„Unser Garten ist ein Weg, um für eine gerechtere Gesellschaft zu kämpfen“. Diese Aussage findet sich auf einer liebevoll gestalteten Internetseite, die sogar Vogelgezwitscher von sich gibt. Sie stammt von einer Frau namens Nadja aus einem Gemeinschaftsgarten in Buenos Aires, der Hauptstadt von Argentinien.
Aber nicht nur der Garten an sich ist der Weg, „sondern die Organisierung, die er mit sich bringt, und wie wir ihn organisieren“. So sieht Nadja den Zusammenhang von Garten und Gerechtigkeit.
„In den Gärten der Gerechtigkeit“ lautet das laufende Projekt der Evangelischen Frauen in Hessen und Nassau e.V., in dem wir die Frage nach Gerechtigkeit in den Mittelpunkt unserer Arbeit stellen. Was bedeutet Gerechtigkeit aus unserer Sicht als Frauen? Welche Visionen von Gerechtigkeit leben wir in unserem Alltag, in der Kirche, im Verband, in der Frauenarbeit? Unsere Antworten bringen wir in die aktuelle gesellschaftliche Debatte ein.
Was aber haben Gärten mit Gerechtigkeit zu tun? Manche hören den Titel, haben sofort den eigenen oder andere Gärten vor Augen, ihnen geht das Herz auf und sie werden neugierig. Andere sind eher skeptisch: Gerechtigkeit ist ja ein hochaktuelles Thema. Aber müssen wir Frauen immer so bildlich-symbolisch daherkommen?
Spannende Fragen, die anregen, sich auf die Suche zu machen nach dem, was Gerechtigkeit für uns bedeutet, wie wir sie leben, wie wir sie glauben, wie wir sie in die Tat umsetzen, in welchen Bildern wir über sie sprechen.
Ein Blick in die Bibel zeigt, dass der Zusammenhang zwischen Garten und Gerechtigkeit nicht zufällig ist. Vier Aspekte sind mir wichtig geworden.
schön und verlockend
Mit Gerechtigkeit verbindet sich für uns oft etwas drückend Unerfüllbares. Aber in biblischem Verständnis verkörpert Gerechtigkeit kein Maß, das für uns zu groß ausfällt, an dem wir scheitern müssen. Die Bibel preist Gerechtigkeit als etwas vorstellbar Schönes. Sie ist ein Regen, der aus Wolken regnet (Hos 10,12; Jes 45,8), ein Mantel, in den wir uns hüllen (Ps 132,9; Jes 61,10). Jede möchte sie überall besingen, weil Gott sie für alle schafft, die Unrecht leiden (Ps 40,11; Ri 5,11; Ps 103,6). Die Menschen jagen ihr nach (1 Tim 6,11 ), suchen (Mt 6,33), hungern und dürsten nach ihr (Mt 5,6).
Und so wird von der Gerechtigkeit auch in Garten-Bildern geredet:
– „Ja, wie aus der Erde ihr Gewächs hervor sprießt und ein Garten seinen Samen wachsen lässt, so lässt Gott, die Macht über alles, Gerechtigkeit wachsen.“ (Jes 61,11 BigS)
– „Säet Gerechtigkeit und erntet nach dem Maße der Liebe!“ (Hos 10,12 Luther)
– „Gott gewährt den Säenden Saatgut und Brot zur Speise und wird so auch euch Saat geben und vermehren die Früchte eurer Gerechtigkeit.“ (2 Kor 9,10 BigS)
– „Ja, getröstet hat Gott Zion, …. Gott macht ihre Wüste wie Eden und ihre Steppe wie den Garten Gottes, Jubel und Freude wird in ihr gefunden.“ (Jes 51,3 BigS)
Das heißt: Gott lässt Gerechtigkeit wachsen – Gottes Gerechtigkeit! Wir sind aufgefordert Gerechtigkeit zu säen, Gerechtigkeit zu tun. Das Ziel unseres Lebens ist nichts Geringeres als das Paradies, der wieder eröffnete Garten Gottes oder anders gesagt: das Reich Gottes, Gottes gerechte Welt. Die Texte zeigen, wie treffend sich mit der Symbolik des Gartens eine Theologie der Gerechtigkeit beschreiben lässt – eingebettet in die Bilderwelt von Säen, Keimen, Wachsen, Grünen, Frucht bringen, Ernten.
verbindend und solidarisch
Ein Garten ist ein Ort, an dem Menschen sich begegnen können, ein Ort der Beziehungen, der Geselligkeit und Verständigung. In der Bibel ist er auch ein Ort der Gottesbegegnung – sei es der Garten Eden (Gen 2), der Garten Gethsemane (Lk 22), der Garten, in dem Maria Magdalena dem Auferstandenen begegnet (Joh 19 und 20) oder der Garten im neuen Jerusalem am Ende der Zeiten, wenn Gott alle Tränen abwischen wird (Off 22).
Auch die Gerechtigkeit in biblischem Verständnis ist ein Begriff der Beziehung. Sie existiert nicht „an sich“, sondern nur in Beziehungen, verstanden als Verbundenheit, Solidarität, Gemeinschaftstreue. Sie stiftet, sagt die Theologin Marlene Crüsemann, „eine Verbundenheit, die uns ermächtigt, über uns hinauszuwachsen in einem gemeinsamen Handeln. … Gerechtigkeit ist etwas elementar Irdisches“.(1) Gerechtigkeit sorgt dafür, dass alle Anteil an einem guten Leben in Fülle und Lebensfreude bekommen. Und so spricht der Alttestamentler Gerhard von Rad von ihr als dem „höchste(n) Lebenswert, das, worauf alles Leben, wenn es in Ordnung ist, ruht“.(2)
Der Garten ist ein Ort, der Raum gibt und Leben für viele bietet. Er ist ein herrschaftsfreier Raum (wenn wir an das Paradies denken), ein Ort, der Lebens-Mittel gibt. Der Garten ist ein Raum der Fülle und der Vielfalt, der Sehnsucht und der Inspiration.
Spannend ist, dass die Gerechtigkeit Gottes in der Bibel durchaus auch räumlich verstanden wird: wie ein Kraftfeld, in das Menschen einbezogen und dadurch zu besonderen Taten ermächtigt werden. Und wie der Garten ist sie ein Raum, in den wir eintreten können. Einen Garten betreten wir durch seinen Eingang, den Raum der Gerechtigkeit Gottes durch den Glauben, durch den wir mit Gott in Beziehung treten. Nichts anderes ist meines Erachtens mit Rechtfertigung durch den Glauben gemeint: gerecht ist, wer Vertrauen lebt. Vertrauen in Gottes Gerechtigkeit.
wachsend und werdend
Natürlich ist der Garten auch ein Ort, der gestaltet werden kann und will. Wer jemals einen Blumentopf in der Hand hatte oder einen Garten pflegt, weiß: Es ist immer etwas zu tun, der Garten ist immer im Werden.
So ist es auch mit der Gerechtigkeit. Auch sie ist, biblisch verstanden, kein „Zustand“, sondern ein fortdauernder Prozess auf das Reich Gottes hin. Sie ist Lust und harte Arbeit, wie es ein Garten auch ist. Wir sind gefragt, sie zu gestalten, sie zu leben als Antwort auf Gottes Liebe, aber auch, sie im Vertrauen auf Gott wachsen zu lassen, sie einfach nur zu schmecken, zu genießen, auf sie zu hoffen.
„Unser Garten ist ein Weg, um für eine gerechtere Gesellschaft zu kämpfen“, sagt Nadja aus Buenos Aires. Denn wer einen Garten gestaltet, gestaltet eine Welt, gestaltet Beziehung, Zusammenleben, gestaltet Gerechtigkeit, ein gutes Leben für alle Menschen. Viele Gartenprojekte sind von diesem Grundgedanken getragen. Manche wollen buchstäblich „gerechte Gärten“ sein.
Interkulturelle Gärten
Säen, pflanzen und ernten – das ist Alltag auch in Interkulturellen Gärten. Genauso wichtig ist aber, was neben dem Reichtum an Blumen, Kräutern und Früchten produziert wird: Kommunikation, Kooperation und neue Perspektiven.
Interkulturelle Gärten sind Orte der Integration und lernende Organisationen. Auf der Basis von gemeinschaftlichem ökologischem Gartenbau und handwerklichen Tätigkeiten, interkulturellen Aktivitäten und selbst konzipierter Bildungsarbeit entstehen neue Handlungsmöglichkeiten und Erfahrungsräume. In Interkulturellen Gartenprojekten begegnen sich Menschen aus verschiedenen sozialen Milieus und Altersgruppen, Menschen mit unterschiedlichen ethnisch-kulturellen Hintergründen und Lebensformen. Oft haben die in den Gärten Aktiven alles zurückgelassen – nicht nur Hab und Gut, sondern auch soziale Bindungen und Zugehörigkeiten. Solche Zusammenhänge behutsam wiederherzustellen und den Menschen damit die Möglichkeit zu geben, ähnlich wie beim Wurzeln-Schlagen von Pflanzen neuen „Boden unter den Füßen“ zu gewinnen, ist Sinn und Zweck dieser Projekte.(3)
Gemeinschaftsgärten unterscheiden sich von anderen urbanen Grünflächen dadurch, dass sie gemeinschaftlich und überwiegend unentgeltlich angelegt und gepflegt werden und einer breiteren Öffentlichkeit zur Verfügung stehen. Die Grundstücke befinden sich meistens in der Stadt. Die Fläche ist nur zeitweise und in kleineren Teilen einzelnen Personen zugeordnet, ansonsten wird in der Gruppe gearbeitet. Gepflanzt werden Gemüse und Obst, aber auch reine Ziergärten oder Parkanlagen sind möglich, auch Tiere werden dort gehalten. TrägerInnen solcher Projekte sind oft NachbarInnen, politische Gruppen, Kirchen oder Schulen.
Durch die zunehmende Kommerzialisierung des öffentlichen Raums werden Menschen, die dem Konsumdruck nicht gewachsen sind, isoliert. Immer weniger Flächen stehen zur Verfügung, auf denen Menschen sich wohnortnah begegnen und kennen lernen können, ohne dafür Geld ausgeben zu müssen. Der Nachbarschaftsgarten auf der Freifläche soll diesem Trend entgegenwirken. Die AnwohnerInnen können nahezu ohne finanzielle Aufwendungen an einem gemeinschaftlichen, intergenerativen Projekt aktiv teilnehmen, andere Menschen kennen lernen und sich handwerklich, gärtnerisch oder künstlerisch auszuprobieren.(4)
„Bibelgarten im Karton“ ist ein Projekt der Werk- und Betreuungsstätte für Körperbehinderte g.GmbH in Ottendorf / Schleswig-Holstein, ausgeführt von der Gartengruppe „Flowerpower“; einen „Klostergarten“ und „Therapierasen“ gibt es ebenfalls im Karton. Der Bibelgarten im Karton enthält vorgezogene Pflanzen und Sämereien, die in der Bibel erwähnt sind. Dazu gibt es Material mit Pflegehinweisen für die Pflanzen und Literaturangaben sowie zahlreiche Themenbeiträge mit Anregungen für die pädagogische Arbeit. Das Projekt bietet zugleich den Beschäftigten sinnvolle Arbeit.(5)
Magdalene L. Frettlöh sagt: „Gärtnerinnen (und Gärtner) sind paradiesische Menschen, schon heute.“(6) Getragen von der Sehnsucht nach Gottes Garten säen sie jetzt schon Spuren der Gerechtigkeit Gottes in diese Welt, gestalten im Alltag „Gärten der Gerechtigkeit“, in denen sich scheinbar aussichtlose Tätigkeiten zu einer großen Hoffnung entwickeln, Wunder von unten wachsen.
In diesem Sinne wünsche ich allen Gärtnerinnen Kraft, Inspiration und Phantasie für das Anlegen und Gestalten eigener „Gärten der Gerechtigkeit“.
Kopiervorlagen der Texte für AbonnentInnen unter www.ahzw.de / Service zum Herunterladen vorbereitet
Einstieg
In der Mitte liegen reichlich Bilder von Gärten. Jede Frau sucht sich ein Bild aus. Impuls: Was verbinde ich mit Garten/ Gärten?
Einführung ins Thema
Die Leiterin trägt den Anfang des Textes vor (bis einschließlich „Garten und Gerechtigkeit“). Dann legt sie verschiedene Bibelverse zu „Gerechtigkeit“ in die Mitte (siehe S. 62f.) und lässt die Frauen jeweils einen Vers vorlesen.
Murmelgruppen
Jede Frau stellt sich zu dem Vers, der ihr gerade am besten gefällt. Mit den anderen Frauen, die dort stehen, tauscht sie sich aus zu folgenden Fragen:
Was gefällt mir an diesem Bibelvers? Was haben Gärten mit Gerechtigkeit zu tun?
Plenum
Nach kurzen Rückmeldungen aus den Gruppen trägt die Leiterin vor, welchen Zusammenhang die Bibel zwischen Gärten und Gerechtigkeit sieht (Text „Gerechtigkeit biblisch“). Danach Austausch: Welcher Gedanke war neu für mich? Verstehe ich „Gerechtigkeit“ jetzt anders als vorher?
Gruppenarbeit
Die Leiterin benennt, dass es verschiedene Gartenprojekte gibt, die versuchen, Gerechtigkeit zu gestalten. Es werden drei Gruppen gebildet. Jede Gruppe erhält schriftliches Material zu einem Gartenprojekt (siehe oben „Gerechte Gärten“ und eigene Recherche im Internet) und erarbeitet eine kurze Vorstellung des Projektes. Impuls: Inwiefern ist dieser Garten / dieses Gartenprojekt „gerecht“?
Plenum
Reaktionen auf das Gehörte und Austausch: Gibt es Beispiele aus der eigenen Umgebung? Gibt es eigene Ideen für Projekte, die Garten und Gerechtigkeit miteinander verbinden (z.B. den eigenen Garten öffnen, Kirchgärten, Gärten teilen)?
Abschluss
In der Mitte wird symbolisch auf einem grünen Tuch ein Garten der Gerechtigkeit gestaltet. Dazu liegen verschiedene Materialien im Raum (Papier und Stifte, Stöckchen, Pflanzen, Erde, Gartenschere, Blumensamen etc.). Jede sucht sich einen Gegenstand aus oder malt etwas. Impuls: In meinem Garten der Gerechtigkeit gibt, wächs, geschieht …
Abschließend legt jede ihr Symbol in die Mitte und sagt etwas dazu.
Karin Böhmer ist Pfarrerin und Leiterin der Abteilung Frauen Bildung Spiritualität bei Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V.
Material zum Projekt:
Evangelische Frauen in Hessen und Nassau e.V.
www.EvangelischeFrauen.de
– Materialheft „In den Gärten der Gerechtigkeit“ 12,– Euro plus Porto
– Plakate DIN A 3 mit dem Bildmotiv
– Bastelbögen für eine „Gerechtigkeitstüte“
Bestellung unter Tel: 06151-6690-152oder
E-Mail: Marlies.Klinge@EvangelischeFrauen.de
Anmerkungen:
1 Marlene Crüsemann, Gerechtigkeit als Beziehung – ein biblisch-theologischer Vortrag, 27. Deutscher Evangelischer Kirchentag Leipzig 1997
2 Gerhard von Rad, Theologie des AT, Band 1, München 1957, S. 368
3 Vgl. www.stiftung-interkultur.de
4 Vgl. www.eine-andere-welt-ist-pflanzbar.urbanacker.net
5 Vgl. www.bibelgarten-im-karton.de
6 Magdalene L. Frettlöh, Christus als Gärtner, in: „Schau an der schönen Gärten Zier…“ Über irdische und himmlische Paradiese. Zu Kult und Kulturgeschichte des Gartens, Jabboq Bd.7, Hg. J. Ebach u. a., Gütersloh 2007, S. 202
Die letzte Ausgabe der leicht&SINN zum Thema „Bauen“ ist Mitte April 2024 erschienen.
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