Alle Ausgaben / 2007 Artikel von Beate Kuhl und Renate Sturm-Wutzkowsky

Knoten lösen

Annäherung an das Thema Brustkrebs

Von Beate Kuhl und Renate Sturm-Wutzkowsky


Ich halte das Themenheft „Schönheit“ der ahzw in den Händen. Mir fällt auf, dass darin Worte wie Wunden – Narben – Amputation – Krebs – Brustkrebs nicht vorkommen. Ich denke an unsere Brustkrebspatientinnen, bei denen die Frage: „Bin ich (noch) schön?“eine Rolle spielt. Kann frau sich mit Narben und Verwundungen am eigenen Leibe schön finden?

In meiner gemeindlichen Frauengruppe in Bochum waren wir zwölf Frauen zwischen 55 und 75 Jahren. In den letzten fünf Jahren sind zwei von ihnen an Brustkrebs erkrankt. Die eine kam nach ihrer Genesung weiter in die Gruppe. Sie hatte sich äußerlich verändert und trug einen flotten Haarschnitt. Die andere kam nicht mehr. Vielleicht war sie enttäuscht, weil wir wenig Kontakt zu ihr gehalten hatten? Über „Brustkrebs“ zu sprechen macht Angst. Wie können wir uns trotzdem diesem Thema nähern?


Einige Fakten

In Deutschland ist Brustkrebs die häufigste Krebserkrankung der Frauen; Männer sind nur sehr selten betroffen. Im Jahr 2002 erkrankten in Deutschland laut der Gesellschaft der epidemiologischen Krebsregister über 55.100 Frauen erstmals an Brustkrebs.

Das Risiko, an Brustkrebs zu erkranken, ist nicht in jedem Lebensabschnitt gleich hoch: Erst vom 40. und besonders vom 50. Lebensjahr an steigt das Risiko. Die Statistik(1) besagt, dass unter 30 nur jede dritte von 10.000 Frauen an Brustkrebs erkrankt; bei den über 70-Jährigen steigt die Zahl auf zehn von 100 Frauen. Im Durchschnitt ist jede neunte Frau einmal in ihrem Leben von Brustkrebs betroffen.(2) Doch ältere Frauen gehen seltener zur Untersuchung. Oft haben sie schon lange Veränderungen oder Knoten registriert, die Überzeugung, mit „diesen Frauengeschichten“ nichts mehr zu tun zu haben, lässt sie jedoch zögern, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen. Junge Frauen schätzen sich dagegen oft als viel stärker gefährdet ein, als sie es tatsächlich sind. Das mittlere Erkrankungsalter für Brustkrebs liegt derzeit bei etwas über 62 Jahren.

Die verbesserte Früherkennung, u.a. durch das Mammografiescreening,(3) trägt dazu bei, die Krankheit bei der am meisten gefährdeten Altersgruppe frühzeitig zu behandeln. Die Sterblichkeitsrate für Brustkrebs sinkt insgesamt. Medien, Krankenkassen, Pharmafirmen und Krankenhäuser betreiben eine weit reichende Aufklärung. Es gibt Programme, in denen Frauen die Selbstuntersuchung der Brust lernen. Unsere Erfahrungen in Kirchengemeinden haben gezeigt, dass ein vertrauter Rahmen es Frauen leichter macht, einen Zugang dazu zu finden.

Wir fragen uns: Was hilft, um auch als Betroffene ein erfülltes Leben zu leben? Gibt es Faktoren, die die Krankheit beeinflussen? Hilft uns unser Glaube –und verändert er sich unter dem Eindruck der Erkrankung?


Psychosoziale Faktoren

Die weibliche Brust symbolisiert die Fähigkeit zu nähren, zu stillen, zu beruhigen und zu trösten. Und sie steht für Erotik, Kraft und Energie, Urbild weiblicher Macht. Weil unser Frau-Sein und unser Frauenbild so stark mit unserer Brust identifiziert wird, löst die Dagnose Brustkrebs Verlust- und Todesängste aus, ist mit dem Gefühl der Entwertung und des Verlusts von Weiblichkeit und Erotik verbunden. Sie ruft Ängste vor Einsamkeit, Verlust von Familie und Freunden, vor Schmerzen, Identitätsverlust, Verlust der Selbstkontrolle und vor behandlungsbedingten Nebenwirkungen hervor. Vorstellungen über die eigene Zukunft geraten ins Wanken, die verminderte Leistungsfähigkeit erfordert eine Auseinandersetzung mit dem Selbstbild. Das Empfinden von Autonomie und das Vertrauen in den eigenen Körper werden erschüttert.(4)

Der Verlust bedarf der Trauerarbeit. Gefühle wie Scham, Wut, Kränkung und Schuld müssen verarbeitet werden, um die körperliche Einschränkung akzeptieren zu können. Dazu kommt nach der Entfernung eines bösartigen Tumors die Angst vor einem Rückfall. Erst allmählich lernt frau, sich mit ihrem veränderten Körper zu versöhnen und sich als „gesund“, „geheilt“ anzusehen. Ziel der psychoonkologischen Begleitung ist es, die Ressourcen und Kraftquellen der Patientin zur Krankheitsbewältigung zu aktivieren und den Umgang mit den auftretenden Ängsten, Schmerzen und körperlichen Missempfindungen zu unterstützen. Es ist die Suche nach einem je eigenen, gangbaren Weg durch die Krankheit. Es geht darum, das Leben so zu leben, dass es stimmig ist.

„Ich lebe und ihr sollt auch leben“ heißt die Jahreslosung 2008. In Gesprächen mit betroffenen Frauen wollten wir herausfinden, welche Bedeutung Glaube und Spiritualität beim Finden ihres „gangbaren Weges“ hatten.


Barbara

Barbara, 49 Jahre, merkte vor einem Jahr ihre seelische Erschöpfung. Fast gleichzeitig erkrankte sie. Weil sie davon überzeugt ist, dass körperliche Geschehnisse mit seelischen Dingen verbunden sind, stellten sich ihr Fragen wie: „Was habe ich unterdrückt? Was habe ich mir angetan? Was habe ich übersehen?“ bis zu der Frage, die sie erschütterte und veränderte: „Will ich überhaupt leben?“
Es waren wenige, aber sehr gute Freunde und Freundinnen, die sie begleitet haben. Sie achtet jetzt deutlicher darauf, welche Kontakte ihr gut tun und welche nicht. Sie wagt, Grenzen zu ziehen, nimmt sich mehr Raum und Zeit für sich.
Ihre Kirchengemeinde hat sie nicht als Stütze empfunden. Auf ganz persönliche Weise denkt sie über ihren spirituellen Weg nach, sucht z.B. in der Meditation einen Weg für sich. In der Krankheit ist ihr deutlich geworden, dass der Glaube an Gott für sie verbunden ist mit dem Glauben an sich selbst, mit der Erfahrung, geliebt zu sein. In der Gemeinschaft mit anderen Frauen sucht Barbara einen Weg zu einem positiven, angstfreien Gottesbild.
Welche Erfahrung würde sie gerne weitergeben? „Schau liebevoll und behutsam auf dich, bewerte dich nicht. Vertrau deiner inneren Kraft, dass du mit der Krise umgehen kannst. Die Erfahrung, überlebt zu haben, ist auch eine stärkende Erfahrung.“


Dorothee

Dorothee ist jetzt 63 Jahre alt. Im heißen Sommer vor vier Jahren fühlte sie sich müde und abgeschlagen. Eine Mammografie im Frühjahr hatte kein Ergebnis gezeigt. Aber das Gefühl „Da ist was!“ ließ sie nicht los – bis der Knoten diagnostiziert wurde. Kurz darauf erkrankten ihre ältere und ihre jüngere Schwester ebenfalls an Brustkrebs. Besonders weh tat ihr die Frage: Werde ich die Kinder meiner Töchter nicht mehr aufwachsen sehen? Dorothees seelische Verfassung war schlecht. „Kleinigkeiten hauen einen um“, sagt sie. Der Verlust der Haare durch die Chemotherapien und die Therapie selber machten ihr zu schaffen.
Dorothee, die in ihrer Kirchengemeinde sehr zu Hause ist, brauchte lange, bis sie wieder in die Kirche kommen konnte. Einmal begrüßte sie eine gute Bekannte: „Ach, ein neues Gesicht?“ Gut getan haben viele kleine Grüße und Botschaften, die sie immer wieder im Briefkasten vorfand. Sie wollte keine Literatur über Brustkrebs, keine Fernsehsendungen zu dem Thema, keine psychologische Beratung – nichts, wo weiter über die Krankheit geredet wurde.
Es bleibt eine Unsicherheit, ein gebrochenes Vertrauensverhältnis zum Körper. Ihr ist bewusster, wie kostbar – und wie endlich – die Lebenszeit ist. Sie sortiert, was ihr gut tut und was nicht. „Was nicht sein muss, tu ich mir nicht mehr an.“ In ihren zahlreichen Hobbys findet sie Ruhe und Schönheit, eine Harmonie mit der Welt, „die zum Weinen schön ist“. Es gab Zeiten, da sie sich von Gott verlassen fühlte. Jetzt hat sie zum „schlichten Kinderglauben“ zurückgefunden.
Eine Erfahrung, die sie gerne weitergeben würde? „Du kannst hinterher wieder normal leben – vielleicht sogar besser als vorher. Genieße besonders
die schönen Dinge – nichts ist mehr selbstverständlich.“


Christina

Als Christina (44 Jahre) die Diagnose erfuhr, dachte sie zunächst: „Jetzt ist das Leben vorbei.“ Die Nebenwirkungen der Chemotherapie (Übelkeit, Erbrechen) hatten sie körperlich angeschlagen; die Fingernägel brachen; der Arm, aus dem Lymphknoten entnommen worden waren, wurde dick. Erst als sie drei Wochen später wieder Tennis spielen konnte, fühlte sie sich einigermaßen gut.
Was hat ihr geholfen, durchzuhalten? Am meisten ihre Lebensgefährtin, die Kontakte zum Freundeskreis hielt, als es Christina schlecht ging und sie niemanden sehen wollte. Einige Rituale aus dieser Zeit hat sie in ihren Alltag integriert: einen tibetischen Heilpilz anzusetzen, zu pflegen und regelmäßig zu trinken – das war mit dem Gefühl verbunden: das Gute wächst! Abends noch etwas zusammen zu spielen – das war mit dem Gefühl von Familie und Geborgenheit verbunden. Morgens zwei Tassen grünen Tee im Bett zu trinken. Fragen wie: „Kann ich wieder arbeiten gehen? Habe ich Zukunft?“ beschäftigten sie. Gegen die Angst treibt sie viel Sport, powert sich aus. Das tut ihr gut. Schritt für Schritt testet sie, was sie kann, und lebt von den Erfolgserlebnissen. Kurz vor ihrer Erkrankung hat sie das Klassik-Radio entdeckt, das sie auch während ihrer Krankheit begleitet hat. Musik, die ihrer Seele gut tut, für Entspannung und heilsame Energie sorgt. Sie pflegt und genießt die Freizeit und das Zusammenleben bewusster als früher. Sie ist nicht mehr so geduldig, setzt sich mehr durch, tritt entschiedener auf. Sie hat Selbstschutz-Systeme und setzt sich und anderen Grenzen. Sie geht behutsamer mit ihrem Körper um und achtet auf seine Signale.
Durch einen Pfarrer hat sie Kontakt zu einer Gemeinde gefunden und engagiert sich dort ehrenamtlich. Auch wenn sie sich nicht als sehr religiösen Menschen bezeichnet, ist sie auf der Suche nach dem, was die Seele heilt. „Gott gibt es vielleicht nicht – aber irgendwas Überirdisches, Universelles, eine Kraft, die überall da ist“, sagt sie.
Welche Erfahrung würde sie gerne weitergeben? „Guck, was bei Dir los ist und dran ist. Nimm dir, was du brauchst – nimm nicht so viel Rücksicht auf
andere. Wähle aus, was für dich jetzt das Richtige ist.“

Die Erfahrungsberichte der drei Frauen beschreiben Spiritualität oder Religiosität als einen wichtigen Faktor auf dem Weg der Heilung. Das belegen auch aktuelle Umfragen: Wer glaubt, hat bessere Chancen, mit Krankheit umzugehen. Dabei geht es zunächst gar nicht um Inhalte des Glaubens, sondern um die innere Fähigkeit des Menschen, sich auf eine Dimension einzulassen, die sein Hier und Jetzt überschreitet und mit ihr in Kontakt zu treten, zum Beispiel durch Gebet oder Meditation. Studien belegen, dass insbesondere Krebsbetroffene glauben, dass ihre Krankheit einen Sinn hat. Sie denken darüber nach, was wichtig ist in ihrem Leben, was ihnen Kraft und Halt gibt. Sie beschäftigen sich mit sich selbst und nehmen die Krankheit als Hinweis, etwas in ihrem Leben zu verändern. Sehr häufig sind sie religiös oder spirituell aufgeschlossen. Der Glaube schützt nicht vor Erkrankung – er kann aber helfen, damit umzugehen und besser damit zu leben.


„Bei der Lebendigen sind Auswege aus dem Tod“

Manche Seiten im Internet zeigen, wie Frauen, die von Brustkrebs betroffen sind, ihre Erfahrungen verarbeiten. Eine Frau zum Beispiel fotografiert und unterlegt ihre Fotos mit Texten.(5) Aus allen spricht, wie bewusst sie seit ihrer Erkrankung alles Schöne wieder wahrnimmt, jeden Augenblick, der ihr geschenkt ist. Es sind Zeugnisse einer aus Schmerz und Angst, aber auch aus wieder gewonnener Lebensfreude und Zuversicht geschriebenen Geschichte. Andere Frauen senden Gedichte, in denen sie ihre schlimmen Erfahrungen ausdrücken, die aber auch von Trost, vom Leben, von Hoffnung sprechen. Die Psalmen(6) sind nichts anderes: Lieder, Gedichte, die Menschen in Zeiten der Not und in Zeiten der Freude geschrieben und gesungen haben. Sie hatten eine Adresse, bei der sie sich sicher waren, dass sie hörte, dass sie da war, unmittelbar bei ihnen: Gott.
In manchen Städten feiern von Brustkrebs betroffene Frauen Gottesdienste – zum Beispiel einmal jährlich in der Kirche St. Peter Perlach in Augsburg vor dem Gnadenbild „Maria Knotenlöserin“.(7) Dort predigen dann Ärztinnen und Ärzte, kommen Betroffene zu Wort, suchen Frauen nach ihren Kraftquellen. Maria Knotenlöserin ist eine solche Kraftquelle und ein wunderbares Bild von Gott und von weiblicher Stärke – nicht nur für KatholikInnen. Ein „Urbild“ des Glaubens: Menschen vertrauen darauf, dass sie mit Gottes Hilfe die Knoten ihres Lebens lösen können. Die Gestalt der Maria hilft, sich aus alten Knoten und Verstrickungen zu lösen. Maria zerreißt die Knoten nicht. Sie knüpft sie auf, Knoten um Knoten. Dazu braucht man viel Geduld. Die Knotenlöserin hilft neu anzufangen, wo alte Lebenswege nicht weiter führen. Wenn die Knoten gelöst sind, kann der Lebensfaden wieder neu verbunden, verwebt, verflochten, ver-„wunden“ werden. Die Lebendige schenkt neues Leben.

Für die Arbeit in der Gruppe

Die Frauen sollen die Möglichkeit bekommen, „Knoten in ihrem Leben“ wahrzunehmen, und sie sollen ihre Kraft entdecken, diese Knoten zu lösen – oder mit ihnen weiterzugehen.

Material
– für die Mitte: Tuch, darauf (nicht zu dünner) roter Faden,
   kreuz und quer gelegt, ca. 1 m lange Fäden in der Anzahl der Teilnehmerinnen
– Kopie oder Bildkarte „Maria Knotenlöserin“ für jede Frau (s.S. 44)
– Kopien der Erfahrungsberichte von Barbara, Dorothea, Christina (für
   AbonnentInnen unter www.ahzw.de / Service zum Herunterladen vorbereitet)


Ablauf
1 Was fällt Ihnen zu dem Faden ein? (Nabelschnur, Ariadnefaden, „roter Faden“;
   stricken, abschneiden, anbandeln, den Faden verlieren …)
2 Jede Frau erhält ein Stück Faden. Eine beginnt und sagt etwas von sich (z.B.:
   Was mag oder tut sie gerne? Was gar nicht?). Eine andere knüpft in der Mitte
   ihren eigenen Faden an – und knüpft inhaltlich an eine Aussage der
   Vorgängerin an. Dann wird der Faden von beiden Frauen festgehalten, und die
   nächste knüpft wieder in der Mitte an Faden und Gesagtes an …
3 Das fertige Gebilde wird in der Mitte abgelegt und begutachtet:
   viele Anknüpfungs- und Berührungspunkte, positive Knoten, Netz, tragfähig…
4 Bild der Maria Knotenlöserin gemeinsam betrachten; evt. ergänzt aus der
   Interpretation (S. 66 und S. 44)
5 Die Erfahrungsberichte verteilen und mit verteilten Rollen vorlesen: Was haben
   die Frauen jeweils für sich entdeckt? Was hat sich in ihrem Leben verändert?
   Was berührt Sie – was können Sie nicht gut nachvollziehen?
6 Fantasiereise „Knoten lösen“:
   Jetzt möchten wir uns den Knoten in unserem eigenen Leben zuwenden. Dazu
   lade ich Sie zu einer Fantasiereise ein. (Anrede „Du“ oder „Sie“ nach
   Gewohnheit der Gruppe verwenden)
– Setze dich nun bequem hin. Achte darauf, ob noch irgendetwas stört und
   verändere deine Position, bis es angenehm ist.
– Nun richte deine Aufmerksamkeit auf deinen Atem. Bemerke, wie er ein- und 
   ausströmt, ganz ohne dein Zutun. Achte auf die kühle Luft in deinen
   Nasenflügeln und bemerke, wie die Bauchdecke sich im Rhythmus deines
   Atems hebt und wieder senkt.
– Vielleicht bemerkst du schon jetzt eine leichte Entspannung – und wenn du 
   soweit bist, dann schließ die Augen.
– Nun wandere mit deiner Aufmerksamkeit langsam durch deinen Körper.
   Beginne bei deinen Füßen – wandere zu den Waden – den Knien – den 
   Oberschenkeln – zu deinem Po – dem Geschlecht – Bauch – Rücken – Brust –
   Schultern – Oberarmen –   Unterarmen – Händen. Nun fühle den Hals – den
   Kieferbereich – den Hinterkopf –   den Bereich um deine Augen – deine Stirn.
– Vielleicht magst Du jetzt nach innen schauen, um zu entdecken, wie es um die
   Schnur deines Lebens bestellt ist.
– Stelle dir also dein Leben als eine lange Schnur vor. Schau sie dir an: Wie ist
   sie beschaffen? Hat sie eine Farbe? Ist sie dick oder eher dünn?
   Vielleicht kannst du sie in deinen Händen spüren? Wie fühlt sie sich an?
– Nun verfolge die Schnur – vom Anfang bis heute: Welche Knoten findest du in 
   der Schnur deines Lebens?
– Beginne bei dem ersten Knoten. Verweile ein wenig und erinnere dich, wie das
   damals war, als der erste Knoten in die Schnur geknüpft wurde. Lass die
   Situation vor deinem inneren Auge entstehen. Lass dir Zeit dabei.
– Sieh nun, wie es dir gelungen ist, den Knoten zu lösen, welche Fähigkeiten du 
   entwickelt hast, wie andere dich vielleicht unterstützt haben. Oder wie du den 
   Knoten akzeptiert hast und weiter gegangen bist.
– Und dann geh langsam weiter, Knoten für Knoten. Spür die Schnur in deinen 
   Händen und verweile immer ein Weilchen bei jedem einzelnen Knoten und
   sieh, was du mit ihm gemacht hast. Knoten für Knoten –
   bis zum heutigen Tag.
– Und dann lenke deine Aufmerksamkeit noch einmal auf deine Stärken, 
   Eigenschaften und Fähigkeiten, die dir geholfen haben, mit den Knoten 
   umzugehen, oder die du gerade wegen der Knoten entfaltet hast:
   Vielleicht sind es bestimmte Tätigkeiten, die du gut ausführen kannst?
   Oder du bist eine, die gerne mit anderen Menschen umgeht? Vielleicht hast
   du in verschiedenen Situationen ein gutes Gespür? Oder du hast besondere
   kreative Fähigkeiten?
– Lass dich einfach von diesen Fähigkeiten durchströmen, und vielleicht spürst
   du an einer Aufrichtung deines Körpers, wie stolz du auf sie sein kannst.
– Wie atmet es sich jetzt? Vielleicht kannst du ein rundes Gefühl des 
   Durchströmens spüren. Oder du genießt die beeindruckende innere Haltung.
– Was verändert sich? Lockert sich die Bauchdecke? Lockert sich die Schulter?
   Sitzt du fester oder entspannter auf dem Stuhl?
– Und wenn du auf deinen Atem achtest: Spürst du, wie dein Atem deinen
   Rachen kühlt?
– Beim nächsten Einatmen spüre, wie der Atem sich tief in der rechten Lunge 
   ausbreitet und dann beim nächsten Einatmen, wie er sich tief in der linken
   Lunge ausbreitet.
– Nun komme langsam mit deiner Aufmerksamkeit in diesen Raum zurück.
   Tue ein paar tiefe Atemzüge. Spüre den Raum, der dich umgibt. Höre die
   Geräusche, die es zu hören gibt.
– Beginne langsam die Finger zu bewegen, die Hände ein paar Male zu Fäusten
   zu ballen, recke und strecke dich. Wenn du dazu bereit bist, öffne die Augen.

Fragen zur Auswertung: Wie ist es Ihnen mit der Fantasiereise ergangen? Welche Erfahrungen möchten Sie der Gruppe gerne mitteilen? Welche Wege haben Sie für sich gefunden, mit den Knoten Ihres Lebens umzugehen? Was finden Sie im Bild der Maria Knotenlöserin wieder?


Beate Kuhl,
48 Jahre, ist Dipl. Sozialarbeiterin und Psychoonkologin. Sie erkrankte 2002 an Brustkrebs. Zurzeit arbeitet sie in der Beratung von Brustkrebspatientinnen im St. Anna Hospital in Herne-Wanne.

Renate Sturm-Wutzkowsky, 54 Jahre, ist verheiratet und Mutter von drei (fast) erwachsenen Kindern.
Die Pfarrerin arbeitet seit 1994 als Krankenhausseelsorgerin, derzeit ebenfalls im St. Anna Hospital in Herne-Wanne.


Anmerkungen

1 www.krebsgesellschaft.de
2 www.krebsinformationsdienst.de
3 Das ist die flächendeckende radiologische Brustuntersuchung aller Frauen in Deutschland zwischen dem 50. und 69. Lebensjahr.
4 Viele Untersuchungen z.B. GREER et al. 1992, SPIEGEL et al.1989, FAWZY 1994 deuten darauf hin, dass eine psychotherapeutische Begleitung sich positiv auf die Lebensqualität und -erwartung von KrebspatientInnen auswirkt.
5 www.lebenmitkrebs-monlei.de. Andere Frauen haben eine Zeitschrift gegründet: Mamma mia – Das Brustkrebsmagazin; siehe: www.mammamia-online.de
6 Die Überschrift dieses Kapitels ist der Vers 21b aus Ps 68 in der Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache.
7 siehe Seite 44

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