Ein beliebter Ort, um Babys auszusetzen, sind die Kinderstationen der Krankenhäuser. Ausreichend Nahrung, Wärme und medizinische Versorgung können wir diesen mutterlosen Babys geben. Doch Säuglinge brauchen in diesem frühen Entwicklungsstadium dringend körperliche Nähe. Deshalb betreiben viele Mütter, einige Krankenschwestern und bisweilen ich selbst „Kangaroo Mother Care“. Zwar verfügen wir über keine Brustbeutel wie die Kängurus, aber zwischen unseren nackten Brüsten fühlen sich die Winzlinge, die nur eine Stoffwindel tragen, geborgen. Der Säugling wird der Mutter oder Leihmutter mit einem simplen Tuch um den Leib gebunden. Ich genieße es immer sehr, selbst Känguru-Mutter zu spielen, und habe das Baby dann sogar bei meinen Visiten dabei.
Im Zuge von Studien über Kangaroo Mother Care wurde ein unerklärliches Phänomen entdeckt: Sinkt die Temperatur im Leib des Babys nur um ein halbes Grad, erhöht sich automatisch die Körpertemperatur der Mutter. Niemand weiß, wie dieses Mutter-Kind-Thermostat funktioniert.
Ein Säugling, den ich mir ebenfalls persönlich „zur Brust nehme“, wächst mir dabei besonders ans Herz. Die Mutter des Kleinen ist nur wenige Tage nach der Geburt an Aids gestorben. Kurz vor ihrem Tode hat sie ihren Sohn Matsimela getauft. Leider ist auch Matsimela mit dem HI-Virus infiziert. Ich habe ihn so gern, dass ich ihn am liebsten adoptieren würde. Matsimela wächst jetzt in einem Kinderdorf für Aids-Waisen auf. Dort fehlt es ihm an nichts. Er hat sich zu einem strammen Jungen entwickelt. Ich besuche ihn bis heute…
„Kap meiner Hoffnung“ erzählt die abenteuerliche Lebensgeschichte der deutschen Kinderärztin Irina André-Lang – einer engagierten und mutigen Frau, deren Schicksal untrennbar verwogen ist mit den politischen, gesellschaftlichen und sozialen Entwicklungen in Südafrika. Die „Känguru-Methode“ wurde 1979 in Bogota (Kolumbien) zur Frühgeborenenversorgung entwickelt und von anderen Ländern übernommen. Seit Jahren setzt sich auch die Weltgesundheitsorganisation der Vereinten Nationen (WHO) für die Verbreitung dieser Methode – nicht nur in Entwicklungsländern – ein.
Irina André-Lang
mit Harald Rast
gekürzt aus:
Kap meiner Hoffnung
Als Kinderärztin
in Südafrika
A1 Verlag
© München 2010
Die letzte Ausgabe der leicht&SINN zum
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