von Dagmar Krok
Bausteine gehören zu den ältesten und kreativsten Spielzeugen überhaupt. Die einfachen geometrischen Grundformen wie Quadrat, Dreieck oder Rechteck regen die Fantasie an, fördern das abstrakte Denken und die Motorik und ermöglichen vielfältige Rollenspiele. Ganz nebenbei lernen Kinder so physikalische Gesetzmäßigkeiten und erfahren, dass sie ihre Umwelt gestalten können, zum Beispiel, indem sie Türme bauen und die wieder zum Einsturz bringen. Bausteine regen an und fordern Problemlösungen heraus, manchmal fordern sie Geduld und Ausdauer, und sie ermöglichen das Gefühl etwas geschaffen zu haben. Mit Bausteinen lässt sich erfahren: Ich kann die Welt (mit-) gestalten. Ich kann etwas schaffen. Dieses Selbstbewusstsein ist eine wichtige Ressource, die wir bis ins hohe Alter brauchen.
Anregung für eine Gruppenarbeit
2 | Nachbau biblischer Geschichten, auch als Mehrgenerationenprojekt
Das Arbeiten mit Bau- oder Legosteinen eignet sich auch gut dazu, sich biblischen Geschichten anzunähern. Nach dem Hören der Geschichte – zum Beispiel die Schöpfungsgeschichte, Abraham und Sarah, Paulus und Silas im Gefängnis – werden die Teilnehmer*innen aufgefordert, die Geschichte in kleinen Gruppen nachzubauen beziehungsweise einzelne Aspekte daraus oder Ideen und Gedanken dazu aufzubauen. So wird die Geschichte gehört, ertastet, gestaltet. Sie entsteht durch die eigenen Baufertigkeiten neu, kann angeschaut und gezeigt werden. Das macht allen Generationen Freude und kann gemeinsam ausprobiert werden.
Woher bekomme ich Baumaterial?
Oder es sind – auf den zweiten Blick sicher! – verschiedene Geschichten unter diesem einen Dach: Kartons auf dem Dachboden mit Überresten vergangener Phasen einer Glaubensgeschichte. Ein Gebetsteppich, unscheinbar in der Ecke des Arbeitszimmers, an dem vorbei pünktlich Mitte Dezember ein Weihnachtsbaum ins Wohnzimmer getragen wird. Eine Chanukkia auf dem Fenstersims, und wenn ich aus dem Fenster schaue, drüben auf den Friedhof, ein ewiges Licht auf dem Grab der Großmutter. Ein Fastenkalender zwischen Ramadan und Passionszeit. Eine göttliche Hand, ein Auge, ein Wort.
An der Geschichte unserer Glaubensräume – in den eigenen vier Wänden und darüber hinaus – können wir aktiv mitschreiben. Vielleicht denken Sie jetzt: Sicher nicht! Ich lebe schon jetzt in einem reichlich chaotischen, dreidimensionalen Wimmelbild, ich bin froh, wenn ich das Buch, das ich angefangen habe zu lesen, wiederfinde oder den Kalender mit den weisen Sprüchen vor dem 1. Juni an die Wand bringe. Unser Zuhause und der Alltag darin, ob allein, zu zweit, in der Klein- oder Großfamilie, scheint unseren Ideen von spirituellen Orten häufig diametral zu widersprechen.
Vielleicht käme es darauf an, mitten im inneren und äußeren Gewimmel Räume der Kraft zu schaffen, wenn auch nur für kurze Zeit? Das kann vieles sein: ein Stehpult als Auge im Sturm, auf dem ein Gedichtband liegt, in dem ich immer wieder blättere. Das Gesangbuch zwischen Taschentüchern auf dem Nachttisch, in dem ich am Morgen oder Abend, laut oder leise, ein paar Töne, Worte, Gedanken finde. Der ruhigste Ort im Garten. Das Kistchen mit Glückwunschkarten, die auch Jahre später noch zu kleinen Segen werden. Die Kerze. Das Gespräch. Der Kaffee aus der Tasse, die mich an eine Zeit erinnert, die „spiritueller“ war als mein aktueller Lebensabschnitt. Das sind alles Miniaturen, Ausschnitte. „Spirituelles“, auch im eigenen Zuhause, darf getrost Stückwerk sein. Es wandelt sich, es ist begrenzt, erschütterbar, verletzlich. Und genau darin kann es Geborgenheit bieten. Oder? Was denken Sie?
Anregungen zum Gespräch
Wohnen ist auch die Kunst des Loslassens
Mit zunehmendem Lebensalter haben sich meine Bedürfnisse in Bezug auf das Wohnen aber auch an manchen Stellen geändert. Als junger Frau war es mir beispielsweise vollkommen egal, ob ich im Erdgeschoss oder im fünften Stock wohnte. Ob ich Geschäfte für den täglichen Bedarf fußläufig erreichte oder fahren musste. Ob ich alle Räume auf einer Ebene hatte oder über mehrere Stockwerke verteilt. An der Aufzählung ist leicht zu erkennen, was mir heute wichtig ist beim Wohnen. Es geht für mich über den dauerhaften Aufenthalt hinaus, ist „zuhause sein“. Mein Zuhause gibt mir Sicherheit, Geborgenheit, ist ein Zufluchtsort. Es ist mein Zuhause geworden durch meine Art zu wohnen, mich einzurichten, mich mit Dingen zu umgeben – oder auch nicht zu umgeben.
Und da ich nicht allein lebe, gestaltet auch mein Partner die Wohnung, unser Zuhause mit, was es nicht immer ganz einfach macht. Zu Beginn unserer Beziehung, bei der ersten gemeinsamen Wohnung, ging es zunächst einmal um die Grundausstattung: Bett, Tisch, Stühle und so weiter, aber auch schon um das persönliche Ausgestalten der Wohnung – schließlich wollten wir uns beide wohlfühlen und unsere Persönlichkeiten ausdrücken. Welche Räume brauchen wir? Wie werden sie gestaltet? Welche Bilder werden wo und wie aufgehängt? Wo stehen die Bücherregale, welche Ziergegenstände soll es geben? Wir haben uns geeinigt, und lange war das auch gut so. Aber im Laufe der Zeit sammelt sich so manches an, von dem ich heute sage: Es ist zu viel. Ich brauche es nicht mehr für mein Zuhause.
Aber wie kann ich loslassen? „Beim Abschied wird die Zuneigung zu den Sachen, die uns lieb sind, immer ein wenig wärmer“, sagte Michel de Montaigne. Bei unserem letzten Umzug war bereits der Ruhestand in Sichtweite. Unsere Überlegung war: Es soll die letzte Wohnung vor dem Altenheim sein, also: überschaubar, pflegeleicht, barrierefrei, zentral gelegen für die Befriedigung der alltäglichen Bedürfnisse. Wir haben uns von der Größe her erheblich verkleinert, was auch die Trennung von vielen liebgewordenen Gegenständen erforderte und immer noch erfordert.
Warum fällt es so schwer loszulassen? Sicher, an manchen Gegenständen hängen viele Gefühle. Sie waren Geschenke von Familienangehörigen und Freund*innen, sind vielleicht Erinnerungen an Großeltern oder Eltern. Und daher habe ich das Gefühl, mit dem Gegenstand auch diese Personen zu verlieren. In manche Dinge habe ich viel Zeit und Arbeit investiert, und wenn ich mich von ihnen trenne, habe ich das Gefühl, das nicht mehr zu würdigen. Andererseits habe ich mit der Trennung von vielen Dingen beim Eintritt in den Ruhestand auch ein sehr befreiendes Gefühl erlebt. Ich habe festgestellt, dass leere Regalbretter und Schränke etwas sehr Schönes und Befriedigendes sind. Um diese Bücher, Bilder, Entwürfe muss ich mich nicht mehr kümmern. Sie brauchen nichts mehr von meiner Lebenszeit, und das Aufräumen und Putzen ist auch viel einfacher.
Ich weiß nicht, wann ich mich noch weiter in der Größe meiner Wohnung einschränken muss, aber ich möchte auch dann noch selbst entscheiden, mit welchen Dingen ich mich umgeben will, und sei der Raum auch noch so klein. Daher habe ich für mich eine Liste von Dingen aufgestellt, die ich in meiner Umgebung haben möchte. Ich überprüfe sie von Zeit zu Zeit mit dem Gedanken, sie zu verkleinern. Manchmal klappt es, manchmal nicht. Für die anderen Dinge, die mir wichtig sind, überlege ich mir, wem ich sie schenken kann, wer sie schätzen würde. Diese Vorgehensweise ist etwas sehr Schönes, weil ich mit den Dingen auch meine Erinnerungen und Gefühle weitergeben kann. Außerdem stärke ich so auch die Beziehungen zu den Beschenkten.
Natürlich ist das nicht so einfach – bei manchen Dingen bin ich noch nicht so weit, bei manchen blutet mein Herz. Aber ich habe hierbei das gute Gefühl, dass ich das Loslassen selbst bestimme, und nicht, dass das jemand für mich tut.
Impulse zum Gespräch
Dagmar Krok ist Diakonin und Dipl.-Sozialpädagogin. Sie ist Beauftragte der Nordkirche für die Berufsgruppen der gemeindebezogenen Dienste/Studienleitung für Gemeindepädagogik am Pädagogisch-Theologisches Institut der Nordkirche und ist Mitglied im Redaktionsbeirat leicht & SINN.
Dr. Nancy Rahn ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Altes Testament an der Theologischen Fakultät der Universität Bern. Sie hat evangelische und ökumenische Theologie studiert und mit einer Arbeit zu Ps 145 und der Vorstellung von Gottes Königtum promoviert; zurzeit beschäftigt sie sich mit Emotionen und Empathie in alttestamentlichen Texten. SIe ist Mitglied im Redaktionsbeirat leicht & SINN.
Daniela Stiftel-Völker ist Pfarrerin a.D., zuletzt tätig als Studienrätin für ev.Religion, Latein und Mathematik und seit dem Sommer im Ruhestand. Ehrenamtlich ist sie Vorsitzende des Bezirksverbands der Ev. Frauenhilfe Arnsberg, Mitglied im Vorstand des Landesverbands der Ev. Frauenhilfe in Westfalen und Delegierte im deutschen Weltgebetstagskomitee sowie Mitglied im Redaktionsbeirat leicht & SINN.
Anmerkungen
1) www.sprachnudel.de/woerterbuch/Wohnung
Eine letzte Ausgabe der leicht&SINN zum Thema „Bauen“ wird Mitte April 2024 erscheinen.
Der Abschluss eines Abonnements ist aus diesem Grund nicht mehr möglich.
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