Ausgabe 2 / 2006 Material von Gertrud Lehnert

Kleider, die einen Zauber haben

Von Gertrud Lehnert


Ich bin nach Köln geflogen, um mit der Designerin zu sprechen, deren Mode ich schon lange aufregend finde und von der ich weiß, dass sich unter ihren Kundinnen auch ziemlich viele Lesben befinden. Was eine wundern könnte, wenn man an die Klischeelesbe in Jeans und Holzfällerhemd denkt und dann die vielen Kleider und Röcke im Laden sieht. Was mich aber nicht wundert, weil die Mode der Gesine Moritz fern aller Weiblichkeitsklischees ist.

„Würde“ ist ein Schlüsselwort der Modeschöpferin für ihre Kreationen. Sie dürfen die Kundin nicht bloßstellen, sie nicht lächerlich machen, sondern sollen ihr die Möglichkeit geben, ganz gleich wie jung oder alt, wie dick oder dünn sie ist, sich wohl zu fühlen und eine positive Ausstrahlung zu haben; Seiten an sich zum Ausdruck zu bringen, die vielleicht nicht alltäglich sind, eine gewisse Theatralik zu pflegen, die dennoch nie übertreibt. „Das klingt jetzt komisch, aber ich weiß nicht, wie ich es anders ausdrücken soll. So ein bisschen ist man auch im Dienste der Frauen. Und das ist auch das, was mir daran Spaß macht. Dass man ihnen mit den Kleidern etwas gibt, was ihnen hilft. Was sie schön macht, wenn sie schön sein wollen. Ich habe das oft erlebt, dass Frauen sich verändern durch die Kleider. Dass sie selbstbewusster werden, dass sie anders sprechen, dass sie anders laufen, dass sie – nicht sofort, aber manchmal auch sofort – sich verändern.“ Gesine Moritz sagt, es gelinge ihr manchmal, Kleider zu machen, die einen Zauber haben.

„Mode hat etwas mit Vielfalt zu tun. Die Frauen sind doch alle sehr unterschiedlich. Und ich würde mich nicht wohl fühlen, wenn ich sagen würde, alle müssen jetzt diese Art Kleid anziehen, denn es ist einfach ein Superkleid, und darin werden auch alle Frauen super aussehen – das kann nicht funktionieren.“ Es sind denn auch ziemlich unterschiedliche Frauen, die in den Laden kommen: junge, alte, mittelalte, dicke und dünne, elegante und sportliche, lässige und undefinierbare. Sie alle finden etwas, was ihnen gefällt, zu ihnen passt und ihren Zauber zum Leben erweckt: selbst die Unscheinbarste blüht im richtigen Kleidungsstück auf. Das Kleidungsstück bringt Persönlichkeit hervor, lässt eine andere Facette davon entstehen und der Frau selbst wie allen anderen sichtbar werden. 


aus: Wir werden immer schöner Lesbische Inszenierungen
© Krug & Schadenberg Berlin 2002

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