Sprich zu den gläubigen Männern, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham bewahren. Das ist lauterer für sie. Gott hat Kenntnis von dem, was sie machen. Und sprich zu den gläubigen Frauen, sie sollen ihre Blicke senken und ihre Scham bewahren, ihren Schmuck nicht offen zeigen, mit Ausnahme dessen, was sonst sichtbar ist. Sie sollen ihren Schleier auf den Kleiderausschnitt schlagen und ihren Schmuck nicht offen zeigen, es sei denn ihren Ehegatten, ihren Vätern, den Vätern ihrer Ehegatten, ihren Söhnen, den Söhnen ihrer Ehegatten, den Söhnen ihrer Brüder und den Söhnen ihrer Schwestern…
aus: Sure 24 (Nur), Verse 30-31
O Prophet, sag deinen Gattinnen und deinen Töchtern und den Frauen der Gläubigen, sie sollen etwas von ihrem Überwurf über sich herunterziehen. Das bewirkt eher, dass sie erkannt werden und dass sie nicht belästigt werden. Und Gott ist voller Vergebung und barmherzig.
Sure 33 (Ahzab), Vers 59
Die Verse (aus der Sure Nur) sind dafür da, um die Frauen, die im Haushalt unbedeckt arbeiten, vor den Belästigungen und bösen Absichten der fremden Männer im Alltag zu schützen. Kapitel Ahzap (Sure 33) 59. Vers wird von den alten Gelehrten wie folgt interpretiert: „Dadurch werden die gläubigen Frauen draußen von den leicht gekleideten Sklavinnen unterschieden und sind vor Belästigungen, gewalttätigen Angriffen durch die Männer geschützt.“
Die Art der Bedeckung (durch den Tscharaf: ein weites, von Kopf bis Fuß den Körper verhüllendes, Hände und Gesicht bedeckendes Tuch) wurde der heiligen Schrift zufolge in der ganzen islamischen Welt mehr oder weniger streng bis zum letzten Jahrhundert praktiziert. Warum konnten die Frauen durch die förmlichen Anwendung des 59. Verses Jahrhunderte lang von der Teilnahme am öffentlichen Leben ausgeschlossen werden? Der Grund dafür ist das Frauen- und Rechtsverständnis und Verhalten der arabischen Gesellschaft vor 1.400 Jahren vor dem Islam. (Zum Beispiel: Vor dem Islam hatten Frauen weniger Wert als Kamele; Männer durften beliebig viele Frauen haben und auch verlassen; Raub und Überfall waren an der Tagesordnung; Frauen konnten mit dem Erbe zusammen wie Güter abgegeben werden; Frauen, die Töchter gebaren, konnten mit dem geborenen Kind bestraft werden.) In diesem Zusammenhang ist zu verstehen, dass der Koran durch die die Frauen betreffenden Verse deren gesellschaftliche Position verbessern wollte.
Die oben genannte Verse sind als Ratschläge zu verstehen. Es sind im Koran keine Sanktionen vorgesehen, falls die Anweisungen bezüglich Bedeckung nicht befolgt werden.
Seit Tausenden von Jahren haben Menschen und Gesellschaften große Evolutionen hinter sich gebracht. Primitives Verhalten wurde ersetzt durch Humanismus. Zumindest religiöse Lehren, bürgerliche Gesetze und menschenfreundliche Erziehung haben die Menschheit dazu gezwungen. Neue Gesellschaftsformen und neue Gesetze haben den Frauen die gleichen Rechte wie den Männern ermöglicht. Da heutzutage die Wahrung individueller Grundrechte für Frauen und Männer im Grundgesetz fest verankert sind und die Frauen am öffentlichen Leben ungehindert teilnehmen können, gibt es für sie keine ständigen Gefahren mehr, der Gewalt der Männer ausgesetzt zu sein. Deswegen ist es nicht mehr nötig, sich zu bedecken.
Meine Worte konnten bei den religios-konservativen Frauen, die den Koran wortlich auslegen und förmlich verstehen, auf Ablehnung stoßen. Denjenigen sage ich, falls sie nur aus religiosen Gründen Kopftücher tragen, wäre das unzureichend. Deshalb müssten sie sich förmlich von oben bis unten verhüllen. Das reicht aber nicht aus: sie sollten mit den Mannern nicht zusammen kommen, sitzen, nicht zusammen reisen, weder in den Schulen noch in den Universitäten gemeinsam Unterricht bekommen. Und das heist: nur, wenn es unbedingt sein muss, aus dem Haus zu gehen.
Wenn die muslimischen Frauen von heute ihre Rechte selbstbewusst wahrnehmen und sich selbst ohne Bedeckung schützen können, darüber hinaus durch erfolgreiche Teilnahme am gesellschaftlichen Leben den Respekt der Manner genießen, ist Gottes Gebot schon erfüllt.
aus: Kopf- und Körperbedeckung im Islam (gekürzt; vollständig unter: www.tbb-berlin.de)
Anm. d. Red.: DoçDr. Bahriye Üçok, 1919-1990, war Theologin und lehrte an der Theologischen Fakultät der Universität Ankara, Abteilung für Islamische Geschichte. Nach Auskunft des Türkischen Bundes Berlin-Brandenburg wurde sie aufgrund ihrer politischen Ansichten 1990 ermordet.
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