Lied: Ich sing dir mein Lied (in ahzw 4-97, S. 26f;)
Für AbonnentInnen sind Kopiervorlagen dieses und der folgenden Lieder sowie der beiden verwendeten Bilder unter www.ahzw.de / Service zum Herunterladen vorbereitet.
In der Mitte liegt ein größeres Blatt, auf dem die drei Worte: „So viele Aufgaben“ für alle sichtbar zu lesen sind. Dann liest die Leiterin vor:
„Was gibt's denn morgen zu essen?“
Es sollte eine Überraschung werden, aber bitte. „Blätterteigpastete mit Forellenfiletchen an Kamillencreme auf Soufflé von Naturreis mit Klößen…“
„Aus der Tüte?“
„Ach bewahre.“
„Schmecken aber besser.“
Niemals. O nein, halb gekochte, halb rohe Kartoffeln. Von sieben Uhr früh bis gegen Mittag geerntet, geputzt, gekocht, gerieben, gedrückt, gemischt, summsumm muß das Wasser sieden, aber nicht brodeln. Und wenn mir vom Stehen übel ist, wenn ich vom Geruch schon satt bin, dann ist das Essen fertig und kann aufgetragen werden.
„Daß aber nicht wieder der Blätterteig pappig ist. Und den Pudding nicht so süß und mit Klumpen.“
Es gibt morgen gar keinen Pudding, könnte ich sagen, aber wozu streiten, vielleicht hab ich wirklich beim Süßen des Puddings das Maß manchmal zu voll gemacht, wie meine Mutter. Dabei wollte ich ganz gewiß im Leben den Pudding niemals so süß machen wie meine Mutter, aber wenn er es sagt? Die Zeit vergeht rasend, vielleicht sagt er nur Pudding und meint, nun war ich ganz wie meine Mutter, aber ich bin zu müde, um das zu untersuchen, schlummre kurz ein, und dann bette ich mich in die Bratröhre und lasse keinen Blick vom Blätterteig. Du wirst mir nicht unknusprig, du wirst mir den Sonntag nicht versauen, denke ich, während der Mann gerade Mandela berät, der sich natürlich wieder nichts sagen läßt und alles besser weiß.“(1)
Die Leiterin teilt Kopien des Bildes „Allzweckfrau“ aus; alternativ kann sie auch gesammelte Karikaturen zum Thema „Frauen – Küche – Hausarbeit“
in die Mitte legen, von denen jede Frau sich eine aussucht. Sie lädt ein zum Austausch: Was fällt den Frauen zum gehörten Text und Bild und zu den drei Worten „So viele Aufgaben“ ein?
Aus den folgenden Ausführungen sollte jede Leiterin auswählen, was ihr für ihre Gruppe richtig erscheint; die Überschriften können, auf je ein Blatt geschrieben, nach und nach in die Mitte gelegt werden.
Jede berufstätige Familienfrau macht das irgendwann durch: Die Küche sieht gar nicht immer gut aus, das Essen kochen wird zur Qual. Und sie denkt: Ich kann das Wort Küche nicht mehr hören. Nur ich schaffe es nicht – alle anderen Frauen bekommen das besser hin. Doch das ist ein Irrtum. Manche Frau, die nicht berufstätig ist, hat wiederum ganz andere Erfahrungen. Sie ist so eingespannt in Küchen-, Haus- und Erziehungsarbeit, dass sich ihr Horizont fast darauf verengt. Die gleiche Augenhöhe, die da war, als sie und ihr Partner sich ineinander verliebten, geht verloren. Besonders im Urlaub können wir sie sehen, die Drei-Schritte-Hinterher-Ehefrauen, denen der Mann das Tempo und die Richtung vorgibt. Und wir können sehen, wie sie immer kleiner werden, diese Frauen…
Die Wurzeln der Verhaltensweisen, unter denen wir heute noch oft zu leiden haben, gehen tief. Über Jahrtausende galten Frauen als Eigentum des Mannes, dem Vater gegen Brautpreis abgekauft oder als Kriegsbeute erworben, in jedem Falle verpflichtet, die ihnen zugewiesene Rolle zu übernehmen: dem Mann dienen in jeder Hinsicht. Ihre Meinung war selten gefragt. 1643 dichtet Paul Gerhardt in schöner Offenheit:
Der Mann wird einem Baume gleich
an Ästen schön, an Zweigen reich;
das Weib gleicht einem Reben,
der seine Träublein trägt und nährt
und sich je mehr und mehr vermehrt
mit Früchten, die da leben.
Wohl dir, o Zier!
Mannes Sonne,
Hauses Wonne,
Ehrenkrone!
Gott denkt dein bei seinem Throne.
Da haben wir sie also, die drei großen K: Kinder, Küche, Kirche. Das war, als Paul Gerhard dieses schöne Bild erfand, schon so seit ewigen Zeiten – und blieb auch so noch für lange Zeit. Zu den Menschen, die laut der Menschenrechtserklärung von 1789 „frei und gleich an Rechten geboren“ werden und es bleiben, wurden die Frauen nicht gerechnet. Nur langsam begann die patriarchalische Ordnung zu bröckeln. Meinte Goethe in „Hermann und Dorothea“ noch: „Schüre die Gattin das Feuer, auf reinlichem Herde zu kochen!“, so gestand er Frauen immerhin auch andere Fähigkeiten und Interessen zu. Er unterstützte Künstlerinnen. Und sehr ernst nahm er die Theaterkritiken seiner Christiane. Von einer Reise riet er ihr, ja fein tüchtig zu tanzen in seiner Abwesenheit, damit sie gute Laune habe, wenn er wieder nach Hause komme. Aus derselben Zeit stammt die Bemerkung einer jungen Künstlerin, dass die Ehe der Sarg der Kreativität sei. Sie meinte das in zweierlei Hinsicht: Erstens starben viele Frauen im Kindbett, und zweitens musste von der Eheschließung an die Frau sich um Küche und Haushalt kümmern, was für künstlerisch interessierte Frauen eben oft das Ende der Kreativität war.
Wenn wir eine Beziehung eingehen, haben wir große Erwartungen, die sich im Alltag dann oft erschreckend schnell als Illusion erweisen. Ähnlich ging es der Malerin Paula Modersohn-Becker. Sie schrieb: „Es ist meine Erfahrung, daß die Ehe nicht glücklicher macht. Sie nimmt die Illusion, die vorher das ganze Wesen trug, daß es eine Schwesterseele gäbe. Man fühlt in der Ehe doppelt das Unverstandensein, weil das ganze frühere Leben darauf hinausging, ein Wesen zu finden, das versteht. Und ist es vielleicht nicht doch besser ohne diese Illusion, Aug in Auge einer großen einsamen Wahrheit? Dies schreibe ich in mein Küchenhaushaltebuch am Ostersonntag 1902, sitze in meiner Küche und koche Kalbsbraten.“
Ob es Zufall ist, dass Paula Modersohn-Becker das in der Küche schrieb? Wenige Jahrzehnte später, in der Zeit des Nationalsozialismus, bekam die patriarchale Tradition durch ideologische Glorifizierung der Hausfrauen- und Mutterrolle neuen Schwung. Dass die Frauen während des zweiten Weltkrieges und in der Nachkriegszeit wesentlich mehr Verantwortung „jenseits der Küche“ übernehmen konnten (und mussten), endete mit der Rückkehr der Männer aus Krieg und Gefangenschaft. Nun durften sie, zumindest im Westen Deutschlands, zurück in ihre Küchen und wieder tun, was sie – nach Meinung fast aller Männer und sehr vieler Frauen – am besten konnten: ihren Männern den Rücken freihalten. Erst im Zuge der 2. Frauenbewegung ab dem Ende der 60er Jahre begehrten sie in größerer Zahl auf. „Wer sich nicht wehrt, endet am Herd.“ Ganze Frauengenerationen Westdeutschlands probten unter diesem Motto den Ausbruch aus starren Rollenzuweisungen und dabei vor allem – aus der Küche.
Die Frauen in der DDR hatten eine andere Situation. Über 90% von ihnen waren berufstätig – der Herd war ihnen aber außerdem geblieben! Bei einer kirchlichen Veranstaltung wurden Familienfrauen befragt: Sie klagten darüber, dass Männer nicht im gleichen Maße wie sie die Verantwortung für Haushalt und Küche übernähmen. Eine Frau berichtete, wie ihr Mann sie stolz begrüßte: „Ich habe schon deine Windeln gewaschen!“ Es waren die Windeln des gemeinsamen Kindes. Zu Ostern schenkte er ihr ein wunderschön verpacktes, großes Osterei. Es enthielt ein Bügeleisen, mit dem sie seine Hemden noch besser bügeln konnte …
In den meisten heutigen Beziehungen funktionieren die alten Muster allerdings nicht mehr konfliktfrei. Dass Frauen zunehmend berufliche Stellen einnehmen, die früher Männerprivilegien waren, wirkt sich allmählich auch auf die partnerschaftlichen Beziehungen aus und bringt Bewegung in den Küchen-Streit. Und doch ist landauf, landab immer wieder zu beobachten, wie versucht wird, Frauen an die „drei K“ zu binden; die erbitterten öffentlichen Debatten im letzten Jahr um die staatliche Förderung von Betreuungsplätzen für Kinder und/oder „Herdprämie“ belegen das höchst anschaulich.
Fest steht, dass für Frauen überall Fußangeln lauern, wenn es um die Küche geht. Und, dass die Küche nicht der einzige Kompetenzort für Frauen sein sollte, wenn sie nicht verkümmern wollen.
Einen großartigen Verbündeten haben wir. Jesus ging anders als seine Zeitgenossen mit Frauen um: „Jesus scheint der erste Mann in der Geschichte zu sein, der nicht erwartet, von vorn bis hinten bedient zu werden. … Er drängte Marta nicht in die Rolle einer Hausangestellten, sondern sah sie lieber gleichgestellt, teilnehmend und sich mitteilend. Was daraus folgt, ist revolutionär. Die Persönlichkeit der Frau wird befreit aus dem engen Stereotyp der Hausangestellten, Hausfrau, Haushälterin, Krankenschwester und ist endlich frei, unabhängig zu werden, endlich in der Lage, mit dem Mann eine gleichgestellte Beziehung herzustellen. … Jesus befreit uns davon, eine Art Superhausfrau sein zu müssen, die unsere Persönlichkeit zerstören kann, ebenso wie unsere Fähigkeit zur Sammlung und zum Eingehen auf andere. … Jesus definierte christliches Dienen nicht als Hausarbeit der Frau, sondern als Verpflichtung beider Geschlechter. Aber dann kam die Idee auf, christliches Dienen sei, was die Frauen angeht, Hausarbeit. Man leitete die Frauen dazu an, christlich zu leben, indem sie anderen zu Dienste waren – ihren Eltern, Männern, Kindern, sogar Enkeln. … Seltsam genug, das dieser ,christliche Dienst' den Männern nicht auferlegt wurde. Nein, ,Hausarbeit für die Frau' ist eine uralte heidnische Devise und hat mit Christentum nichts zu tun! Natürlich muß der Haushalt laufen, aber die Arbeit kann man unter alle Mitglieder aufteilen.“(2)
Lied: Liebe ist nicht nur ein Wort (ahzw 4/97, S. 15; enthalten auch in vielen landeskirchlichen Teilen des EG)
Wir müssen den Verbannungsort nicht lieben. Erst wenn wir die Küche als Verbannungsort hinter uns gelassen haben, können wir sie neu entdecken: als Ort des sinnlichen Erlebens, als Ort zum Kochen und Genießen, als Ort für Frauen.
– Bild „Weg nach draußen“ als Kopie für alle
– Impuls zum Gespräch: Müssen wir den Weg aus der Küche heraus erst gehen, um unter anderen Vorzeichen in sie zurückzukehren – oder ist es einfach schön, dass die Küchentür auf diesem Bild offen ist? Welche Gedanken kommen Ihnen zu diesem Bild?
Dazu zwei Frauen-Geschichten: Sie war nach 35 Jahren als Familienfrau wieder allein in eine Wohnung gezogen. Ein bisschen traurig, aber auch aufregend und arbeitsreich waren die ersten Wochen. Nach sechs Wochen bemerkte sie, dass der Herd nicht angeschlossen war. Ihr war gar nicht bewusst gewesen, dass sie ihn so lange nicht gebraucht hatte. Nun kam sie doch ins Grübeln. Welche Katastrophe wäre es gewesen, wenn in früheren Zeiten ihres Lebens der Herd auch nur drei Tage defekt gewesen wäre…
Und diese: Ihr Ehemann hatte vor Jahren etwas für ihn Ungewöhnliches getan, er hatte ein Festessen gekocht. Es sah wundervoll aus. Und was tat der Mann? Er machte eine Fotoserie über jede Phase des Tischdeckens, fotografierte jede Schüssel, jede Speise, jeden Teller. Er dokumentierte, was er Tolles gemacht hatte. Zuerst ärgerte sie sich schrecklich über seine Eitelkeit. Inzwischen sagt sie: Was können wir Frauen für tolle Sachen – und freut sich über ihre Fähigkeiten.
In vielen Familien ist die Küche inzwischen ein Platz moderner Arbeitsteilung. Eine junge Frau erzählt, dass sie gar nicht gern kocht, wie übrigens auch schon ihre Mutter und die Großmutter. Aber ihr Freund koche fantastisch und gern. Was sie in der Küche gern mache? Wenn sie auf der Arbeit viel Stress hatte, dann hat sie große Lust zu putzen – und das tut sie dann auch sehr gründlich.
Impuls für das Gespräch der Gruppe: Was machen Sie am liebsten in der Küche?
„Zur Hochzeit meiner Schwester hat meine Mutter fünfzehn verschiedene Torten aufgebahrt, von Frankfurter Kranz bis Streuselkuchen und alle aus demselben Teig, den sie in der großen Zinkbadewanne angerührt hat – und hinterher hat sie sich die Hüften gehalten vor Lachen, daß die alle auf denselben Teig reingefallen sind. Wir haben die Formen und Bleche gebuttert, dann wurde der Riesenteig verteilt, ab zum Bäcker, und hinterher hat sie die einzelnen Kuchen unkenntlich gemacht. Mit Schokoladenguß, Pudding und Marmeladen. Neunzehnhundertzweiundfünfzig, ich bitte dich! Gab kaum was, und auf einmal stehn da lauter Kuchen rum.“(3)
Ja – nach dem Krieg waren die Frauen sehr erfinderisch. Wir können heute unserer Kreativität ohne Not freien Lauf lassen. Genießen wir es! Wie ist das mit den Weihnachts- oder den Osterplätzchen? Müssen wir wirklich in Mengen die backen, die den Kindern oder Enkeln so prima schmecken? Oder könnten wir das etwas gelassener angehen, mal endlich die Sorten backen, die uns selbst am besten schmecken? Und probieren wir doch mal etwas Neues! Gehen wir mal zur Abwechslung in die Küche – und nicht aus Pflichtgefühl.
Ein kleiner Schmaus mit „Brot und Saft“ und einer Plauderei kann den Abschluss bilden. Vielleicht kann vorher verabredet werden, welche Frauen gern etwas ein¬ faches Selbstgemachtes dazu mitbringen möchten. Dabei könnte z.B. besprochen werden, in der nächsten Zeit die eigenen Küchenkreationen zu fotografieren und zu einem Treffen eine Schau zu machen. Dann können Sie gegenseitig ihr Können bewundern…
Lied: Wir teilen Brot, wir teilen Saft (ahzw 4/97, S. 58)
Christine Wunschik, Jg. 1948, ist gelernte Maurerin, Hochschulingenieurin für Baustoffverfahrenstechnik, Gemeindehelferin und Katechetin. Sie arbeitet als Referentin in der FrauenArbeit der Föderation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland und ist Mitglied der Arbeitsgruppe ahzw.
Anmerkungen
1 Gisela Steineckert, Die blödesten Augenblicke meines Lebens, Berlin (Verlag Neues Leben) 1996
2 Alicia Craig Faxon, Frauen im Neuen Testament – Vom Umgang Jesu mit Frauen, München (Verlag J. Pfeiffer) 1989
3 Gisela Steineckert, Alt genug, um jung zu bleiben, Berlin (Das Neue Berlin Verlagsgesellschaft) 2006
Die letzte Ausgabe der leicht&SINN zum
Thema „Bauen“ ist Mitte April 2024
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