Weltweit engagieren sich Frauen gegen Krieg, gegen Frauen- und andere Menschenrechtsverletzungen und für die Aussöhnung der Konfliktparteien. Friedens-Aktivistinnen tragen überall wesentlich zu Krisenprävention und zum Wiederaufbau in Nachkriegsgesellschaften bei.
Die meisten dieser Frauen arbeiten lokal und initiieren Gruppen und Projekte in ihrer Heimatregion. Oftmals schaffen sie das, was in den bewaffneten Konflikten auf höchster politischer Ebene zu dem Zeitpunkt noch fast unmöglich scheint: Sie arbeiten mit Frauen der gegnerischen Partei zusammen, bilden Friedensallianzen und entwickeln Lösungsstrategien.
Das Problem: Die politische Bedeutung ihrer Friedens- oder Versöhnungsarbeit wird kaum anerkannt. Ihre Ansätze und Sichtweisen finden auf nationaler oder internationaler Politikebene wenig Gehör. Von zentralen Entscheidungen wie Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen sind Frauen weitgehend ausgeschlossen.
Nach einer UNIFEM-Studie von 2009 waren in 22 Friedensprozessen seit 1992 – darunter Afghanistan, Bosnien und Kongo – nur 7,5 Prozent der VerhandlerInnen, 2 Prozent der VermittlerInnen und nicht einmal 3 Prozent der Unterzeichnenden Frauen. Beispielhaft: die Verhandlungen und das Abkommen zum Status des Kosovo (1999 und 2007). Das Kosova Women's Network, das ethnien-übergreifend Ansätze der Konfliktbeilegung entwickelte hatte, blieb trotz internationaler Proteste außen vor. Auch die Nahost-Friedensverhandlungen in Oslo in den 1990-er Jahren und in Camp David 2000 fanden ohne Expertinnen statt, obwohl in Israel und Palästina Frauen des „Jerusalem Link“, die spätere Coalition of Women for Peace, lange vor offiziellen Verhandlungsinitiativen Bedingungen zur Aussöhnung miteinander ausgehandelt hatten. „Wenn wir Frauen auf Camp David gehabt hätten, hätten wir ein Abkommen erreicht“, kommentierte der damalige US-Präsident Clinton das Scheitern der Verhandlungen. Späte Einsicht, die internationale Studien bestätigen.
Frauen kommt eine „wichtige Rolle …bei der Verhütung und Beilegung von Konflikten und bei der Friedenskonsolidierung“ zu, so eine UNIFEM-Studie 2002.(1) Denn wenn sie teilnehmen, „verändert sich die Natur des Dialogs“. Der Grund: Frauen treten oft vermittelnder auf als Männer, bestehen mehr auf zivilen Konfliktlösungen und bringen andere Themen und Sichtweisen ein, wie Ernährungs-, Gesundheits-, -Bildungsfragen und Besitzverhältnisse.(2) Selbstverständlich sind Frauen nicht aufgrund ihres biologischen Geschlechts bessere Verhandlerinnen. Doch sie übernehmen in den meisten Gesellschaften besondere Verantwortung für die Kinder und entwickeln durch ihre Lebensverhältnisse und Erfahrungen andere Kompetenzen und Verhaltensstrategien. Daher bringen Friedens- und Waffenstillstandsverhandlungen mit Frauenbeteiligung schneller dauerhaftere Ergebnisse.
Umgekehrt hat, so ein EU-Bericht 2000, „der systematische Ausschluss von Frauen aus offiziellen Friedensprozessen … schädliche Effekte auf die Nachhaltigkeit von Friedensabkommen“.(3) In der Folge sind Frauen in den Institutionen der Post-Konfliktstaaten wenig vertreten oder haben kaum Einfluss in Regierung, Parlament, Sicherheitsapparat und Justiz. Kosovo, Afghanistan und Irak sind dafür traurige Beispiele. Die politischen Verhältnisse dort sind extrem labil, Frauenrechte werden trotz Verankerung in den Verfassungen ausgehebelt, die Sicherheit von Frauen, vor allem von politischen Aktivistinnen bis hin zu Parlamentarierinnen ist extrem gefährdet.
Gerade in bewaffneten Konflikten und in Nachkriegszeiten ist die weibliche Zivilbevölkerung noch zusätzlich bedroht.(4) In bewaffneten Auseinandersetzungen wird zum Teil sexualisierte Gewalt systematisch als Mittel der Kriegsführung eingesetzt.(5) Im Bürgerkrieg in Ex-Jugoslawien wurden in den 1990-er Jahren etwa 20-50.000 Frauen vergewaltigt.(6) Massenvergewaltigungen ebenso wie gewaltsame Verschleppungen und Versklavung der „Kriegsbeute“ sollen einerseits die Feinde demütigen und demoralisieren, andererseits die Gewaltbereitschaft der eigenen „Kämpfer“ steigern. Nur in Ausnahmen werden die Täter strafrechtlich verfolgt und verurteilt.(7) Nach neueren Erkenntnissen von KonfliktforscherInnen ist auch eine hohe Zahl von Männern und Jungen Opfer sexualisierter Gewalt. Doch sie wird noch mehr tabuisiert, unter anderem, weil sie „den Mythos von der männlichen Wehrhaftigkeit“ zerstört.(8) Dies gilt für Ex-Jugoslawien genauso wie – ganz aktuell – für die Demokratische Republik Kongo und andere Konfliktherde. Gerade männliche Opfer sexualisierter Gewalt sind anfällig dafür, selbst zu Tätern zu werden. Darin kann ein Grund liegen, dass Frauen oft auch nach bewaffneten Konflikten, in der Phase des (Wieder-) Aufbaus demokratischer Strukturen, nicht sicher sind. In potenziertem Maße erleben sie häusliche Gewalt und Vergewaltigung durch die eigenen zurückgekehrten Männer – Auswirkungen der Brutalisierung der Kombattanten im Krieg. Problem verschärfend: Häusliche Gewalt wird in vielen Ländern noch gesellschaftlich geduldet oder sogar legitimiert.(9) Das macht deutlich, dass häusliche und militärische Gewalt untrennbar zusammenhängen, aber auch, dass (inter-) nationale Friedens- und Sicherheitspolitik nicht „geschlechtsneutral“ wirkt. Dennoch spielen die Geschlechterverhältnisse, anders als etwa die Zugehörigkeit zu unterschiedlichen Religionen, Kulturen oder Ethnien, in Konfliktanalysen und Lösungsszenarien keine Rolle.
Resolutionen 1325 ff.
Im Oktober 2000 verabschiedet der UN-Sicherheitsrat, das höchste internationale Organ, das zum Beispiel über den Einsatz von UN-Truppen und die Billigung von Militäreinsätzen im Namen der internationalen Staatengemeinschaft entscheidet, einstimmig die
Resolution 1325 zu „Frauen und Frieden und Sicherheit“. Sie gilt als Meilenstein für eine weltweite geschlechtergerechte Friedenspolitik. Ihre zentralen Inhalte können unter „drei Ps“ zusammen gefasst werden:
–
Prävention von bewaffneten Konflikten,
–
Partizipation von Frauen in der Friedens- und Sicherheitspolitik und
–
Protektion vor sexualisierter Gewalt in Kriegskontext.
Die Resolution ist Ergebnis beharrlicher Verhandlungen und Lobbyarbeit national und international arbeitender Frauenaktivistinnen. Insbesondere verpflichtet sie die Vereinten Nationen, alle Mitgliedstaaten und die Konflikt-Parteien, Frauen in sämtlichen Entscheidungsgremien und -prozessen bei Krisen und bewaffneten Konflikten, bei der Prävention wie bei der gesellschaftlichen Neuordnung angemessen zu beteiligen. Erstmals erkennt der Sicherheitsrat hier auch den Stellenwert zivilgesellschaftlicher Frauengruppen an.
Im Juni 2008 wird im UN-Sicherheitsrat zusätzlich
Resolution 1820 beschlossen. Danach können erstmals „Vergewaltigung und andere Formen sexueller Gewalt“ als Kriegsverbrechen, Verbrechen gegen die Menschlichkeit oder Völkermord strafrechtlich verfolgt werden. Die Straflosigkeit der Täter soll ein Ende haben, und eine „Null-Toleranz-Politik“ bei Übergriffen auch von UN-Peacekeepern gegenüber Frauen in Einsatzgebieten konsequent durchgesetzt werden. Nicht kooperativen Staaten werden Sanktionen angedroht.
Im Herbst 2009 folgen die
Resolutionen 1888 und 1889. Sie machen vor allem konkrete Vorgaben zu Implementierung der Resolutionen 1325 und 1820, dazu gehört eine UN-Sonderbeauftragte für Gewalt gegen Frauen und Kinder in Konflikten. Im Frühjahr 2010 wird die Schwedin Margot Wallström ernannt.
Sämtliche Resolutionen sind völkerrechtlich für alle Staaten und die Völkergemeinschaft bindend. Doch auch zehn Jahre nach Verabschiedung von Resolution 1325 wird ständig und überall dagegen verstoßen – in Staaten mit demokratischen Verfassungen ebenso wie in autoritär regierten Ländern, von UN-Organisationen ebenso wie von EU und NATO.
Im UN-Sicherheitsrat vertrat in den letzten Jahren keine einzige Frau die fünf ständigen und zehn nicht-ständigen Mitgliedsländer. Auch Deutschland, das 2003/04 dort Sitz und Stimme hatte, wurde durch UN-Botschafter Günter Pleuger vertreten. Dies liegt nur vordergründig daran, dass bisher zum Beispiel kein verbindliches Monitoring (Überwachung der Umsetzung) vorgesehen ist. Es verweist auf ein grundlegend mangelhaftes Demokratieverständnis der UN und ihrer Mitgliedstaaten. Außen- und Sicherheitspolitik gehört zu den zentralen Bereichen von Machtpolitik und ist eine traditionelle und besonders resistente Männerdomäne, in der Geschlechtergleichheit nicht vorgesehen ist.
Bereits vor Jahren forderte der frühere UN-Generalsekretär Kofi Anan die 192 UN-Mitgliedstaaten daher auf, nationale Aktionspläne (NAP) zur Umsetzung der Resolution zu entwickeln. Doch bisher sind nur 18 Länder dem nachgekommen, darunter Belgien, Chile, Ghana, Schweden und Sierra Leone. Deutschland verweigert ausdrücklich einen solchen NAP. Bundeskanzlerin Merkel erklärte auf Anfrage des deutschen Frauensicherheitsrats einen solchen Aktionsplan für überflüssig, Gendermainstreaming und zwei vorliegende Aktionspläne zur zivilen Krisenprävention und zur Gewalt gegen Frauen reichten aus. Diese Aktionspläne erfassen den Kern der UN-Resolutionen jedoch nicht.
Frauen-Sicherheits-Rat
Die Umsetzung der Resolution 1325 für Deutschland und in der EU als wichtige Entsender von militärischen Interventionstruppen hat sich der deutsche Frauensicherheitsrat (FSR) zur Aufgabe gemacht. 2003 schlossen sich Expertinnen zusammen aus frauen-, friedens- und entwicklungspolitischen Arbeitsfeldern und Organisationen, aus Forschung und politischen Stiftungen mit dem Ziel, der Geschlechterperspektive zunächst im Rahmen bundesdeutscher Außen- und UN-Politik angemessen Geltung zu verschaffen. Ihre Arbeit ist ehrenamtlich. Unter anderem begleitete der FSR die Politik der Bundesregierung während ihrer zwei Jahre im UN-Sicherheitsrat mit kritischen Analysen und Vorschlägen für einen Aktionsplan zur beschleunigten Implementierung der UN-Resolution 1325. Er erstellt Schattenberichte zu Regierungsberichten über die Umsetzung von Resolution 1325 und führt neben dem Dialog mit führenden RegierungspolitikerInnen im Verbund mit anderen Organisationen ExpertInnentagungen, Konferenzen und Diskussionsveranstaltungen durch.
Grundsätzlich setzt der FSR auf drei Ebenen an: Einflussnahme auf deutsche und EU-Politik, öffentliche Information und Aktion, nachhaltige Vernetzung und Kooperation engagierter Frauen, Organisationen und Gruppierungen mit Schwerpunkt in der Deutschland und der EU. Die Arbeit des FSR findet bis zur Regierungsebene und international ein breites positives Echo, doch seine Bilanz nach siebenjähriger Tätigkeit ist zwiespältig: Die relativ breite Unterstützung durch NGOs sowie die Nachfrage nach der Expertise des FSR verweisen auf den Bedarf und seine erfolgreiche Öffentlichkeits- und Netzwerkarbeit. Doch seine konkreten Impulse für die Umsetzung der UN-Resolution wurden von den deutschen Regierungen nicht genutzt. Es blieb im Wesentlichen bei pauschalen Absichtserklärungen und Einzelmaßnahmen, in denen die UN-Resolution 1325 berücksichtigt wurde. Das zentrale Anliegen, die gleichberechtigte Partizipation von Frauen an Friedensprozessen und geschlechtergerechte und nachhaltig wirksame Einsätze von Peacekeeping-Missionen, blieb auf der Strecke. Die Kluft zwischen Proklamation und Umsetzung von Geschlechtergerechtigkeit in der Männerdomäne Sicherheitspolitik ist noch immer riesig.
Für die Arbeit in Gruppen
ZielDie Bedeutung von Frauen in der Friedens- und Sicherheitspolitik soll bewusst gemacht werden. Zudem geht es darum, eigene Bilder und Klischees kritisch zu hinterfragen und neue Perspektiven zu entwickeln.
Zeit2 Stunden
Material4 Flipcharts oder Stellwände, Moderationskarten, Stifte
Ablauf– An jede Wandseite / Ecke wird ein Flipchart oder eine Stellwand gestellt mit vier verschiedenen Beschriftungen:
Sicherheitspolitik
Gewalt
Frieden
Militär
– Die Frauen werden aufgefordert, spontan zu einer der vier Vorgaben hin zu gehen. Dort soll jede für sich auf Moderationskarten assoziativ schreiben, was ihr zu den jeweiligen Begriffen einfällt, und die Karten zu den Begriffen heften (ca. 15 Minuten)
Austausch in den so entstandenen Kleingruppen (ca. 20 Min.):
Warum gerade dieses Thema?
Inwiefern gehören die angehefteten Karten dazu?
– Gemeinsamer Austausch in der Gesamtgruppe (ca. 50 Min.):
Bericht aus den Kleingruppen
Diskussion. Impulsfragen: Welche Assoziationen tauchen bei den verschiedenen Begriffsvorgaben jeweils auf, welche nicht? Warum nicht? Welche könnten wo auch hin passen, welche auf keinen Fall? Warum? Warum nicht? Inwiefern haben die Zuordnungen mit (eigenen) Geschlechterbildern und mit der (eigenen) Vorstellung von der Rolle von Frauen und Männern im jeweiligen Kontext zu tun?
– Die Leiterin benennt anhand des Beitrags oben die Hauptprobleme, die entstehen, wenn Frauen von zentralen Entscheidungen aus der Friedens- und Sicherheitspolitik ausgeschlossen sind.
– Brainstorming in Kleingruppen (20 Min.):
Welche Konflikte (Konfliktregionen) fallen den Frauen ein, in denen diese Probleme deutlich werden?
Welche Ideen haben die Frauen, dies zu verändern?
– Abschluss: Zusammentragen der Ergebnisse/gemeinsame Auswertung
Gitti Hentschel, geb. 1950, ist Kommunikations-wissenschaftlerin und Sozialpädagogin. Sie hat u.a. die taz mit gegründet, lange als Journalistin geabeitet und leitet seit zehn Jahren in der Heinrich-Böll-Stiftung zunächst das Feministische Institut, dann das Gunda-Werner-Institut für Feminismus und Geschlechterdemokratie.
Mehr Informationen unter
www.gwi-boell.de
www.frauensicherheitsrat.de
Anmerkungen:1 Elisabeth Rehn/Ellen Johnson Sirleaf: Women, War and Peace, UNIFEM (Hg.), New York 2002.
2 Women, War and Peace, S. 79
3 David Bloomfield/Ben Reilly, Characteristics of Deep-Rooted Conflict, zitiert nach: Bericht über die Beteiligung von Frauen an der friedlichen Beilegung von Konflikten (2000/2005(INI)) 2000, vorgelegt vom Ausschuss für die Rechte der Frau und Chancengleichheit des Europäischen Parlaments, S. 27
4 Sibylle Mathis, Ein- und Ausblicke feministischer Friedensarbeit, S. 111, in: Cilja Harders/Bettina Roß (Hg.); Women, Peace and Security, S. 2
5 Bericht über die Beteiligung von Frauen an der friedlichen Beilegung von Konflikten, S. 15-17.
6 MaryValentich, Rape Revisited: Sexual Violence against Women in the Former Yugoslavia, in: Canadian Journal of Human Sexuality, 3, 1 (1994), S. 53.
7 Gabriele Mischkowski, „… damit es niemandem in der Welt widerfährt“. Studie von medica mondiale e.v., Köln 2009
8 Ute Scheub, Heldendämmerung. Die Krise der Männer und warum sie auch für Frauen gefährlich ist, Pantheon 2010, S. 96
9 Ergebnis sowohl von Women, Peace and Security als auch Women, War and Peace