Ausgabe 2 / 2010 Artikel von Renate Bitzan

Im Dienst für Volk und Vaterland

Frauen in der rechtsextremen Szene

Von Renate Bitzan


Rechtsextremismus gilt weithin als Männerdomäne. Doch auch wenn Männer die braune Szene nach wie vor dominieren, nehmen Frauen dort mittlerweile wichtige Positionen ein.

Auf den Punkt gebracht: Frauen machen rechtsradikale Parteien anschlussfähig für die Mitte und haben innerhalb der rechtsextremen Szene eine stabilisierende Funktion. Aber schauen wir zunächst genauer hin.


Mitläuferinnen und Macherinnen

Frauen sind in die verschiedenen Dimensionen des Rechtsextremismus unterschiedlich stark involviert. Sie haben bei gewalttätigen Übergriffen einen Anteil von bis zu zehn Prozent, wobei ihre Beteiligung an rassistischen Gewalttaten in den vergangenen Jahren gestiegen ist. Hinzu kommt, dass Mädchen und Frauen oftmals indirekt in Gewalttaten verstrickt sind: Sie stacheln zu Taten an, spähen Ziele aus, stehen „Schmiere“ oder decken die Haupttäter mit Alibis. Zudem ist nicht auszuschließen, dass Polizei, Justiz und Medien dazu tendieren, weibliche Beteiligung an Gewalttaten eher als bei Männern zu übersehen bzw. herunterzuspielen.

In rechtsextremen Parteien und Organisationen sind Frauen häufiger anzutreffen – hier variiert ihr Anteil zwischen 7 und 33 Prozent. Zum Vergleich: Grüne und Linke verzeichnen mit 37 bzw. 46 Prozent einen höheren Frauenanteil; bei SPD, FDP und CDU liegt dieser zwischen 23 und 31 Prozent, bei der CSU mit 17,9 Prozent hingegen etwas niedriger als bei NPD und Republikanern, bei denen etwa ein Fünftel der Mitglieder Frauen sind. Glaubt man den Angaben der NPD, so steigt deren Frauenanteil kontinuierlich an: Angeblich ist mittlerweile jedes zweite Neumitglied weiblich. Unter den FunktionsträgerInnen in Bundes- und Landesvorständen rechtsextremer Parteien finden sich durchschnittlich rund 20 Prozent Frauen.

Frauen wählen rechtsextreme Parteien bislang seltener als Männer. So finden sich unter den WählerInnen von NPD und DVU etwa zwei Drittel Männer und ein Drittel Frauen. Anders sieht es bei den Einstellungen aus: Hier können wir von einer ungefähren Gleichverteilung nationalistischer, rassistischer, fremdenfeindlicher und antisemitischer Einstellungen bei beiden Geschlechtern ausgehen. Die in der Regel repräsentativ angelegten Untersuchungen weichen allerdings voneinander ab und zeigen teilweise niedrigere, teilweise sogar höhere Zustimmungsraten von Frauen. Letztere besonders eklatant in zwei Studien: 2002 stimmten 38,1 Prozent der weiblichen Befragten der Studie zu „gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit“ der Uni Bielefeld fremdenfeindlichen Statements zu, gegenüber 30,5 Prozent der männlichen Befragten. Unter thüringischen Befragten im Dezember 2005 (Thüringen-Monitor der Uni Jena) zeigten 28 Prozent der Frauen ein rechtsextremes Weltbild, gegenüber 16 Prozent der Männer. Der einzige Punkt, dem Frauen regelmäßig in geringerem Maße zustimmen, ist die Akzeptanz von Gewalt. Etwas verkürzt lässt sich sagen: Rechtsextreme Frauen denken zwar genauso rassistisch, antisemitisch, nationalistisch, aber sie überlassen die Sphäre der öffentlichen Politik und die gewaltförmige Austragung ihrer Ansichten tendenziell eher den Männern

Sind die Frauen also nur Mitläuferinnen, wie immer wieder angenommen wird?
Ja und nein. Sicher nehmen unter den Frauen viele eine passive Rolle ein – ebenso wie etliche Männer. Daneben gibt es jedoch auch viele „Macherinnen“, die für die rechtsextreme Szene von zentraler Bedeutung sind: Sie melden Demonstrationen an, schreiben propagandistische Artikel, leisten Rechtsberatung für Neonazis, betreiben Kneipen und Cafés als rechte Szenetreffpunkte, vertreiben als Geschäftsfrauen entsprechende Kleidung und Accessoires, treten bei Veranstaltungen als „nationale Liedermacherinnen“ auf, unterhalten Tagungshäuser für einschlägige Konferenzen, halten Hetzreden bei Aufmärschen oder besetzen Schlüsselpositionen in rechtsextremen Organisationen. Die Beispiele belegen: Frauen unterschiedlichen Alters und Bildungshintergrunds engagieren sich im Rechtsextremismus. Die praktischen Rollen, die sie in der und für die Szene einnehmen, hängen dabei mindestens ebenso stark von ihren persönlichen Neigungen und Fähigkeiten ab wie von ihrem Geschlecht.


Rechte Frauenorganisationen

Eine Minderheit der rechtsextremen Frauen organisiert sich – meist zusätzlich zu gemischtgeschlechtlichen Organisationen – in reinen Frauengruppen. Bereits in den achtziger Jahren gab es mit der Deutschen Frauenfront (DFF) und der FAP-Frauenschaft solche Organisierungsversuche innerhalb der neonazistischen Szene, in den Neunzigerjahren trat der Skingirl-Freundeskreis Deutschland (SFD) an deren Stelle und wurde im gemäßigteren und parteigebundenen Spektrum durch den Republikanischen Bund der Frauen (RBF) ergänzt.

Seit Ende der neunziger Jahre setzte ein Boom von Neugründungen ein: Es entstanden der Freie Mädelbund (FMb), Frauen in der Fränkischen Aktionsfront (F.A.F.), Mädelkameradschaft Sachsen-Anhalt, Nationale Weiberaktionsfront (NWAF), Düütsche Deerns und ca. zwanzig weitere Gruppen. Einzelne wurden verboten, andere sind inzwischen wieder eingegangen, doch einige sind über Jahre aktiv geblieben. 2006 wurde zudem der Ring nationaler Frauen (RNF) gegründet, der einerseits die Frauen in der NPD vereinigt und inzwischen als offizielle Untergliederung (mit Sitz im Bundesvorstand) anerkannt ist, andererseits auch um die Mitgliedschaft von Frauen wirbt, die keine NPD-Mitglieder sind. Damit soll eine Frauenvernetzung zwischen Partei- und Kameradschaftsszene gefördert und eine generelle Offenheit für „Neue“ signalisiert werden. Da alle paar Monate die Gründung einer weiteren RNF-Regionalgruppe verkündet wird, steht zu befürchten, dass diese Rekrutierung erfolgreich verläuft.

Dafür, dass es sich bei den rechtsextremen Frauengruppen vor allem um eine zunehmende Ausdifferenzierung der Szene handelt, spricht die unterschiedliche Schwerpunktsetzung der einzelnen Gruppen, die von Gefangenenbetreuung über Brauchtumspflege oder Mutter-Kind-Fragen bis zu politischer Schulung oder Demonstrationsbeteiligungen reicht. Dies ermöglicht den Frauen, die bereits Teil der rechtsextremen Szene sind, hier spezifische Interessen zu pflegen, was ihre psycho-soziale Verbundenheit und ihr Weltbild festigt. Zugleich könnten Gruppen, die an Alltagsfragen anknüpfen, attraktiv für bislang unpolitische Frauen sein. Zwar ist fraglich, ob sich Außenstehende diesen Gruppen in Scharen anschließen, wenn sie nicht zumindest im Grundsatz mit deren politischer Ausrichtung übereinstimmen. Doch wenn es um öffentlichkeitswirksame Mobilisierungen – etwa zum Thema „Todesstrafe für Kinderschänder“ – geht, dürfte der Zuspruch unorganisierter Frauen deutlich höher liegen.


Nicht nur Mütterkult

Heterogen ist auch das vertretene Frauenbild. So gemahnt die Gemeinschaft Deutscher Frauen (GDF) ihre Mitglieder stets an die „Pflicht zu Mutterschaft“ und „Arterhaltung“ und bietet neben gemeinsamen Ausflügen und Feiern vor allem Raum für den Austausch über Erziehungsfragen und germanisches Brauchtum. Hier wird den Frauen also in klassisch differenzorientierter Weise eine spezifische Aufgabe für „Volk und Vaterland“ zugewiesen, die sie zugleich als Gleichwertige bestärken soll.

Der RNF hingegen stellt das politische Engagement in den Vordergrund. Neben Stellungnahmen zu tagespolitischen Themen, vornehmlich im Bereich der Familienpolitik, sollen Frauen dazu ermutigt werden, innerhalb der NPD politische Funktionen und Ämter zu übernehmen und sich verantwortlich einzumischen. Zwar bezieht der RNF anti-feministische Positionen, wettert gegen Gender Mainstreaming und macht sich für ein „Müttergehalt für deutsche Mütter“ stark; die Sphären des Politischen und der Berufstätigkeit jedoch sollen keineswegs den Männern überlassen bleiben, womit ein traditionalistisches Frauenbild durchaus hinterfragt wird.

Der MRT schließlich ruft auf: „Deutsche Frauen, wehrt euch gegen das Patriarchat! Nationaler Feminismus voran!“ Diese Haltung stellt zwar eine Minderheitenposition im rechtsextremen Spektrum dar. Dass sie vom Rest der Szene geduldet ist, zeigt jedoch, welch vielfältige Vorstellungen zum Geschlechterverhältnis mit nationalistischen und rassistischen Positionen vereinbar sind. Hinzu kommt, wie wir aus Interviews wissen, dass das gelebte Leben vom postulierten Anspruch oder vom Programm der Partei oder Organisation abweichen kann. Ideologischen Vorrang hat allemal die Orientierung an der „deutschen Volksgemeinschaft“ – wie frau dieser Sache dient, scheint eher zweitrangig zu sein. Und so ist auch ihr äußeres Erscheinungsbild keineswegs einheitlich. Zöpfe und Trachtenlook oder Bomberjacke und Stiefel kommen zwar vor, häufiger jedoch geht frau bauchfrei, gepierct und sonnenbebrillt oder ganz normal bis seriös-schick.

Gerade durch die letzten Varianten kann das Image rechtsextremer Parteien und Gruppen durch die sichtbare Teilnahme von friedlich und „normal“ wirkenden Frauen erheblich aufgebessert werden. Zudem haben Außenstehende Erkennungsprobleme, wenn in ihrem alltäglichen Umfeld rechtsextreme Frauen auftauchen und sich in ihren politischen Äußerungen zunächst bedeckt verhalten. Sei es in der Nachbarschaft, im Elternbeirat der Schule, als Erzieherin im Kindergarten, im Schwimmverein oder im KollegInnenkreis: Der freundlichen NPDlerin sieht man ihre Gesinnung nicht an der Nasenspitze an – und so gelingt es ihr, das Vertrauen des Umfelds zu gewinnen und nach und nach Einfluss zu nehmen.

Weil sich zunehmend Mädchen und Frauen in der rechtsextremen Szene aufhalten, finden häufig junge Männer, die sich früher außerhalb der Szene eine Freundin suchen mussten und darüber nicht selten Distanz zu ihren bisherigen Kreisen aufbauten, nun szene-intern eine Partnerin. Kinder aus solchen Verbindungen wachsen in einem familiär homogenen rechtsextremen Weltbild auf. Die Organisationen haben sich auf diesen Trend bereits eingestellt: Zunehmend gibt es Angebote „für die ganze Familie“ wie Sommerfeste, Familienwanderungen, Hausaufgabenhilfe und sogar erste „nationale Krabbelgruppen“.

Insgesamt trägt die Beteiligung von Frauen am Rechtsextremismus also zu einer Stabilisierung der Szene, zu einem Ausbau eines homogen rechtsextremen Milieus für die nachwachsende Generation und zu wachsendem Einfluss in der so genannten Mitte der Gesellschaft bei – Gründe genug, diese Entwicklungen äußerst kritisch zu sehen und in der Frauenarbeit darauf zu reagieren.


Für die Arbeit in der Gruppe

Ziel

die Rolle der Frauen und Mädchen in der rechtsextremen Szene und die ihnen zugedachte Rolle erkennen und kritisch reflektieren; Auseinandersetzung mit rechtsextremen Frauenpositionen

Raumgestaltung: Tischgruppen zu 3-6 Personen; für den meditativen Abschluss: Stuhlkreis, wo möglich in einem anderen Raum

Ablauf

Einstieg: Rechtsextremismus ist kein Lieblingsthema für Frauengruppen. Inzwischen ist aber auch klar, dass rechte Positionen und Argumente kein Randphänomen mehr in unserer Gesellschaft sind. Und rechtsradikale Organisationen tun alles dafür, selbst in der Mitte der Gesellschaft anzukommen. Welche Rolle Frauen und Mädchen dabei spielen, bzw. welche Rolle ihnen zugedacht ist – darum soll es heute gehen. Das ist kein „schönes“ Thema, aber es ist notwendig, sich damit auseinander zu setzen.

Kurzreferat: Frauen in der rechtsextremen Szene (siehe Artikel oben); den Text anschließend in Kopie aushändigen

Kleingruppen: (30 Min)
Jeder Gruppentisch wird einem Textbeispiel, das der Internetseite der „Gemeinschaft Deutscher Frauen“ (GDF) entnommen ist, zugeordnet. Dort liegen ein großer Bogen Papier, ein dicker Filzstift und die entsprechenden Kopien für jede Teilnehmerin.
Kopiervorlagen sind für AbonnentInnen unter www.ahzw.de/Service zum Herunterladen vorbereitet.

Die Leiterin stellt die verschiedenen Themenkreise kurz vor. Die Frauen ordnen sich dem Thementisch zu, der sie interessiert. Evtl. werden Themen doppelt besetzt.

Aufgabe für die Gruppe:
1. Schritt: Lesen des Papiers der GDF: Was wird gesagt? Wo fühle ich mich angesprochen von den Argumenten? Welche Gefühle werden berührt? Wo spüre ich Ablehnung, wo Zustimmung?

2. Schritt: 1-2 Sätze formulieren: Was würden wir als evangelische Frauengruppe den Frauen der GDF antworten? Diesen Standpunkt auf dem Papierbogen schriftlich festhalten.

Plenum: Jede Gruppe hat eine Sprecherin, die kurz benennt, womit die Gruppe sich beschäftigt hat. Der Entgegnungssatz wird laut vorgelesen und an der Wand festgemacht. Die Papiere der GDF werden eingesammelt.

Meditativer Abschluss: siehe Seite 48 f.


Dr. Renate Bitzan ist Sozialwissenschaftlerin.
Sie promovierte über die Geschlechterdiskurse rechtsextremer Frauen und ist Mitbegründerin des Forschungsnetzwerks Frauen und Rechtsextremismus.

Vorschlag für die Arbeit in der Gruppe: Hanne Finke und Susanne Decker-Michalek, Frauenwerk im HKD der Ev.-luth. Landeskirche Hannovers. Weiterer Vorschlag zur Bearbetung Rechtsradikalismus allgemein unter www.ahzw.de/Service zum Herunterladen.

Nachdruck des Artikels von Renate Bitzan (leicht gekürzt) mit freundlicher Genehmigung aus FrauenRat 6/2008: Gefährlich im Aufwind – rechtsextreme Frauen. Die Ausgabe ist vergriffen, kann aber als PDF angefordert werden unter: kontakt@frauenrat.de

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