Alle Ausgaben / 2010 Bibelarbeit von Katrin Keita

Ich zog sie an Stricken der Liebe

Bibelarbeit zur Achtsamkeit Gottes in Hosea 11,1-11

Von Katrin Keita


Was Gott wohl denkt und fühlt? Manchmal würde ich das gerne wissen. Das Hoseabuch, das die Sammlung des alttestamentlichen Zwölfprophetenbuchs eröffnet, bietet wie kaum ein anderer biblischer Text einen Einblick in das Innere Gottes.

Insbesondere Hos 11 ist für mich eines der leidenschaftlichsten, aufwühlendsten Kapitel in der Bibel überhaupt. Doch mit dem Thema „Achtsamkeit Gottes“ habe ich Hos 11 bisher nicht in Verbindung bringen können.

Mit Achtsamkeit assoziiere ich etwas Sanftes. Ein achtsamer Mensch lebt im Einklang mit sich selbst. Er oder sie macht nicht tausend Dinge gleichzeitig, sondern konzentriert sich auf den Augenblick. Achtsamkeit heißt für mich auch, dass alle Sinne offen sind für die Welt um uns herum. Nicht zuletzt schwingt die Bedeutung „etwas oder jemanden achten mit“: Wenn ich achtsam bin, dann begegne ich meinen Mitgeschöpfen mit Respekt. Als achtsamer Mensch wende ich keine Gewalt an und bemühe mich, andere nicht zu manipulieren. Auch mit mir selbst versuche ich gut umzugehen. Insgesamt ist Achtsamkeit für mich ein zutiefst menschliches Konzept. Es ist etwas, das wir einüben können, um zufriedener, ausgeglichener und stressfreier zu leben. Doch Gott? Wie könnte Gott achtsam sein? Achten wir erst einmal auf den Text.(1)

1 Als Israel jung war, liebte ich es; aus Ägypten rief ich mein Kind heraus.
2 Riefen sie sie, so gingen sie weg, fort von ihrem Angesicht. Den Baalen bringen sie Schlachtopfer dar und den Gottesbildern Räucheropfer.
3 Doch ich war es, ich habe Efraim laufen gelehrt, nahm sie auf meine Arme. Aber sie haben nicht erkannt, dass ich sie heilte.
4 An menschlichen Seilen zog ich sie, an Stricken der Liebe. Ich war zu ihnen wie eine, die einen Säugling an ihre Wange hebt. Und ich neigte mich zu ihm, gab (ihm) zu essen.
5 Nicht soll er ins Land Ägypten zurückkehren! Assur, das ist sein König. Denn sie weigern sich, umzukehren.
6 Und ein Schwert wird in seinen Städten tanzen und wird vernichten seine Schwätzer und Lügnerinnen und (sie) fressen – wegen ihrer Ratschläge.
7 Ach, mein Volk – sie sind aufgehängt an der Abwendung von mir. Zum Hohen rufen sie es, doch der hebt sie gewiss nicht empor.
(2)
8 Wie könnte ich dich aufgeben, Efraim, dich ausliefern, Israel? Wie könnte ich dich aufgeben wie Adma, dich machen wie Zebojim? Umgestürzt ist mein Herz in mir, heftig entbrannt ist mein Bedürfnis zu trösten.
9 Nicht vollstrecke ich die Glut meines Zornes, nicht wieder werde ich Efraim verderben, denn Gott bin ich und nicht ein Mann, heilig in deiner Mitte. Ich gerate nicht in zornige Erregung. 
10 Hinter der Ewigen gehen sie her. Wie ein Löwe brüllt sie. Ja, sie brüllt, und es eilen zitternd herbei die Töchter und Söhne vom Mittelmeer.
11 Sie eilen herbei wie ein Vogel aus Ägypten und wie eine Taube aus dem Land Assur. Ich lasse sie wieder wohnen in ihren Häusern, spricht die Ewige.

Hos 11 ist ein sperriger Text, der sich nicht von selbst erschließt. Viele Formulierungen muten umständlich an (VV.6-7). Verse, die von etwas zu sprechen scheinen, das uns vertraut ist, wechseln ab mit Sätzen, die wir kaum entschlüsseln können.


Verwirrende Bilder

Ein Kind laufen lehren, es auf die Arme nehmen, ihm zu essen geben (VV.3-4), das kennen die meisten Frauen, es ist Teil ihres Alltags oder ihrer Erinnerung. Aber welche Rolle spielen die Baale (V.2), wer oder was sind Adma und Zebojim (V.8), warum werden Ägypten und Assur mehrfach genannt (VV.1.5.11)? Einerseits berühren mich die Worte des Textes, wenn ich etwa lese: „Umgestürzt ist mein Herz in mir, heftig entbrannt ist mein Bedürfnis zu trösten“ (V.8). Andererseits stoßen sie mich aber auch ab, wenn von einem Schwert und von Vernichtung die Rede ist (V.6) oder von der Glut des Zornes Gottes (V.9).

Und dann verwirren mich die verschiedenen Personen, über die oder zu denen geredet wird. Da wechselt die Anrede einer einzelnen Person innerhalb eines Verses zur Mehrzahl (V.5), da taucht unvermittelt ein „du“ auf (V.8), da wird wiederholt von einer Gruppe („sie“) gesprochen, aber nicht erklärt, wer sich hinter dieser Gruppe verbirgt (VV.2.7). Das „Ich“ des Textes nehme ich wahr als „Ich“ Gottes. Aber es wird nicht durchgehalten, in V.10 erscheint der Gottesname und von Gott wird in der dritten Person gesprochen. Erst im letzten Satz von V.11 meldet Gott sich wieder selbst zu Wort.

Und wie sind die verschiedenen Bilder für Gott in Hos 11 zur Deckung zu bringen? In V.10 wird Gott mit einem brüllenden Löwen verglichen. Dem steht das Bild einer Mutter gegenüber, die ihr Kind auf ihre Arme nimmt und die es stillt (VV.3-4). Während der Löwe Angst einflößt, aber auch Kraft und Stärke symbolisiert, drückt das Bild der Mutter Zärtlichkeit und Fürsorge aus.

Und wie ist es zu vereinbaren, dass Gott in Hos 11,9 sagt: „Nicht wieder werde ich Efraim verderben“, während nur zwei Kapitel weiter zu lesen ist: „Ich falle sie an wie eine Bärin, die der Jungen beraubt ist (…). Ich fresse sie dort wie ein Löwe“ (Hos 13,8)? Wie kann ich das „denn Gott bin ich und nicht ein Mann“ (V.9) zusammen lesen mit den Frauen verachtenden Gewaltphantasien Gottes in Hos 2,5.8? Dort wird die Beziehung zwischen Gott und Israel als Ehe dargestellt, und der Ehemann Gott reagiert auf die Abwendung seiner Frau mit drastischen Mitteln: „Ich ziehe sie nackt aus, lege sie hin wie am Tag ihrer Geburt. (…) Ich töte sie durch Durst. Ich versperre ihren Weg mit Dornen, ich mauere sie ein.“ Wie lässt sich das anders beschreiben, als dass Gott hier extremen Stimmungsschwankungen unterworfen ist, die fast an ein Borderline-Syndrom erinnern? Lässt sich in Hos 11 wirklich eine Achtsamkeit Gottes entdecken? Ich bin nach wie vor skeptisch.


Unruhige Zeiten

Vielleicht hilft es, sich die Welt zu vergegenwärtigen, die diesen Text hervorgebracht hat. Es ist die Welt Israels, des nördlichen der beiden Reiche Israel und Juda, etwa zwischen 740 und 720 v. Chr. Die Großmacht Assyrien beherrscht den Nahen Osten. Die ständige Bedrohung durch die assyrische Armee bildet die Folie, vor deren Hintergrund die Texte des Hoseabuches gelesen werden müssen. Sie malen Kriegsszenarien aus, um die Israelitinnen und Israeliten aufzurütteln.

722 v. Chr. kommt es zur Katastrophe: Die israelitische Hauptstadt Samaria wird von den Assyrern zerstört, nachdem sie zwei Jahre lang belagert worden ist. Die Regierenden in Israel hatten sich den Tributforderungen Assurs widersetzt. Als Vergeltung werden Teile der Oberschicht deportiert, andere Völker in Israel angesiedelt, der historische Staat Israel hört auf zu existieren. Hos 13,15-14,1 liest sich wie der Bericht von Augenzeugen: „Ein Ostwind kommt(3)  (…). Er plündert den Schatz, alles kostbare Gerät. Samaria muss die Schuld büßen, denn sie hat sich aufgelehnt gegen ihren Gott. Durch das Schwert fallen sie, ihre Kleinkinder werden zerschmettert, ihre Schwangeren aufgeschlitzt.“

Mit der historischen Situation im Hinterkopf wenden wir uns wieder dem Text zu, versuchen, uns Vers für Vers vorzutasten und Hinweise auf Gottes Achtsamkeit zu finden. Hos 11 ist im Wesentlichen wahrscheinlich vor dem Untergang Samarias verfasst worden. Doch schon ist der Horizont verdunkelt, schon schwebt das Damoklesschwert über Israel (V.6). Gott ringt um Israel, versucht, das geliebte Volk zur Umkehr zu bewegen und so die Katastrophe abzuwenden.


Liebendes Ringen

Die Ewige erinnert zu Beginn des Textes daran, was sie in der Vergangenheit für Israel getan hat (Hos 11,1-4). Sie nennt Israel „mein Kind“, spricht von ihrer Liebe zu ihm. In Ägypten hat alles angefangen, dort hat sie sich Israels erbarmt und das Volk aus der Sklaverei befreit (V.1). Ägypten ist im Hoseabuch das geschichtliche Land der Unterdrückung, aber gleichzeitig auch eine aktuelle politische Größe (siehe V.5).

In V.2 wird das Fehlverhalten Israels knapp zusammengefasst: Als Israel gerufen wurde, reagierte es nicht und wendete sich ab. Wer es rief, wird hier nicht gesagt. Es ist nur zu vermuten, dass das „sie“ auf die Propheten und Prophetinnen abzielt, die Gott bisher zu Israel geschickt hat und in deren Tradition sich das Hoseabuch sieht.

Zentraler Kritikpunkt des Buches ist der Baalskult. Vielleicht spielt V.2b auf die Episode in 4. Mose 25 an, als Israel gegen Ende seiner Wüstenwanderung mit dem moabitischen Volk feiert und die fremde Gottheit Baal-Peor anbetet. Aber es scheint auch noch Mitte des 8. Jahrhunderts viele Israelitinnen und Israeliten zu geben, die neben der Ewigen die Gottheiten des kanaanäischen Nachbarvolkes verehren. Der Baals-Kult verspricht, die Fruchtbarkeit der Felder, der Tierherden und der Menschen zu steigern. In einer Zeit, als das Geld sich im Nahen Osten immer mehr verbreitet und beginnt, Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend zu verändern, ist das attraktiv.

Das Hoseabuch setzt diesem Kult des „Immer-mehr“ die Erinnerung entgegen, dass die Ewige sich um Israel gekümmert hat wie eine Mutter sich um ihr Baby und ihr Kleinkind kümmert (VV.3-4). „Efraim“ ist ein anderer Name für Israel; er leitet sich ab von einem der Söhne Josefs (1. Mose 48,17-20). Die Bilder, mit denen Gott hier ihre Beziehung zu ihrem Kind Israel beschreibt, sind außergewöhnlich. Trotz aller Zärtlichkeit werden sie jedoch unterbrochen von dem Vorwurf, Israel würde das, was Gott für es getan habe, nicht erkennen (V.3b).

Die „Seile“ und „Stricke“ (V.4) können wir uns vielleicht als Bänder vorstellen, mit deren Hilfe Kinder früher laufen lernten. Am Ende von V.4 scheint tatsächlich davon die Rede zu sein, dass Gott das Baby Israel stillt. Nirgends sonst kommt dieses Bild in der Bibel vor.

In V.5 wird der Ton wieder warnend und vorwurfsvoll. Israel weigert sich umzukehren. Es sucht sein Heil in wechselnden politischen Allianzen, anstatt sich auf Gott zu verlassen. Immer wieder versuchen israelitische Machthaber, mit Ägypten gegen Assur zu paktieren. Doch Ägypten ist mit sich selbst beschäftigt und nicht daran interessiert, sich um des unbedeutenden Israels willen mit der Großmacht Assyrien anzulegen. Deshalb warnt das Hoseabuch vor einer Bündnispolitik mit Ägypten (Hos 7,11), die eine falsche Sicherheit suggeriert, aber auch davor, mit Assur Verträge zu schließen (Hos 5,13). Der Ausruf „Assur, das ist sein König“ (V.5b) kann vor diesem Hintergrund nur ironisch verstanden werden.

V.6 zeigt auf, was aus dem angeprangerten Verhalten Israels folgen wird. Diejenigen, die falsche Ratschläge erteilt haben, bringen Krieg und Vernichtung über das Land. Hinter den „Schwätzern und Lügnerinnen“ verbergen sich wahrscheinlich sowohl politische BeraterInnen als auch OrakelpriesterInnen.

In V.7 nennt Gott Israel „mein Volk“, was an „mein Kind“ in V.1 erinnert. Der Vers fasst zusammen, was in Israel schief läuft: „Sie sind aufgehängt an der Abwendung von mir“. Im Hebräischen steht für „aufgehängt“ dasselbe Verb wie in 5. Mose 21,22-23: Ein zum Tode Verurteilter wird ans Holz gehängt. Und die umständlich erscheinende Formulierung „Abwendung von mir“ spielt mit dem hebräischen Wort schuv, das etwa „zurückkehren, abkehren von, wiederkehren“ bedeutet und das auch in V.5 („zurückkehren“, „umzukehren“) und in V.9 („wieder“) verwendet wird.(4) Der „Hohe“ ist vermutlich eine andere Bezeichnung für Baal; auch hier wird im Folgenden wieder mit der Bedeutung gespielt, wenn von „emporheben“ die Rede ist. Die andere mögliche Übersetzung „aufziehen“ bleibt in dem Mutter-Kind-Bild von VV.3-4, doch auch hier klingt der Aspekt des „nach oben“ noch mit.

V.8 kann nur als Aufschrei Gottes gelesen werden. Die direkte Anrede Israels („dich“) drückt Nähe aus. Adma und Zebojim sind Städte, über die ein ähnliches Gottesgericht hereingebrochen ist wie über Sodom und Gomorrha.

(5. Mose 29,22). Wie dort alles „umgestürzt“ ist, so stürzt jetzt Gottes Herz um. Das Herz ist im Hebräischen der Sitz des Verstandes und der Entscheidungsbildung. Gott will nicht mehr vernichten, sondern nur noch trösten.

V.9 konkretisiert das: Der Zorn Gottes ist nicht verflogen, aber Gott wird nicht mehr seinem Zorn entsprechend handeln. Wie Gott nach der Sintflut entscheidet, das Leben auf der Erde nicht noch einmal zu zerstören (1. Mose 8,21-22), sichert die Ewige hier Efraim alias Israel ein Überleben zu.(5)  Der Vers gipfelt in dem Satz: „Denn Gott bin ich und nicht ein Mann“. So zugespitzt wird das in keinem anderen biblischen Buch formuliert. Auf diesen Kernsatz beruft sich die feministisch-theologische Bibelauslegung immer wieder. Das Gottesattribut „heilig in deiner Mitte“ drückt zweierlei aus: Gott ist einerseits die himmlische Macht, vor der niemand bestehen kann und vor deren Anblick sich selbst die Engelwesen schützen müssen (Jes 6,1-3). Auf der anderen Seite ist er, ist sie präsent inmitten des Volkes Israel. Der letzte Teil von V.9 wirkt wie eine Bestätigung des ersten Teils, geht aber noch darüber hinaus: Nicht nur, dass die Ewige ihren Zorn zügeln will – sie wird in Zukunft gar nicht erst in Zorn geraten.

Ab V.10 ist die Zukunft im Blick: Israel wird Gott wieder nachfolgen. Sie werden nicht mehr weggehen, wie in V.2, sondern sie werden hinter der Ewigen hergehen. Noch bevor die Ewige wie ein Löwe brüllt, erinnert sich das Volk Israel daran, dass sie es war, die es Laufen gelehrt hat. Das Bild des Löwen scheint hier eher mit Schutz und Macht als mit Gefahr verbunden zu sein. Die „Töchter und Söhne“ kehren zurück aus dem Exil – warum hier vom Mittelmeer die Rede ist, bleibt undeutlich.

In V.11 wird Ägypten ein drittes Mal genannt. Es war in der Geschichte Israels immer wieder auch ein Fluchtort (V.11; vgl. auch Mt 2,13-15). Selbst die nach Assyrien Verschleppten werden wiederkommen. Gott wird sie erneut wohnen lassen in ihren Häusern, oder, wie es in Hos 2,25 heißt: „Ich werde sie mir wieder einsäen ins Land“.


Spuren der Achtsamkeit

Wie kann Gott achtsam sein? Welche Spuren der Achtsamkeit Gottes lassen sich in Hos 11 erkennen? Zuerst einmal: Die Fürsorge für ein Kind, wie sie in VV.3-4 entfaltet wird, erfordert Achtsamkeit. Als ich anfing, mich um meinen neu geborenen Sohn zu kümmern, war es für mich eine große Umstellung, mein Tempo zurückschrauben. Alles ging auf einmal viel langsamer. Ich hatte fast das Gefühl, auf einer Zeitinsel zu leben, während um mich herum die Hektik und der Stress weiter gingen. Über Monate wurde fast mein ganzer Tagesablauf von meinem Baby bestimmt. Ich wurde geradezu zur Achtsamkeit gezwungen, auch wenn es eine vor allem nach außen, auf mein Kind gerichtete Achtsamkeit war.

Und wie sieht es mit der Achtsamkeit Gottes in den folgenden Versen des Textes aus? Vielleicht bietet V.7 einen Schlüssel, um die Bandbreite der Gefühle Gottes in Hos 11 zu verstehen: „Sie sind aufgehängt an der Abwendung von mir.“ Aufgehängt sein – das weckt in mir die Assoziation „abhängig sein“. Sind die Gefühle von Eltern drogenabhängiger Kinder nicht ähnlich wie die hier beschriebenen, schwanken sie nicht auch zwischen Wut und Liebe, Enttäuschung und Hoffnung? „Hin- und hergerissen in meinem Bemühen, meinen Sohn von einer Therapie zu überzeugen und seinen Beteuerungen zu glauben, geriet ich selbst zunehmend in psychische Destabilität“, schreibt beispielsweise eine Mutter auf der Internetseite der Elternkreise drogenabhängiger Jugendlicher.  Auch von Eltern, die verzweifeln, weil ihr eigenes Kind sie belügt und bestiehlt, ist dort zu lesen.

Vielleicht hat Gott sich in Hos 11 von seinem Kind ähnlich betrogen gefühlt. Von Israel, das einem Kult des „Immer-mehr“ anhängt, der es wie eine Droge nicht mehr loslässt. Gott ist aufgewühlt. In Gott ist Tumult, Zorn und Liebe ringen miteinander. Doch dann hält sie, hält er plötzlich völlig unerwartet inne: „Ach, mein Volk“, ruft Gott, und es ist eine Klage, ein Sehnen, ein Erschrecken darin. Der Ausruf „Ach, mein Volk“ nimmt vorweg, was in V.8 ausgeführt wird: Nicht Israel kehrt um von seinen Verfehlungen, sondern Gott kehrt um von seinem oder ihrem Zorn. In diesem Innehalten Gottes kann ich einen Ausdruck von Achtsamkeit erkennen. Inmitten des inneren Aufruhrs findet sich an dieser Stelle in V.7 ein winziger Moment der Achtsamkeit, der alles verändert: „Umgestürzt ist mein Herz in mir, heftig entbrannt ist mein Bedürfnis zu trösten.“

Für die Arbeit in der Gruppe:

Ziel

Die Frauen setzen sich mit dem Text Hos 11 auseinander und begegnen der Achtsamkeit Gottes mit eigener Achtsamkeit.

Zeit

1,5 bis 2 Stunden

Material

2 Kopien des Textes Hos 11 – einmal mit, einmal ohne Versangaben; für AbonnentInnen unter www.ahzw.de / Service zum Herunterladen vorbereitet;
Schere, Klebestifte, kleine Zettel, Plakat, Stifte; Steine, Blumen, Tücher, Kerzen, Stöcke, Muscheln etc.

Ablauf

Einstieg: Textpuzzle

Der Text Hos 11 wird ohne Versangaben in so viele Stücke zerschnitten, wie Frauen da sind (möglichst entlang der Satz- oder Versgrenzen). Jede erhält ein Puzzleteil. Die Gruppe versucht, den Text richtig zusammenzusetzen.

Evtl. Hilfestellung der Leiterin: Zu Beginn des Textes erinnert sich Gott an den Anfang der Beziehung zu Israel (VV.1-4). Dann analysiert Gott die gegenwärtige Situation und zeigt die Konsequenzen auf (VV.5-6). Der nächste Abschnitt be-schreibt das innere Ringen Gottes (VV.7-9). Der Text schließt ab mit Aussagen über die Zukunft Israels (VV.10-11).

Bibelarbeit

1 Die Frauen lesen gemeinsam den zusammengesetzten Text. Jede schreibt evtl. Verständnisfragen auf einen kleinen Zettel.
2 Die Leiterin sammelt die Zettel ein und beantwortet die Fragen so weit wie möglich. Bleiben Fragen offen, werden sie auf ein Plakat geschrieben.
3 Die Frauen tauschen sich aus über die Frage: „Wo lässt sich Gottes Achtsamkeit in Hos 11 entdecken?“


Abschluss: „Heilig in deiner Mitte“

Aus verschiedenen mitgebrachten Materialien gestalten die Frauen gemeinsam eine Mitte. Auch das Plakat mit den offenen Fragen kann integriert werden. Die Frauen stellen sich im Kreis um die gestaltete Mitte auf, bleiben einen Moment in der Stille und singen zum Abschluss einen Kanon.


Dr. Katrin Keita, Jahrgang 1969, arbeitet als freie Theologin und Journalistin in Dinslaken.

Verwendete Literatur:

M.-Th. Wacker, Figurationen des Weiblichen im Hoseabuch (HBS 8), Freiburg 1996a
J. Jeremias, Das Buch Hosea (ATD 24/1), Göttingen 1983
K. Keita, Gottes Land. Exegetische Studien zur Land-Thematik im Hoseabuch in kanonischer Perspektive, Hildesheim 2007

Anmerkungen

1 eigene Übersetzung in Anlehnung an die Bibel in gerechter Sprache
2 oder: „doch der zieht sie gewiss nicht auf“
3 „Ostwind ist im Hoseabuch ein Bild für Assur.
4 In diesem einen, bei Hosea sehr häufigen Wort konzentriert sich die zentrale Botschaft des Buches: Wenn Israel umkehrt zu Gott, dann können sie zurückkehren in ihr Land.
5 Diese Zusage Gottes ist für mich ein Hinweis darauf, dass der Text vor der Zerstörung Israels 722 v. Chr. entstanden sein muss.
6 http://www.ekbb.de/erfahrungen.html.

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