Alle Ausgaben / 2009 Material von Magdalena L. Möbius

Im Interreligiösen Kräutergarten

Von Magdalena L. Möbius


Interkulturelle Gärten gibt es inzwischen in vielen Städten. Das Land wird von den Kommunen zur Verfügung gestellt, MigrantInnen oder binationale Familien bewirtschaften ihre Parzellen. Schon auf den ersten Blick spiegeln sich in der Anlage der Beete die kulturellen Unterschiede des Gartenbaus. Schnell stellt sich heraus: Was für die eine ein Unkraut vom Wegesrand ist, ist dem anderen eine zu hegende Heilpflanze, was der eine noch als Notspeise aus Kriegszeiten kennt, kultiviert die andere mit Liebe.

So jedenfalls erlebe ich es im ersten interkulturellen Garten in Berlin, dem im Juni 2003 eingeweihten „Wuhlegarten“ Köpenick, den ich über meine muslimische Dialogpartnerin Brigitte Kanacher-Ataya kennenlerne. Beruflich Stauden- und Kräutergärtnerin im Botanischen Garten, hat sie das Projekt „Interreligiöser Kräutergarten“ 2007 als ihren Beitrag zum interreligiösen Dialog begonnen. Die Beete mit Kräutern und Heilpflanzen aus aller Welt fassen Wege ein, die mit historischen Ziegeln gepflastert sind. Als jüdisches, christliches und muslimisches Symbol stellen sie das hebräische Wort Chai (Leben), das keltische Kreuz und den Halbmond dar. Das Zentrum bildet ein spiralförmig angelegtes Beet mit Kräutern, die im ersten Gartenbuch des deutschsprachigen Raumes, dem Lehrgedicht Liber de cultura hortorum (Von der Pflege der Gärten) des Reichenau-Abtes Walahfrid (827 n.Chr.) erwähnt werden.

Als Brigitte Kanacher-Ataya in einem interreligiösen Frauendialog anregte, in diesem Kräutergarten Pflanzen zu säen oder zu setzen, die in besonderer Weise unsere Spiritualität oder Verbundenheit mit dem Mutter-Land symbolisieren, wusste ich sofort, was ich beitragen wollte: „Entsündige mich mit Ysop, dass ich rein werde.“ (Psalm 51,9) Wie begeistert war ich vor einigen Jahren gewesen, als ich diese Pflanze, deren Name mir bisher nur aus der wunderbaren Psalmvertonung von Mendelssohn Bartholdy im Ohr war, im Kräutergarten des sehenswerten brandenburgischen Ortes Himmelpfort ganz real vor Augen hatte und erwerben konnte. Seitdem bereichert dies „heilige Kraut“ meine Salate und Gemüsegerichte, nun steht es auch im interreligiösen Kräutergarten, und wann immer ich ihn besuche, kann ich es grüßen und pflegen. In einer kleinen Zeremonie, an der Familien unserer interreligiösen Frauengruppe teilnahmen, hatte ich es – verbunden mit der Lesung des Psalms 51 – gepflanzt. Die Kinder säten noch Schwarzkümmel, ein Kraut von dem der Prophet Mohammed sagte, es heile jede Krankheit außer dem Tod.

*Sura 52: „Und Wir versorgten sie mit Obst und Fleisch von dem, was sie begehren. (22) Dort werden sie aus einem Becher in der Runde trinken, durch den sie weder zu sinnlosem Gerede noch zu einer Sündhaftigkeit verleitet werden. (23)“ – Dem interreligiösen Garten fehlte noch ein Weinstock. Das nahmen die Berlin-Brandenburger Regionalgruppe des Ökumenischen Forums Christlicher Frauen in Europa (ÖFCFE) und das Ökumenische Frauenzentrum Evas Arche zum Anlass, den von der Ökumenischen Versammlung in Sibiu 2007 angeregten Tag der Schöpfung mit einer liturgischen Feier zum Pflanzen eines Weinstocks zu begehen, der Pflanze, die Religionen und Konfessionen verbindet. Die Patenschaft für den Weinstock füllt Evas Arche mit Leben, indem das Frauenzentrum mehrmals im Jahr zum „Beten und Arbeiten“ in den interreligiösen Kräutergarten einlädt. Umrahmt von Morgen- und Mittagsgebet und einem Imbiss helfen wir bei der Pflege von Pflanzen und Wegen und erfahren ganz nebenbei viel über die Würz- und Heilkräuter. Reich beschenkt mit Gemeinschaft, Wissen und Pflänzchen, freuen wir uns nach diesen Begegnungen auf das nächste Mal.

Im Oktober 2009 werden wir zusammen mit der jüdischen Kantorin Jalda Rebling eine Segensfeier für den interreligiösen Kräutergarten gestalten. Ora et labora in einem interkulturellen Garten – eine Anregung auch für Frauen unterschiedlicher Religionen an anderen Orten?


Magdalena Möbius
Theologische Referentin
Ökumenisches
Frauenzentrum
Evas Arche, Berlin
www.evas-arche.de

mehr zum Thema:
www.stiftung-interkultur.de

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