnis und Unverständnis sogar machen, das liegt uns nicht ganz so nahe. Geschichte war gestern, und Geschichte ist das Handlungsfeld der politischen Prominenz. Wir anderen sind allenfalls Zuschauer und Zuschauerinnen, mehr oder weniger teilnahmslos. Schlagwörter des späten 20. und frühen 21. Jahrhunderts wie „Globalisierung“ und „Strukturveränderungen“ allerorten verstärken den Eindruck der eigenen Inkompetenz: Wer wollte sich schon anmaßen, mit den Spezialisten und Spezialistinnen mitzureden?

Wer aber wirkt dann noch in der Geschichte? Wir „Kleinen“ sind es nicht, und mögen wir auch noch so viele kleine Schritte tun, um das Gesicht der Welt zu verändern. Die „Großen“ sind es aber auch nur in ganz engen Grenzen, mehr durch Sachzwänge genötigt als im Besitz einer freien, unabhängigen Vernunft. Und Gott? Gott ist schon so lange nicht mehr als „Faktor“ im Blick, dass es schwer fällt, Gott überhaupt wieder ins Gespräch zu bringen, geschweige denn als Subjekt geschichtlichen Wirkens.

Doch siehe: „ICH will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht?“ Mitten im Dunkel einer allgemeinen Geschichtsmüdigkeit und Gottesvergessenheit trifft mich dieses Wort, das eine prophetische Stimme als Gotteswort gestaltet hat. Gott selbst verweist mich, dich, uns auf das, was jetzt aufwächst. Dass Gott in der Geschichte handelt, sagt uns nicht dieses oder jenes Geschichtsereignis. Das „sagt“ uns die Bibel, indem sie Geschichten (!) erzählt, die aus ganz anderem Stoff sind als jene Geschichten, die häufig mit dem Gütesiegel einer „wahren Geschichte“ verbreitet werden. Gott wirkt in der Geschichte, die uns angeht, weil Gott die Wahrheit über uns aufdeckt, mit Worten, die selbst wiederum eine Geschichte haben, ausgesprochen, niedergeschrieben und ausgelegt von Menschen, die zum Beispiel erkannten, dass Gott ein Neues schaffen will, etwas, das schon heranwächst, man / frau muss nur genau hinschauen! Ohne die biblischen Texte und Geschichten wäre dieses Reden von Gottes Handeln gar nicht zu gewinnen, denn die „Geschichte“ selbst ist ja keine Offenbarungsquelle. Wenn uns aber im Umgang mit biblischen Texten und Geschichten der Blick für Gottes Handeln in seiner bestimmten Gestalt geschärft wird, dann werden wir auch in Bezug auf „Geschichte“ und „Alltag“ unsere Sinne schärfen; wir werden Großes im Kleinen ahnen, Lichtes im Dunkeln, Freiheit im Leiden, Gott im Verborgenen.

Die biblischen Texte sprechen ganz unbefangen von Gottes „Handeln“. Aber wie unbefangen können wir diese Texte für unsere Ausgangsfrage in Anspruch nehmen? Kann man von Gottes Handeln vielleicht nur noch in abgegrenzten Räumen reden, also allenfalls innerhalb der Kirche und von der Kanzel? Dies führt mich zu der Frage: Wer redet wie von Gott und Gottes Handeln? Ich möchte drei Beispiele aufzeigen, die uns durchaus beunruhigen können und dürfen!

Gott Vater, König, Schöpfer

Lieder wie „Lobe den Herren, den mächtigen König der Ehren“ und „Großer Gott, wir loben dich“ erfreuen sich immer noch größter Beliebtheit im kirchlichen Raum. Gott wird als Vater und als König besungen. Seine Prädikate sind Stärke, Allmacht, Ewigkeit. Gott ist über Zeit und Raum erhaben: als Schöpfer, aber auch in Christus, d.h. in seiner geschichtlichen Zuwendung zu der in Sünde gefangenen Menschheit. Beide Lieder besingen Gottes Werke: Gott ist der Handelnde, und dass sein Handeln gelingt, steht außer Frage.

Vielleicht bringen Lieder wie diese zum Ausdruck, wie die Gemeinde Gott am liebsten sehen möchte: als eine gute Macht, die sich persönlich anreden lässt; von sublimierter menschlicher Gestalt; alles irdische Geschehen leitend und führend; als einer, zu dem wir aufsehen können – aus unendlichem Abstand, doch mit sehr menschlichen Augen. Aber ist das Lied wirklich noch gesungener Glaube? Decken die Worte sich mit dem, woran heutige Menschen sich im alltäglichen Leben orientieren? Was erwarten Christinnen und Christen von Gottes Wirkmacht? Sehen sie Gott als den Weltenherrscher? Und: Wie nah oder wie fern fühlen sie sich ihrem Gott?

Noch verbreiteter als die Königsmetapher ist das Verständnis Gottes als des Vaters. In seiner Auslegung der Fragen 26-28 des Heidelberger Katechismus entnimmt Karl Barth der Anrede Gottes als des Vaters die Vergewisserung, dass ich „in dieser Welt nicht in der Fremde [bin], sondern im Hause meines Vaters, der nicht gegen, sondern der für mich ist. Er, der die Welt regiert und erhält, bedroht mich nicht, sondern versorgt mich mit aller Notdurft des Leibes und der Seele, so wie Er es für recht hält. Er wendet alles Übel, alle Gefährdung, Bedrohung, Schwäche und Unvollkommenheit des kreatürlichen Daseins … Er regiert auch das Böse, das gewiß nicht von ihm kommt, das aber das gefährliche Sein des Nichtseins hat. Er wendet das Nein ins Ja. … Gott kann, was Er will. Er kann es in seiner Allmacht und Er will es, weil diese seine Allmacht die Treue des Vaters ist, der ‚um seines Sohnes Jesu Christi willen' unser Bestes will.“ (2)

Wir sehen: Die Rede von Gott Vater und von Gottes Weltregiment wird gegen die Erfahrung des Übels und des Bösen geführt. Der innige Bezug zu Gott gibt Gewissheit in der Anfechtung, ermöglicht Bestehen trotz vielfältiger Gefährdungen (vgl. Psalm 73). Die Rede von Gottes „Weltregiment“ leugnet nicht die Erfahrung des Übels, sondern setzt sie gerade voraus. Darum ist dieses „Regiment“ auch als Erhaltung der Welt und ihrer Ordnungen über dem Nichts und konkret als unabsehbare, und daher wunderbare Wendung des Übels zum Guten auszusprechen. Früher wurde diese Zuversicht der Vorsehungslehre zugeordnet und bildete theologische Begriffe aus, die Genaueres sagen sollten, u.a.: determinatio (Gott begrenzt das Übel, zeitlich und in seinen Folgen. Vgl. die Begrenzung des Meeres als der Chaosmacht durch Gottes Schöpfungshandeln, Hiob 38,11: „Bis hierher sollst du kommen und nicht weiter!“), directio (Gott lenkt die Folgen des Übels um, d.h. auf ein anderes Ziel hin. Vgl. das Ende der Josefgeschichte, 1. Mose 50,20: „Ihr gedachtet es böse mit mir zu machen, aber Gott gedachte es gut zu machen.“)

„Vorsehung“ bedeutet schlicht: dass Gott Schöpfer nicht aufhört, Schöpfer zu sein. In manchen Gottesdiensten spricht der Liturg bzw. die Liturgin zu Beginn: „Unsere Hilfe steht im Namen des Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat, der Wort und Treue hält ewiglich und der nicht fahren lässt das Werk seiner Hände.“ – „Der nicht fahren lässt das Werk seiner Hände“: diese Glaubensaussage begründet die theologische Rede von Gottes Vorsehung (providentia), deren beiden Grundmomente, Erhalten und Regieren, sich sowohl auf die Natur, als auch auf die Geschichte erstrecken.

Was bedeutet darin nun die Rede von Gottes Weltregierung? – Karl Barth antwortet: dass die Welt Gott dienstbar gemacht wird. „Kraft dieser Regierung wird das Sein zum Schauplatz und Werkzeug seines gerechten Handelns, zum Spiegel und Echo seines lebendigen Wortes, zum Gleichnis des Himmelreiches. Es geht hier nicht um ein Mysterium der Kreatur … Sondern es geht darum, daß die ganze Kreatur zu diesem Dienst herangezogen wird, auch in ihrer dunklen und bösen Seite.“ (3)

Wichtig ist dabei, dass die Welt durch Gott in ein Dienstverhältnis hineingezogen wird, welches keineswegs „natürlich“ vorliegt. Zwischen Gott und Welt gibt es keine natürliche Brücke. Aber Gott kann, indem Gott handelt, mitten in dieser Welt und ihrer Geschichte Wege zu Gott eröffnen. Indem Gott handelt, wohlgemerkt. Sonst eben nicht. – Der seelsorgliche Wert dieser Anschauung liegt auf der Hand und ist nicht zu unterschätzen!

Gott heiliger Geist

Dietrich Ritschl (4) kritisiert, dass sich die Königsmetapher im theologischen Sprachgebrauch weit von ihrer biblischen Wurzel entfernt habe. Biblisch gesehen regiert der König durch Sendboten und Erlasse. Die Untertanen sind ihm zwar untergeben, aber sie haben den Spielraum des Gehorsams und des Ungehorsams. Außerdem wird kein König für alle Katastrophen verantwortlich gemacht, die in seinem Reich geschehen. Gott als König jedoch übe nach Auffassung der traditionellen Theologie sein Regiment gerade darin aus, dass er alles, was geschieht, verursacht. Dies sei eine Vermischung zweier unterschiedlicher Sprachbilder: Gott wird einerseits als „König“ vorgestellt, andererseits als erste und eigentliche Ursache allen Geschehens (prima causa), wodurch alles Geschehen Gott verdankt und gegebenenfalls zur Last gelegt werden kann. Die Rede von Gott als König und als Erstursache gehörten nicht notwendig zusammen, seien aber im Sprachraum der Kirche faktisch zusammengewachsen. Dadurch sei ein Verständnis von Gottes Handeln festgeschrieben worden, von dem wir uns besser trennen sollten.

Was ist die Alternative? – Ritschl empfiehlt ein Verständnis von Gottes Wirksamkeit, „nach dem Gott vergangene Ereignisse neu organisiert der Gegenwart ‚anbietet'“ (5). Gott macht nicht Geschichte. Gott ermöglicht Interpretationen von Geschichte, und solche Interpretationen können die Geschichte verändern.

Gott handelt nicht. Gott wirkt durch die Kunst der Überredung. Gott macht sich Menschen geneigt, bleibt aber grundsätzlich zurückweisbar und verletzlich. Kraftfelder, Kreismodelle, simultane Wirkungen in der Beziehung von Leib und Seele (Psychosomatik) sind Möglichkeiten, von Gottes Wirken in der Welt zu reden, ohne sich Gott als Weltenherrscher vorstellen zu müssen. Wer in diesem Zusammenhang noch von Gottes Vorsehung sprechen möchte, würde sie vom ersten in den dritten Artikel unseres apostolischen Glaubensbekenntnisses verweisen: Kraftfelder und ähnliche Konzeptionen lassen sich mit der Rede von Gott Geist eher vermitteln als mit der Rede von Gott Schöpfer-Vater-König. Entscheidend sei, so Dietrich Ritschl, dass die Welt geistdurchwirkt ist, und dass das Kraftfeld des Geistes breiter ist, als das Feld des gehörten Wortes.

Gott träumt uns

Dorothee Sölles Kritik der theologischen Überlieferung ist durch die Beobachtung motiviert: „Das Wichtigste an Gott ist seine Macht.“ (6) Wo aber Menschen Gott als mächtig, als allmächtig denken, neigen sie selbst zu der Verantwortungslosigkeit von Untergebenen und Abhängigen. Geboten sei daher, auf die Vorstellung von Gottes eingreifendem Handeln zu Verzichten. Gott sei kein „Interventionist“, sondern ein „Intentionist“: „Gott träumt uns.“ (7) In der Mitteilung ihres Traumes gibt Gott uns gleichsam kund, was aus uns werden soll bzw. werden kann: Ergänzt wird die Entschränkung von „Gott“ und „Macht“ durch die Bemühung um neue Symbole (Schwester, Mutter), die nicht patriarchalische Strukturen widerspiegeln und befestigen.

Wichtig ist, dass Gott dem Leiden mehr zugeordnet wird als dem Handeln. Die Rede von Gott als Regent der Welt, dem alles unterstellt ist, mündete dagegen immer wieder in der Frage: „Wie konnte Gott das zulassen?“ Diese Frage gelte es fallen zu lassen – nicht etwa, indem wir die Augen vor dem Leid verschließen, sondern indem wir es in die Mitte von Gottes Gottsein rücken. Es ist die Teilhabe am Schmerz, der durch eine mehr weibliche Redeweise von Gott zum Ausdruck gebracht werden kann: „Wenn wir von Gottes Schmerzen sprechen, dann haben wir eine andere Gottesvorstellung als die rein männliche. Gott ist dann unsere Mutter, die weint über das, was wir einander antun und was wir unseren Geschwistern, den Tieren und Pflanzen tun. Gott tröstet uns, wie es eine Mutter tut: Sie kann den Schmerz nicht wegzaubern (obwohl auch das gelegentlich vorkommt!), aber sie hält uns so lange in ihrem Schoß, bis wir wieder aufstehen und neue Kraft haben. Gott könnte uns nicht trösten, wenn sie uns nicht im Schmerz verbunden wäre, wenn sie nicht diese wunderbare und seltene Fähigkeit hätte, den Schmerz eines anderen am eigenen Leibe zu spüren.“ (8)

Hierzu möchte ich eine offene Frage stellen: Wird unser Reden von Gott, wird unsere Gotteserwartung reicher oder ärmer, wenn wir dem Handeln (Gottes und der Menschen) den Schmerz und das Leiden (Gottes und der Menschen) an die Seite stellen, der männlich geprägten Sprache (über Gott und Mensch) eine weibliche (über Gott und Mensch), und schließlich der Geschichte (den großen geschichtlichen Einschlägen wie den alltäglichen Lebensgeschichten) den „Traum, mit dem Gott uns träumt“?

Siehe, ICH schaffe ein Neues!

Selbstverständlichkeiten in der Rede von Gott gibt es nicht (mehr). Dabei geht es nicht nur um einzelne, fragwürdige Züge des Gottesverständnisses. Gott als Vater-König erregt Anstoß. Gott als verborgener Verursacher allen Geschehens lässt geschöpflicher Eigenverantwortung keinen Raum. Die Fixierung auf Gottes Macht oder gar Allmacht führt zu unlösbaren Problemen, wo angesichts größten geschichtlichen Unrechts und Leidens die Frage: „Wie kann Gott das zulassen?“ unabweisbar wird. So ist gegenüber der Rede von Gottes Handeln eine Skepsis entstanden, die außerhalb der Kirchenräume zur Sprachlosigkeit zwingt.

Die Einwände klingen so: Gott kann nicht handeln, weil jedes Handeln ihn zu sehr eines Sinnes sein ließe mit dem faktischen Geschehen, das eben weitgehend Unheilsgeschehen ist. Gott kann nicht handeln, weil dieses Handeln einen unzulässigen Eingriff in die geschöpfliche Freiheit und Verantwortung bedeuten würde. Und Gott muss auch nicht handeln, weil sich seine Wirksamkeit ganz anders denken lässt: als „Umorganisation“ der Vergangenheit, wie Dietrich Ritschl sagt – Gott interpretiert, Gott kommentiert die Weltgeschichte, so dass Menschen im Blick auf ihre Geschichte auf bessere Gedanken kommen können. Mehr als dies ist von Gottes Seite her nicht nötig und auch nicht zu erwarten. Oder aber: Gott träumt uns, damit wir wissen, was sie will! Die Frage, „Handelt Gott, wenn ich ihn bitte?“ (9) – und damit die Praxis des himmelstürmenden Gebets – ist weitgehend außer Kraft gesetzt durch die Einschätzung, dass es im Handeln auf Menschen ankommt, während Gott auf diese Menschen mit Wort und Geist einwirkt: unter anderem durch die Korrektur unserer Rede von Gott, die sich als Leitbild menschlichen Handelns und Leidens bewähren muss.

Daraufhin, wenigstens – auf die Korrektur unserer Rede von Gott mit all ihren unabsehbaren Folgen – lässt sich die Jahreslosung theologisch unbedenklich beziehen: „Siehe, ICH will ein Neues schaffen, jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht?“

Für die Arbeit in der Gruppe:

Um sich mit dem – durchaus schwierigen, aber zentralen – theologischen Thema vom Handeln Gottes in der Geschichte auseinanderzusetzen, könnte die Gruppe folgende Schritte machen:

1. Gott: Vater – Schöpfer – König – Herr

Das Lied „Großer Gott wir loben dich“ (EG 331, Strophen 1+3+5+9) gemeinsam singen; anschließend auf einem Plakat in der Mitte oder auf Flipchart sammeln: Welche Aussagen über Gott können wir aufgrund dieser Liedstrophen machen? (Gott ist König, Gott regiert die Welt, Gott ist mächtig…)

Gesprächsrunde, etwa so eingeleitet: Das ist unser (oft und gern) gesungener Glaube. Wenn wir länger darüber nachdenken, stellt sich aber die Frage, ob wir diese Sätze wirklich glauben, glauben können, glauben wollen. Was denken Sie dazu? Wo sehen wir evtl. auch Probleme mit diesen Aussagen?

2. Für mich bedeutet Gott…

Die TN teilen sich in Kleingruppen von ca. 4-6 Frauen. Jede Kleingruppe bekommt einen Satz Zettel (DIN-A-6), auf denen je ein Wort bzw. Satzzeichen steht (Gott – Mensch – Geschichte – handelt – leidet – in – mit – nicht – . – ? – !), zwei weitere Zettel sind leer („Jokerkarten“ sozusagen). Jede der Kleingruppen bildet aus ihren Teilen einen zusammenhängenden Satz, der eine aus ihrer Sicht zutreffende Aussage über Gott macht (die eben auch eine Frage sein kann). Wenn die Gruppe sich auf einen Satz geeinigt hat, werden die Zettel in der entsprechenden Reihenfolge mit Tesafilm zusammengeklebt.

Im Plenum werden die Sätze aus den Gruppen nebeneinander gehängt oder gelegt. Es folgt ein Gespräch über Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ergebnisse.

3. Gott träumt uns

Jede Teilnehmerin bekommt ein Blatt, auf dem in Anlehnung an Dorothee Sölle der Gedanke formuliert ist:
Gott ist kein „Interventionist“, der „von oben“ in die Geschichte eingreift, um sie in die richtigen Bahnen zu lenken. Gott ist vielmehr ein „Intentionist“ – Gott „träumt uns“ und will, dass wir diesen Traum leben. Wenn wir Gott so denken, fragen wir nicht: „Wie konnte Gott das zulassen?“ Wenn wir Gott so denken, sehen wir Gott nicht als „allmächtigen Vater“, sondern als „… unsere Mutter, die weint über das, was wir einander antun und was wir unseren Geschwistern, den Tieren und Pflanzen tun. Gott tröstet uns, wie es eine Mutter tut: Sie kann den Schmerz nicht wegzaubern (obwohl auch das gelegentlich vorkommt!), aber sie hält uns so lange in ihrem Schoß, bis wir wieder aufstehen und neue Kraft haben. Gott könnte uns nicht trösten, wenn sie uns nicht im Schmerz verbunden wäre, wenn sie nicht diese wunderbare und seltene Fähigkeit hätte, den Schmerz eines anderen am eigenen Leibe zu spüren.“ (D. Sölle)

Für AbonnentInnen Kopiervorlage unter Service zum Herunterladen.

Nach einer Zeit des eigenen Nachdenkens über diese Sätze tauschen sich die Frauen aus zu der Frage: Können wir Gott so sehen? Was verlieren – was gewinnen wir, wenn wir uns auf ein solches Gottesbild einlassen?

Abschluss mit einem Lied, z. B. Erleuchte und bewege uns, leite und begleite uns (EG Rheinland 608)

Dr. Caroline Schröder Field, Jg. 1966, hat nach ihrem Theologiestudium in Bonn, München, Durham und Princeton (USA) zunächst als Pfarrerin z.A. in der Evangelischen Kirche im Rheinland gearbeitet. Seit 2005 lebt sie mit ihrem Mann und ihren beiden Kindern in Winterthur (Schweiz) und arbeitet als Pfarrerin dort in der Ev.-methodistischen Gemeinde. Sie freut sich darüber, einer Kirche anzugehören, die sich als „Minderheitenkirche“ mit einer vielfältigen religiösen und konfessionellen Landschaft auseinandersetzen muss und zugleich als „Weltkirche“ auf allen Kontinenten wirkt.

Anmerkungen
1 Joachim Schmidt, „Die Sendung und ihre Hörer“, aus: Martin Fraund, Jürgen Goetzmann (Hg.), Wie sag ich's im Radio, Stuttgart/Hamburg, 19892, 19-28, 19.
2 Karl Barth, Die christliche Lehre nach dem Heidelberger Katechismus, Zürich 1948, 54f. (Hervorhebungen d.Vf.).
3 A.a.O., 56.
4 Dietrich Ritschl, Sinn und Grenze der theologischen Kategorie der Vorsehung, in: Zeitschrift für dialektische Theologie Jg. 10 (1994), Nr. 2, 117-133.
5 A.a.O., 129.
6 Dorothee Sölle, Es muß doch mehr als alles geben. Nachdenken über Gott, Hamburg 1992, 15.
7 A.a.O., 16.
8 A.a.O., 72.
9 So der Titel eines Buches des katholischen Dogmatikers Karl-Heinz Menke, Handelt Gott, wenn ich ihn bitte?, Regensburg, 2000.

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