Genuss
… ist kein Zufall
Für Genuss muss man bereit sein – innerlich wie äußerlich. So lassen sich die Weichen für ein genussvolles Erleben auch dadurch stellen, dass man sich von negativen Klischees befreit.
… braucht Zeit
Dies gilt in zweifacher Hinsicht, denn Genuss kann sich nur entwickeln, wenn in einer aktuellen Situation auch Zeit zur Verfügung steht. Schneller Genuss ist ein Widerspruch in sich. „Slow Food“ statt „Fast Food“. Zudem braucht der Mensch (Lebens-) Zeit, um Genussfähigkeit zu erwerben, aber auch, um persönliche Genüsse entdecken und erfahren zu können. Genießen geht nicht nebenbei. Um genießen zu können, muss man sich auf den genuss-fördernden Reiz konzentrieren und genussstörende Randbedingungen ausblenden können.
… ist immer personenspezifisch
Unterschiedliche Menschen präferieren unterschiedliche Genüsse. Auch lassen sich soziodemographische Unterschiede feststellen, zum Beispiel in Abhängigkeit von Alter und/oder Geschlecht.
… muss erlaubt sein
In einer Erziehung, die Genuss tabuisiert oder bestraft, kann sich keine Genusskompetenz entwickeln. Dies gilt sowohl für den einzelnen Menschen und für gesamte Gesellschaften. Genuss muss erlaubt sein, damit man diesen auf gesunde Art und Weise erleben kann. Wird zum Beispiel der Verzehr zuckerhaltiger Süßwaren als Genusserleben verboten oder ausgeblendet, entstehen daraus Angst- oder Schuldgefühle, die ein wirkliches Genusserleben verhindern.
… will erlernt sein
Ohne Erfahrung kein Genuss. Der Mensch muss lernen, aus der Fülle von Reizen, die ihn täglich erreichen, jene mit Genusserlebnissen herauszufiltern. Und er muss lernen, diese einzuordnen, zu bewerten und differenziert wahrzunehmen.
… ist alltäglich
Genuss ist nicht ausschließlich an besondere Situationen geknüpft. Genussreize können auch gerade im Alltag auftreten und müssen „nur“ entsprechend wahrgenommen, kategorisiert und verarbeitet werden. Man denke hier zum Beispiel an den Espresso, den man im Alltag erlebt oder morgens die erste Tasse Tee, wenn die Kinder aus dem Haus sind. Dabei ist Weniger auch mehr – besteht ein Überangebot an Genussreizen, wird es immer schwieriger, Genuss zu erleben. Völlerei hat nichts mit Genuss zu tun. Es ist daher empfehlenswert, sich selbst im Genusserleben zu beschränken, aber nicht um sich zu beschneiden.
… braucht Risiko
Das Risiko neue Geschmackserfahrungen machen zu wollen, sich einzulassen auf neue Esskulturen. Dazu gehört manchmal auch Mut.
… braucht Verantwortung
Mir schmeckt die Schokolade nur, wenn ich weiß, dass keine Kinderarbeit damit verknüpft ist. Ich kann das Steak nur genießen, wenn das Tierwohl bei der Aufzucht Beachtung gefunden hat.
Genuss und Genießen.
Zur Psychologie des genussvollen Erlebens und Handelns;
Beltz Verlag, Weinheim 1983, S. 11-18
© beim Autor
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