Ausgabe 1 / 2008 Artikel von Petra Stubakow

Kochstudio

Merkpunkte für den Einkaufszettel

Von Petra Stubakow


Kochshows boomen auf allen Fernsehsendern, und zahllose Frauenmagazine bieten wöchentlich neue Rezepte zum Nachkochen. Doch obwohl Essen und Trinken in unserem Leben eine wichtige Rolle spielen, sind die Ausgaben für Lebensmittel in den letzten Jahren im Verhältnis zum Einkommen immer weiter gesunken. Mussten 1950 noch 43,4 Prozent eines mittleren monatlichen Einkommens für den Lebensmitteleinkauf aufgebracht werden, so waren es im Jahr 2003 nur noch 11 Prozent, während die Ausgaben für Bekleidung, Miete und Energie konstant steigen.

Und warum sind die Ausgaben für das, was uns am nächsten kommt und so direkten Einfluss auf unseren Körper und unsere Gesundheit hat, nicht höher geworden, sondern im Gegenteil gesunken? Besonders in Deutschland war der Trend zu „billigen“ Lebensmitteln in den vergangenen Jahren zu beobachten. Während in anderen EU-Ländern viel Wert auf qualitativ hochwertige Lebensmittel gelegt wird, schauen die Bundesbürgerinnen und -bürger häufig vor allem auf den Preis.


Teuer bezahlt

Welchen Preis wir für „günstige“ Lebensmittel wirklich zahlen, zeigen die Skandale, die uns Tageszeitungen und Fernsehen fast täglich ins Haus bringen: gepanschte Weine, verdorbenes und wieder „aufbereitetes“ Fleisch, durch Pflanzenschutz- und Düngemittel hoch belastetes Gemüse. Jede dieser Nachrichten verrät, womit wir unseren Billigeinkauf bezahlen. Die niedrigen Lebensmittelpreise beruhen häufig auf Anbau- und Produktionsmethoden, die langfristig nicht nur unsere Gesundheit und unsere direkte Umwelt schädigen, sondern im Zuge der Globalisierung auch weit entfernte ProduzentInnenländer betreffen. Auch die dort Beschäftigten bezahlen für unsere Sparsamkeit mit ihrer Gesundheit. Zudem erzeugt der immense Preisdruck durch Billigimporte und Massenproduktion auch Existenz bedrohende Bedingungen für die heimischen landwirtschaftlichen Betriebe kleiner und mittlerer Größe. Mit dem Wegfall dieser Betriebe aber geht die Lebensmittelherstellung in die Hände einiger weniger Produzenten über, denen nun der verantwortungsbewusste Umgang mit der Gesundheit der Bevölkerung obliegt.

Aber auch die Verantwortung jeder und jedes Einzelnen für die eigene Ernährung und die der Familien wurde in den letzten Jahren häufig vernachlässigt. Zu selten wurde über Qualität und Menge der verzehrten Lebensmittel und die Auswirkungen auf unsere Gesundheit nachgedacht. Die Zubereitung und oft auch der Verzehr der Mahlzeiten mussten für die meisten vor allem schnell und einfach gehen. Die Nahrungsmittelindustrie lieferte die entsprechenden Produkte. Und so aßen viele oft das Falsche: zu viel, zu fett und zu süß! Ernährungsbedingte Krankheiten und übergewichtige Kinder, Jugendliche und Erwachsene haben Politik und VerbraucherInnen nachdenklich gemacht und KonsumentInnen dazu angeregt, genauer hinzusehen – und dabei einige recht einfache Tipps zu beachten.


Tipp 1: regional einkaufen

Direkt auf dem Bauernhof oder bei einer ErzeugerInnengemeinschaft einzukaufen, bringt uns näher an die ProduzentInnen.(1) Ein Besuch auf dem Bauernmarkt in unserer Nähe führt uns vor Augen, dass auch die Lebensmittel aus heimischer Produktion abwechslungsreich und lecker sein können. Ganz nebenbei unterstützen wir mit unserem Einkauf dort die heimische Wirtschaft und schaffen bzw. erhalten regionale Arbeitsplätze. Auf der Grundlage verlässlicher Abnahmemengen kann sich die heimische Landwirtschaft auf natur- und umweltschonende Anbaumethoden einlassen, ohne vor dem Preisdruck der großen Lebensmittelketten in die Knie zu gehen. Mit unserem regionalen Einkauf tragen wir zudem dazu bei, lange Transportwege für Lebensmittel zu vermeiden, und ersparen unserer Umwelt damit eine große Menge von Abgasen, die der Transport mit dem LKW oder – bei Ware aus Übersee – mit dem Flugzeug verursachen würde. Um es einmal anschaulich zu machen: Mit dem Energieaufwand, den es braucht, wenn wir 1 kg Kiwi aus Neuseeland kaufen, könnten wir 6.800 kg Obst aus unserer Region und der näheren Umgebung anliefern lassen. Denn die neuseeländischen Kiwis haben, bis sie in unserem Supermarkt liegen, bereits einen Weg von 18.000 km zurückgelegt – selbst Kiwis aus Italien hätten dagegen nur 1.500 km hinter sich.

Bei folgenden Produkten sollten wir besonders darauf achten, Angebote aus regionaler Herkunft auszuwählen:
– Obst und Gemüse, Kartoffeln
– Eier
– Milch, Milchprodukte, Käse
– Brot und Backwaren
– Konfitüren und Säfte,
– Mineralwasser.
Gerade für diese Lebensmittel gibt es in nahezu allen Gegenden Deutschlands ein breit gefächertes regionales Angebot.


Tipp 2: saisonal einkaufen

Wer bewusst regional einkauft, wird fast automatisch anders auswählen. Wir haben uns daran gewöhnt, dass unsere Supermärkte jederzeit voll von verschiedensten Obst- und Gemüsesorten sind. Durch das saisonunabhängige Einheitsangebot in Kaufhäusern und Supermärkten haben viele Verbraucherinnen und Verbraucher das Verständnis für regionale und saisonale Produkte völlig verloren. Wer weiß noch, welche Frucht wann reif wird? Erdbeeren zu Weihnachten, Salatgurken und Tomaten im Februar – wir kaufen, worauf wir gerade Appetit haben. Dass die Produkte geschmacklich nicht immer halten, was der äußere Anschein verspricht, merken wir erst später. Und noch viel später merken wir dann, dass Produkte, die außerhalb der Saison angeboten werden, besonders hohe Pestizidrückstände aufweisen. Und auch hier fallen für die Importprodukte lange Transportwege mit hoher Umweltbelastung an: Spargel aus Chile bringt es für Herstellung und Lufttransport auf fast 17 Kilogramm Kohlendioxid, während es bei einheimischem Spargel gerade einmal 60 Gramm sind.

Und wer einmal mit vollen Körben und vollen Bäuchen mit den Kindern vom Erdbeerfeld zurückkam und anschließend die süße Pracht zu köstlicher Konfitüre, leckerer Erdbeermilch oder sahniger Torte verarbeitet hat, weiß einzuschätzen, was uns die Supermärkte mit hohem Werbeaufwand als „Erlebniseinkauf“ anbieten. Der Genuss der selbst zubereiteten Köstlichkeiten lehrt zu schätzen, was für ein Unterschied sich schmecken lässt zwischen den sonnenbeschienenen und ausgereift geernteten Erdbeeren und ihren eingeflogenen „grünen“ Kolleginnen.


Extratipp: Ökokisten

Einen regionalen Liefer-Service der besonderen Art bietet das bundesweite Netz der „Ökokisten“: Obst und Gemüse, Brot, Eier, Honig und viele andere Produkte, allesamt nach Demeter-Richtlinien hergestellt. In vielen Städten Deutschlands bieten Bauern oder Erzeugergenossenschaften diesen Service für gesunde Lebensmittel an. Je nach Lieferrhythmus bekommen die KundInnen zum Beispiel einmal in der Woche eine Kiste voll mit Lebensmitteln für die gesunde Küche. Dabei kann der Inhalt nach persönlichen Wünschen selbst zusammengestellt werden – oder aber, die AnbieterInnen wählen aus und Sie erhalten eine „Überraschungskiste“. Dabei landen dann manchmal auch Obst- und Gemüsesorten in der Kiste, die wir sonst nie gekauft hätten. Aber keine Sorge: als zusätzlichen Service erhalten Sie mit der Kiste oft auch die passenden Rezepte! Und so können aus Mangold, Topinambur und Steckrüben leckere Gerichte werden, die den täglichen Speiseplan überraschend erweitern. Diese Einkaufsmöglichkeit macht es auch Familien ohne eigenes Auto möglich, ökologisch produzierte Lebensmittel zu beziehen. Daneben ist auch hier wieder der Umweltgedanke zu beachten: Ein Lieferant beliefert auf seiner Tour zum Beispiel zehn KundInnen. So wird statt zehn individuellen Fahrten zum Erzeugerbetrieb nur eine einzige (möglicherweise nur geringfügig längere) Fahrtstrecke nötig.
Info unter: www.oekokiste.de

Saisonal einkaufen bedeutet übrigens auch preiswert einkaufen. Wie überall in der Wirtschaft regulieren auch beim Lebensmittelangebot Angebot und Nachfrage den Preis – wie sich etwa beim heimischen Spargel in jedem Jahr beobachten lässt. Liegen die Preise zu Beginn noch in schwindelnden Höhen, wird der deutsche Spargel mit steigender Angebotsmenge immer günstiger. Zudem bietet der Direktvertrieb neben den ganzen Stangen 1. Wahl auch noch die Möglichkeit, für Aufläufe oder Suppen auf Bruchspargel oder eine niedrigere Handelsklasse auszuweichen. A propos Handelsklassen: Diese geben ausschließlich Auskunft über das makellose Aussehen der Ware und nicht über Qualität oder Geschmack! Obst und Gemüse kann also auch köstlich sein, obwohl es nicht makellos aussieht…


Tipp 3: fair einkaufen

Neben all den Produkten, bei denen wir durch bewusste Auswahl den Ort und den Zeitpunkt von Herstellung und Ernte beeinflussen können, gibt es auch viele Produkte, die in unserer Umgebung nicht wachsen. Orangen, Zitronen und andere Zitrusfrüchte, die in allen Altersklassen beliebten Bananen, Kaffee und auch Leckereien wie Kakao und die daraus hergestellte Schokolade können wir großenteils in Deutschland und den umliegenden Ländern nicht anbauen. Sie müssen also eingeführt werden. Das Preisdiktat der Abnehmerländer erzeugt einen immensen Druck auf die produzierenden Länder. Um diesem Druck standzuhalten, bleiben umweltverträgliche Produktionsweisen und der Schutz der Plantagen- und LandarbeiterInnen häufig auf der Strecke. Der großflächige Einsatz von Unkraut- und Insektenvernichtungsmitteln schadet Mensch und Umwelt. Und auch die gerechte Bezahlung der Arbeitskräfte in den exotischen Herkunftsländern bleibt häufig unbeachtet.

Seit über drei Jahrzehnten sorgt die Aktion „Fairer Handel“ dafür, dass immer mehr Konsumentinnen und Konsumenten beim Einkauf auf Produkte achten, die den ProduzentInnen ein faires Einkommen garantieren und weder Mensch noch Umwelt ausbeuten. Die Organisation für fairen Handel bringt qualitativ hochwertige, oft zudem biologisch hergestellte Produkte auf den Markt und sichert durch garantierte Preise ein menschenwürdiges Leben für die ProduzentInnen.


Fazit:

Einkaufen, Kochen und Essen – das betrifft uns alle unmittelbar, liegt in den meisten Haushalten aber immer noch überwiegend in den Händen von Frauen. Damit haben Frauen große Macht, aber auch Verantwortung. Die Entscheidung, welche Produkte eingekauft werden und wo sie gekauft werden, verschafft ihnen eine starke Position, die sie nutzen können. Denn jede Verbraucherin entscheidet durch ihren Einkauf, was künftig angeboten werden wird.


Für die Arbeit in der Gruppe

Ziel: Die Teilnehmerinnen lernen die Vorteile von regionalem und saisonalem Einkauf kennen. Sie entdecken, wie viel Spaß es macht, Produkte der Saison zu fantasievollen und trotzdem preisgünstigen Gerichten zu verarbeiten.

Vorschlag 1

Die Leiterin gibt einen Menuvorschlag vor. Eine Gruppe bereitet das Menü mit Produkten aus konventionellem Anbau bzw. dem Supermarkt zu, die andere Gruppe mit Lebensmitteln aus ökologischem Anbau. (Meist ist der Preisunterschied gering!)

Beim anschließenden gemeinsamen Essen wird diskutiert, was den Einzelnen die persönliche Gesundheit und die Schonung der Umwelt „wert“ ist: Wofür bin ich bereit, mehr Geld auszugeben, was liegt innerhalb meiner finanziellen Möglichkeiten?

Vorschlag 2

Die Gruppenmitglieder erarbeiten gemeinsam einen Saisonkalender: Welches (einheimische) Obst und Gemüse hat in welchem Monat, bzw.
in welcher Jahreszeit Hochsaison?

Dann kann anhand einer Liste aus dem Internet (z.B. www.cma.de) überprüft werden, wie gut die Teilnehmerinnen die Wachstumsperioden kennen – und bei welchen Produkten die heimischen Erntetermine nicht mehr bewusst wahrgenommen werden.
Schließlich können Rezepte für die aktuelle Jahreszeit ausgetauscht werden.

Vorschlag 3

Besuch auf einem Ökohof mit Direktvermarktung oder in einem Laden mit fair gehandelten Produkten (vielleicht mit Verkostung?)




Petra Stubakow, 42 Jahre, hat zunächst als Groß- und Außenhandelskauffrau gearbeitet. Während der Erziehungszeit hat sie sich zur staatlich anerkannten Hauswirtschafterin und zur Meisterin der städtischen Hauswirtschaft ausbilden lassen und freiberuflich u.a. „Zeitmanagement für Familienfrauen“ unterrichtet. Seit 2003 arbeitet sie als Ausbilderin im vorberuflichen Bereich des Berufsbildungswerks Bremen und ehrenamtlich im Bundesverband der Meisterinnen und Meister der Hauswirtschaft, dessen Bundesvorsitzende sie zurzeit ist.


Anmerkungen

1 Da der Einkauf beim Bio-Bauern für große Familien oder Familien, denen kein Auto zur Verfügung steht, aus Kosten- wie Zeitgründen schwierig sein kann, darf der Hinweis auf die Bio-Angebote der großen Ketten nicht fehlen. Strenge Tests von Bio-Produkten haben gezeigt, dass die Angebote der großen Einkaufsmärkte den Vergleich mit den Bio-Läden nicht scheuen müssen. Die großen Ketten bieten inzwischen ein Sortiment biologisch produzierter Lebensmittel zu vernünftigen Preisen an. Bei Bedarf ist dies durchaus eine gute Möglichkeit, gezielt umweltfreundlich produzierte und qualitativ hochwertige Produkte zu kaufen.


Zum Weiterlesen

Erica Bänziger (Hg.): Was koche ich heute? 365 Rezepte für jeden Tag, Edition FONA 2006
Dies.: Das Fair-Trade-Kochbuch, Edition FONA 2006
Preiswert durchs Jahr, erhältlich bei: aid-Vertrieb, Birkenmaarstr. 8, 53340 Meckenheim oder per Email (bestellung@aid.de) oder Internet (www.aid.de)
Elisabeth Veit: Marktfrisch genießen, BLV Vertriebsgesellschaft 2002

Internetseiten:
www.cma.de (Saisonkalender und viele passende Rezepte)
www.oekokiste.de
www.oekotest.de
www.transfair.org
www.gepa.de

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