Ausgabe 2 / 2003 Artikel von Hildegard Zumach

Kauft keine Früchte der Apartheid

West-Erinnerungen

Von Hildegard Zumach

 

Seit 1969 gab es das Programm des Ökumenischen Rates der Kirchen zur Bekämpfung des Rassismus, und aus seinem „Sonderfond“ wurden auch Gruppen unterstützt, die „im Kampf um wirtschaftliche, soziale und politische Gerechtigkeit“ standen. Das hat in der Bundesrepublik heftige Kontroversen hervorgerufen – es war ein weiter Weg von den „Almosen für die Hungernden in armen Ländern“ zur Solidarität mit Befreiungsbewegungen in der sog. Dritten Welt.

Mit der Aktion „Kauft keine Früchte der Apartheid“ hat sich die Evangelische Frauenarbeit in Deutschland (EFD) eindeutig auf die Seite der schwarzen Menschen in Südafrika gestellt, die den Kampf um ihre Menschenwürde gegen die „führende Rasse“ der Weißen aufgenommen hatten. Mit welchen Mitteln der Kampf gegen den Rassismus geführt werden sollte, diese Frage bestimmte die kontroverse Diskussion in der Kirche und der Frauenarbeit. Über seine Wurzeln auch in den christlichen Anschauungen wurde – und wird – zu wenig nachgedacht. Frauen haben sich auf ein garstiges politisches Feld gewagt und Kompetenz auch in wirtschaftlichen Fragen erworben. Es wurde nicht gern gehört, dass die wirtschaftlichen Interessen unseres Landes so eng mit der Apartheid in Südafrika verflochten waren. Darauf machte das so naheliegende Mittel eines Boykotts von südafrikanischen Trauben und Apfelsinen aufmerksam.

Dass das kein Spaziergang war, können alle bezeugen, die dabei waren. (Wobei der „Ungehorsam“ gegenüber kirchlichen Leitungsorganen auch eine sehr befreiende Wirkung hatte!) In dem oft gehörten Argument, dass ein Boykott denen schade, um die es ging, zeigte sich immer wieder die rassistische Fürsorge-Menalität, die den „Schwachen“ keine eigene Stärke zugestehen will. Auffallend war, dass auch in der Kirche immer wieder nach dem wirtschaftlichen Erfolg der Aktion gefragt wurde. Dass sie in Südafrika als ein Zeichen geschwisterlicher Solidarität dankbar verstanden wurde, hat auch manchen Kirchenführer weniger beeindruckt.

Das Problem des Rassismus ist uns durch diese Aktion ein ganzes Stück näher gerückt. Wir hatten es buchstäblich in der Hand, nicht mit an der Mauer der Apartheid zu bauen, denn nach den Worten des südafrikanischen Premiers J.B. Vorster war „jeder Kauf eines südafrikanischen Produktes… ein neuer Baustein für die Mauer unseres Fortbestehens.“ (1972)

Alle Beteiligten haben bleibende Erfahrungen gesammelt:

  • Der Versuch, sich selbst mit den Augen der anderen zu sehen, hat manche Sicherheit erschüttert, die aus einem Überlegenheitsgefühl kommt.
  • Partei zu ergreifen ist mühsamer als Informationen zu vermitteln.
  • Streit zuzulassen, wo Harmonie gefragt ist, erfordert Mut.
  • Den Erwartungen, die Frauen entgegengebracht werden, nicht unbedingt zu entsprechen, macht stark.

Die Aktion „Kauft keine Früchte der Apartheid“ war nicht von langer Hand geplant – etwa, um endlich einmal öffentlich wahrgenommen zu werden. Sie entstand in spontaner Reaktion auf die Frage einer südafrikanischen Schwester nach unserer Solidarität. Erst haben wir versucht, „Zuständige“ für eine Aktion zu finden. Wir hatten an den Deutschen Frauenrat gedacht, der aber aufgrund seiner Satzung ohne einstimmiges Votum nicht tätig werden konnte. Also haben wir es selbst angepackt und uns Boykott-Erfahrungen aus den USA zunutze gemacht. Für die notwendige Diskussion und Abstimmung in den eigenen Reihen war der Schritt in die politische Arena das Ungewohnteste. Die Überzeugung, dass mit kleinen Schritten von Einzelnen und Gruppen wirksame Unterstützung im Kampf gegen die Apartheid geleistet werden konnte, haben nicht alle Mitglieder der EFD geteilt, sie hat aber immer die notwendigen Mehrheiten gefunden.

Es wird nicht immer so eindeutige Ziele geben. Aber es erscheint mir sicher, dass Frauenarbeit nach diesen Erfahrungen nicht mehr unpolitisch sein kann, sondern immer wieder achten muss auf das, was „dran“ ist – und Bundesgenossinnen zum Handeln finden wird.

Hildegard Zumach, Jg. 1926, verheiratet, drei Kinder und zwei Enkelinnen, ist
gelernte Kirchenmusikerin. Von 1978 bis 1992 war sie Generalsekretärin der
Evangelischen Frauenarbeit in Deutschland (EFD).

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