Alle Ausgaben / 2013 Editorial von Margot Papenheim

Im Reich der Tiere

Von Margot Papenheim


Mit Luzie ist das was ganz anderes. Luzie wohnt in dem kleinen Blumenladen an der Ecke, wo ich morgens aus dem Bus steige.

Wenn ich, was jetzt im Sommer vorkommt, vorbeigehe, bevor der Laden geöffnet ist, räkelt sich die grau getigerte Schönheit auf der breiten Fensterbank zwischen den Kübeln voller Blumen in den ersten Strahlen der Sonne, die langsam über dem Dach gegenüber hervorkommt. Sobald Luzie merkt, dass sie Publikum hat, legt sie noch eins drauf. „Turnt vor“, so jedenfalls kommt es mir vor. Dehnt und streckt sich, stupst mit den Vorderpfötchen gegen die Fensterscheibe, genießt ganz offenbar die Bewunderung. Ent-zück-end!

Für einen Augenblick stelle ich mir sogar vor, wie das wohl wäre, so eine wie
Luzie zuhause zu haben. Ansonsten bin ich nämlich keine große Katzenfreundin. Regelrecht zuwider ist mir der fette schwarze Kater, der irgendwo in der Nachbarschaft zuhause ist. Vielleicht ist er auch eine Katze – ich weiß weder sein Geschlecht noch seinen Namen. Will ihn (oder sie) auch nicht näher kennenlernen. Dass er gelegentlich durch unseren Garten streicht, stört mich nicht. Wohl aber,
dass er mit tödlicher Präzision genau dann unter unserem Meisenkasten auftaucht und sich, so empfinde ich es jedenfalls, voller Vorfreude die Lippen leckt, wenn die Jungvögel jeden Moment ausfliegen. Auch die strafenden Blicke meiner Lieben können mich dann nicht davon abhalten, ihm mit ein paar kleinen (sehr kleinen!) Kieselsteinchen gezielt Beine zu machen. Denn, das habe ich schon ausprobiert, ein scharfes „Ksch!“ aus dem Fenster beeindruckt ihn nicht mehr, als dass er sich mit einem unnachahmlich arroganten Seitenblick kurz hinter die Gartenhütte verzieht, um dort in aller Seelenruhe abzuwarten, bis die Luft wieder rein ist. Natürlich weiß ich, dass der Kater eigentlich ein Raubtier ist und also kleine Vögel fangen „darf“. Aber „unsere“ kleinen Meisen, die von ihren Eltern in den letzten Wochen mit so unendlich viel Mühe großgefüttert worden sind, die kriegt er nicht! Wie gesagt –
das mit Luzie, das ist was ganz anderes.

Die ahzw wünscht ihren Leserinnen und Lesern anregende Begegnungen mit unseren Mitgeschöpfen und einen schönen Aufenthalt im Reich der Tiere.

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