Alle Ausgaben / 2011 Material von Manfred Becker-Huberti

Kräuterweihe an Mariä Himmelfahrt

Von Manfred Becker-Huberti

„… zu Krudemisse unser liben Frawn, als sei to himmel voer“ – Kräuterweihe, Mariennüsse und anderes zu Mariä Himmelfahrt

Vor allen anderen Marienfesten steht Mariä Himmelfahrt (auch Großer Frauentag, Maria Würzweih, Büschelfrauentag genannt) in Verbindung mit Brauchtum. Wenn die ersten Baum- oder Strauchnüsse (Wal- und Haselnüsse) reif waren, schenkte man sie den Kindern am 15. August als Mariennüsse. Obwohl es auch früher andere Feste gegeben hat, die mit einer Kräuterweihe verbunden waren, ist es heute fast überall nur noch das Fest der Aufnahme Mariens in den Himmel. Warum gerade dieses Fest mit Kräutern in Verbindung steht, lässt sich nur spekulativ beantworten. Wohl kaum dürften die Marienlegenden ursächlich sein: Nach der Legenda aurea wurde auf Weisung eines Engels dem Leichnam Mariens eine Palme vorausgetragen: als Christus selbst drei Tage nach dem Tod seiner Mutter auf Erden erschien, um sie auf ihrem Weg in den Himmel zu begleiten, berichtet dieselbe Legende, habe sich ein unaussprechlicher Duft verbreitet. Eine jüngere Legende erzählt, als man das Grab Mariens später geöffnet habe, seien nur Rosen vorgefunden worden.

Eher ist wahrscheinlich, dass die jahreszeitlich bedingte Getreidereife und Hochblüte der Natur in Erinnerung brachten, dass Maria traditionell als „Blume des Feldes und Lilie in den Tälern“ (Hoheslied 2,1) verehrt und seit dem 5. Jahrhundert als „guter und heiliger Acker“ benannt wurde, der eine göttliche Ernte brachte, woraus sich die Darstellung Mariens im Ährenkleid entwickelte. Der Sachsenspiegel des 13. Jahrhunderts belegt den Brauch der Kräuterweihe: „…dat is zu Krudemisse
(= Kräutermesse, -weihe) unser liben Frawn, als sei to himel voer“ und das Weltbuch des Sebastian Franck von 1534 den damit in Verbindung stehenden Aberglauben: „an unser frawen himmelfart da tregt alle welt obs / büschel allerley kreuter / in die kirchen zu weihen / für alle sucht und plag uberlegt / bewert. Mit disen kreutern geschicht seer vil zauberey“. Um sicher zu gehen, dass die Kräuter auch möglichst viel Segen „mitbekamen“, wurden sie vor der Kräutermesse teils unter das Altartuch gelegt, bis dies verboten wurde und Kräuter nur noch neben dem Altar postiert werden durften. Die Symbolhandlung – mit Gottes Hilfe die Kräfte der Natur zu Gunsten von Mensch und Tier einzusetzen – bezog auch die Anzahl und die Auswahl der Kräuter ein. Ihre Anzahl war nicht gleichgültig, sondern betrug – landschaftlich und zeitlich unterschiedlich – zwischen sieben oder 99 Kräutern: sieben (als die alte heilige Zahl) oder neun (also drei mal drei!) waren normal, aber auch zwölf oder 24, 72 oder gar 99 sind bekannt. Kräuter, die dabei Verwendung fanden, waren oder sind Johanniskraut, Wermut, Beifuß, Rainfarn, Schafgarbe, Königskerze, Tausendgüldenkraut, Eisenkraut und gelegentlich Wiesenknopf, Kamille, Thymian, Baldrian, Odermennig, Alant, Klee und die verschiedenen Getreidearten. Die geweihten Kräuter wurden in Haus („Herrgottswinkel“) und Stall meist an der Wand angebracht. Man benutzte sie aber auch, um aus ihnen einen Tee zuzubereiten, der gegen verschiedene Krankheiten helfen sollte. Krankem Vieh wurden geweihte Kräuter ins Futter gerührt, geweihtes Getreide dem neuen Saatgut zugemischt. Bei Gewitter warf man die Kräuter ins offene Feuer, um Schutz gegen Blitz und Seuchen zu erlangen. Den Toten legte man ein Kreuz aus geweihten Kräutern in den Sarg.

gekürzt aus:
Mariä Himmelfahrt
in: www.religioeses-brauchtum.de
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