Alle Ausgaben / 2011 Artikel von Dagmar Krok

Köstlicher Duft und Segen

Zuhause mit Salbei und Weihrauch

Von Dagmar Krok


Nachdem ich selbst gute Erfahrungen mit dem Reinigen und Segnen von Räumen gesammelt habe, werde ich immer wieder einmal darum gebeten, eine neue Wohnung oder ein Büro in dieser Form zu segnen. Nach dem Räuchern und Reinigen mit Salbei ziehen wir Weihrauch schwenkend und singend durch die Räume: „Segne Gott, was Deine Hand uns in Gnaden zugewandt. Amen.“ Wir halten Fürbitte und beten um den Segen Gottes für den Ort und die Menschen, die hier wohnen und arbeiten.

In diesem Ritual verbinden sich altes Wissen und Weisheit von Natur- und christlicher Religion.

Wo Lieb im Hause wohnt

Es ist noch nicht lange her, dass in den Wohnungen der „Haussegen“ hing,
als Erinnerung und tägliche Ermahnung und Zuspruch, zum Beispiel: „Wo Lieb im Hause wohnt, der Segen Gottes thront.“ Gerne wurde der Haussegen zu Hochzeiten verschenkt, er sollte das Haus, die Bewohner und insbesondere die junge Familie beschützen.

Eine jährliche Erneuerung des Segens für Haus und Wohnung vollzieht sich in der Tradition der Sternsinger. Als Heilige Drei Könige ziehen sie von Haus zu Haus, sammeln für einen guten Zweck und sprechen den Segen über das Haus und seine Bewohnerinnen und Bewohner.
C – M – B zeichnen sie mit Kreide über die Haustür: Die Anfangsbuchstaben
aus „Christus mansionem benedicat“, Christus segne dieses Haus. Interessanter Weise hatten die Könige in der biblischen Geschichte Weihrauch und Myrre als kostbare Geschenke bei sich – beides eignet sich gut zum Räuchern und wird traditionell für liturgische Handlungen verwendet.

Aber warum segnen wir Räume? Wir leben in einer Zeit, die uns auf allen Ebenen ein hohes Maß an Beweglichkeit abverlangt. Veränderungen und Umbrüche gehören zum Alltag, der persönliche Lebensweg verläuft nur in den seltensten Fällen zuverlässig geradlinig. Da wächst die Sehnsucht der Menschen nach Beständigkeit, nach Geborgenheit, nach Zuwendung, nach einem unbedingten Ja. Da wächst die Sehnsucht nach Segen.

Dieser Segen soll in den Alltag einziehen, soll die Orte, an denen wir unsere Tage verbringen, erfüllen. Soll die schlechten Erfahrungen, die noch „in der Luft hängen“, vertreiben und Raum schaffen für Ruhe und Klarheit, für Kreativität und ein gutes Miteinander. Für den Benediktiner Anselm Grün ist es darum „ein guter Brauch, das Haus, in das ich einziehe, segnen zu lassen. Wir haben dann das Gefühl, in Räumen zu wohnen, die voll sind von Gottes Liebe.
Ich fühle mich darin daheim, weil das Geheimnis Gottes in ihnen wohnt. Als Familie sind wir nicht nur mit unseren Emotionen und Konflikten beschäftigt. Der Segen Gottes ist die Verheißung, dass unser Miteinander gesegnet ist, und dass wir selber Segen bringen für andere.“(1)

Wenn wir die Räume segnen, erkennen wir dankbar an, dass dieses Haus, diese Wohnung, dieses Büro Geschenke Gottes sind, und wir laden Gott ein, darin zu wohnen. Das Segensritual setzt uns in Beziehung zum segnenden Gott. Wir erfahren Gottes Zuwendung und werden an die Verheißung eines Lebens in Fülle erinnert. Unser Engagement und eigenes Bemühen wirkt durch den Segen, beflügelt durch die zugesagte Gnade Gottes, die weit über menschlich Mögliches hinausgeht. Hanna Stracks Erfahrung ist: „Segen bekräftigt uns an unserem Ort, gibt uns Würde und lässt uns die Gegenwart der guten Mächte erfahren. So kann eine Situation zur Begegnung mit dem Heiligen werden.“(2)

Segen kann einziehen

Durch das Räuchern wird sichtbar und riechbar, dass wir mit Gott in Beziehung treten. Rauch steigt auf und der Duft von Salbei und Weihrauch füllt die Räume. Seit der Erfindung des Feuers war der duftende Rauch, der aus dem Feuer zum Himmel emporsteigt, für die Menschen ein Symbol für den Wechsel von der irdischen in die geistige Welt. Im alten Orient war die Vorstellung verbreitet, dass eine Gottesbegegnung mit einem Dufterlebnis verbunden ist. Knüpfen wir an die katholische und orthodoxe Liturgie an, so steigen mit dem Weihrauch unsere Gebete auf zu Gott – und zugleich können wir den Himmel riechen. Und Gott riecht uns, so wie er den beruhigenden Duft in der Noah-Geschichte wahrgenommen hat (Gen 8,21).

Mit dem Räuchern des Salbeis bereiten wir den Raum auf den Segen vor. Salbei ist ein wichtiges Heilkraut für vielerlei Beschwerden. Er wirkt dank seiner ätherischen Öle Thujon, Campher und Lineol desinfizierend und hat eine energetische Reinigungswirkung. So vertreibt er negative und störende Energien oder bedrückende Stimmungen. Diese können verschiedene Ursachen haben, wie Streit, Krankheit oder die Stimmung, die im Raum bleibt, wenn jemand sein Leid geklagt hat. Der Ausspruch „Hier hängt was in der Luft“ verdeutlicht, dass wir diese Energien spüren können. Der Salbei klärt die Luft und fördert Konzentration und geistige Klarheit. Das Alte, Belastende wird verabschiedet, im erneuerten Raum ist Leben (wieder) möglich, Segen kann einziehen.

Möge sich köstlicher Duft und Segen ausbreiten –
Ein Zuhause segnen


Zum Räuchern wird eine feuerfeste Form benötigt, die gut getragen werden kann. Sie wird mit etwas Vogelsand befüllt, auf den glühende Kohle gelegt oder auf dem Räucherkohle angezündet wird. Der getrocknete Salbei kommt auf die Kohle, ebenso später der Weihrauch.

– Zunächst werden alle Anwesenden begrüßt und wird kurz erklärt, wie das Haus gesegnet werden soll.

– Nach einem Votum zur Eröffnung betreten alle das Haus oder die Wohnung.

– Der Salbei wird auf die Kohle gelegt und entzündet sich. Wir bitten Gott, das Negative aufzunehmen und zur Erlösung zu führen. Dann gehen wir mit dem Räuchergefäß im Uhrzeigersinn von Raum zu Raum, singen Loblieder oder sprechen Gebete, die zu den Räumen passen. Im Bad zum Beispiel: Guter Gott! Danke für unseren Körper und die Sinne: für die Augen, die Hände, die Ohren, die Nase, den Mund. Sei bei uns, wenn wir uns pflegen und waschen. Die Fenster sollen geöffnet sein und der Rauch in alle Ecken gelangen. Hat die Wohnung mehrere Etagen, beginnen wir im untersten Raum, da der Rauch von unten nach oben steigt.

– Ist der Salbei verraucht, begeben wir uns wieder in den ersten Raum und legen nun Weihrauch auf die Kohle. Es wird ein Segensgebet gesprochen. Anschließend bewegen wir uns, Segenslieder singend, durch alle Räume und schließen dabei die Fenster.

– Dann wird ein abschließendes Segenswort gesprochen – etwa folgender Haussegen:

Segne, Gott, dieses Haus
und alle, die hier wohnen
für kurze Zeit oder auf Dauer,
dass wir einander Heimat schenken.

Segne, Gott, unsere Liebe,
dass die Umarmung nicht zur
Umklammerung
und die gereichte Hand nicht zur Fessel wird.

Segne, Gott, unsere Träume und Sehnsüchte,
dass sie uns nicht blind machen
für die Wirklichkeit des Lebens.

Segne, Gott, unsere Schwächen,
dass sie anderen nicht zum Unheil
werden.

Segne, Gott, unseren guten Willen,
dass er nicht in Selbstgefälligkeit
ausartet.

Segne, Gott, unseren Frieden,
dass er die Unruhe deines lebendigen Geistes
in uns nicht erstickt.

Segne, Gott, unseren Tod,
damit wir nicht aus Furcht vor ihm
das Leben verlernen, sondern ihn im Herzen tragen
als eine willkommene letzte Brücke zu dir.

Segne, Gott, dieses Haus und alle
Bewohner.

VerfasserIn unbekannt(3)

Zum Abschluss bietet sich ein gemeinsames Essen an. Der Duft von Salbei und Weihrauch erinnert noch einige Zeit an das Ritual und seine segnende Kraft.

Dagmar Krok, Jahrgang 1965, ist Dipl.-Sozialpädagogin und Diakonin. Sie ist im Nordelbischen Frauenwerk zuständig für die Vernetzung der Frauenarbeit in den Kirchenkreisen und die Konzeptentwicklung. Auf Bundesebene engagiert sie sich u.a. als Mitglied im Redaktionsbeirat ahzw.

Anmerkungen:
1 http://www.liborius.de/unser-glaube/autoren/fragen-sie-pater-anselm-gruen/segen-fuer-das-haus.html
2 Segen strömt aus der Mitte, Segenstexte von Hanna Strack, Mandalas von Sigrid Kaußler-Spaeter; mehr dazu unter www.hanna-strack.de
3 gefunden in: Gesegneter Weg, Segenstexte und Segensgesten herausgegeben von Martin Schmeisser, Verlag am Eschbach, 1997

Infokasten:
Salbei

– klärt und reinigt
– vertreibt negative und störende Energien
– fördert die Konzentration
– stärkt die Abwehrkräfte
– findet vielfältige Verwendung als Heilpflanze

Nach einer alten christlichen Sage kam der Salbei auf folgende Art zu seinem Namen: Auf der Flucht vor Herodes geriet die Heilige Familie in große Not. Die Verfolger kamen näher und kein Ort war in Sicht, wo sie sich hätten verstecken können. Maria bat alle Pflanzen des Feldes um Unterstützung, aber keine gewährte ihr Obdach. Doch beim Salbei fanden sie Hilfe. Der Busch wuchs und wuchs und wurde der Familie zur Hütte und sicherem Versteck. Nachdem die Gefahr vorüber war, segnete Maria die Pflanze mit Heilkraft. Seither trägt sie den Namen Salbei, was so viel bedeutet wie „Strauch, der das Heil der Welt barg.“

Warnung: Bei Schwangeren, Erkrankungen des Nervensystems und Epilepsie nicht mit Salbei räuchern.

Weihrauch
– klärt und reinigt
– wirkt schmerzstillend und entzündungshemmend

Weihrauch gilt als das Gold der Düfte, ist Symbol für Macht und Reichtum. Seit je her wird er für kultische Handlungen genutzt, indem sein Harz erhitzt und „verräuchert“ wird. Im altägyptischen Totenkult wurde ihm eine Macht gegen die Kräfte und den Geruch des Todes zugesprochen und wurde er auch für die Mumifizierung genutzt. In römischer Zeit ersetzte die Verbrennung von Weihrauch andere vorgeschriebene Opfer. Gott und Kaiser wurde mit Weihrauch gehuldigt.

Im Christentum wurde Weihrauch zum Symbol für Christus – das Weihrauchgefäß, das „allen überweltlichen und alles Kreatürliche übertreffenden Duft in sich trägt und mit ihm das All erfüllt“ (Cyrill von Alexandrien). In der katholischen Liturgie symbolisiert der Weihrauch Reinigung und Verehrung ebenso wie das nach Psalm 141 zu Gott aufsteigende Gebet, während er in der orthodoxen Liturgie als Duft des Himmels verwendet wird.

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