Ausgabe 2 / 2005 Material von Barbara Schlüter

Körpersprache

Von Barbara Schlüter


Wie stark Körpersprache Machtverhältnisse widerspiegelt, zeigt besonders ein Blick in die Geschichte. Als die Machtverteilung zwischen Frauen und Männern anders aussah, spiegelte sich dies auch deutlich in der Körpersprache wider. Skulpturen und Reliefs stellen dar, wie anders die Körpersprache der beiden Geschlechter aussah – wie anders als die Körpersprache, die uns heute so natürlich erscheint.

Im alten Ägypten z.B. umfassten die Frauen besitzergreifend ihre Männer. In der Körperhaltung sind kaum geschlechtsspezifische Unterschiede festzustellen. So nehmen Frauen und Männer die gleiche Sitzhaltung mit leicht gespreizten Beinen ein. Häufig sind die abgebildeten ägyptischen Männer nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen. Das Ideal der Körperformen von Frauen und Männern scheint sich dann etwas mit Beginn des Neuen Reiches (ca. 1557 v. Chr.) verändert zu haben. Die Darstellungen der Männer dieser Zeit zeigen Brüste, breite Hüften und eine schlanke Taille. Offenbar entsprach das Ideal für beide Geschlechter nun dem, was wir heute als „typisch weiblich“ bezeichnen.

Bis zum 4. Jahrhundert v. Chr. saßen die Griechinnen hingegen in heute typischer Männerpose: breitbeinig und raumgreifend. Sie wurden zunächst gar breitschultriger und kräftiger als die Männer dargestellt. In den folgenden Jahrhunderten veränderten sich die Darstellungen. Die Frauen wurden zunehmend in leicht gebeugten Standbein-Spielbein-Haltungen gezeigt, die Posen der Männer hingegen wurden raumgreifender. Außerdem wurden die Frauen häufiger – wie zuvor eher die Männer – nackt dargestellt. Die Darstellungen aus der vorrömischen und römischen Geschichte lassen kaum Unterschiede in der Körperhaltung erkennen. Die Stellung der Frau blieb bei den Römern lange sehr gefestigt.
Erst dem Christentum war es vorbehalten, dies nach drücklich zu ändern.

Auch die fortschreitende Unterdrückung der Frauen in ganz Europa lässt sich an einem Vergleich der körpersprachlichen Darstellungen anhand von Skulpturen und Bildern deutlich ablesen. (11.-19. Jahrhundert).
Der Umbruch in der Körperhaltung der Frauen begann sich bereits in der Frührenaissance (etwas Mitte des 14. Jahrhunderts) mit Beginn der sogenannten Hexenverfolgungen, die 400 Jahre lang wüteten, abzuzeichnen.  Frauen wurden nun z.T. mit der ganz engen Beinhaltung im Sitzen dargestellt, wie es dann im 19. Jh. ein allgemein für Frauen verbindliches „Ideal“ wurde.

Auch die Darstellung der Muttergottes, Maria (und auch anderer weiblicher Heiliger), vom 11.-18. Jahrhundert, zeigt verblüffend den Wandel an. Maria wird bis ins 14. Jh. noch als „gestandene“, Selbstsicherheit ausstrahlende Frau dargestellt, mit ähnlich ausgeprägten Gesichtszügen wie die männlichen Skulpturen der Zeit. Dann jedoch wird die Darstellung in das sogenannte „Kindchenmuster“ gepresst: das Köpfchen meist schräg geneigt, die Augen meist bescheiden gesenkt, „oft lächelnd, mit völlig passivem, leicht verblödetem Gesichtsausdruck“. Harte Worte? Vielleicht sind Sie neugierig geworden und Sie betrachten einmal Darstellungen in Kirchen, Museen und Büchern genauer. Sicher sind die hier kurz dargestellten Forschungen zur historischen Entwicklung der Körpersprache nicht unumstritten. Aber genaueres Hinsehen kann ein spannendes Stück Detektivarbeit sein und die Wahrnehmung für vergangene und gegenwärtige Körpersprache schärfen.
Sie sehen, liebe Leserin, die heute übliche weibliche Körperhaltung zu erzielen – dazu hat es vieler, vieler Jahrhunderte gebraucht …
Ob es auch viele Jahrhunderte brauchen wird, bis sich der körpersprachliche Ausdruck von Machtverhältnissen wieder wandelt? 

aus: Rhetorik für Frauen © mvg-verlag Landsberg a.L. 1998

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