Ausgabe 1 / 2016 Artikel von Katrin Keita

Land der Bibel

Hoffnung für Palästina?

Von Katrin Keita

So vertraut wie Israel war mir schon als Schülerin kein Land auf der Welt, ohne dass ich es mit eigenen Augen gesehen hatte. Ich kannte die Karten im Einband meiner Luther-Bibel fast auswendig, wusste die Namen der Orte des Alten und Neuen Testaments.

Schon im Kindergottesdienst lernte ich das Land der Bibel kennen. Ich stellte mir Palmen vor, würfelförmige Häuser mit Flachdach, Kamele und Esel, trockenes Land, den See Genezareth, Brunnen in der Wüste, karge Berge, Menschen mit weiten Gewändern. Gleichzeitig fühlte ich mich – und fühle mich bis heute – als Deutsche angesichts der Shoah immer besonders mit dem jüdischen Volk verbunden. Dem israelisch-palästinensischen Konflikt bin ich lange bewusst ausgewichen. Ich wollte mein positives Bild von Israel nicht hinterfragen.

1992 verliebe ich mich in Basel, einen palästinensischen Studenten aus dem Gazastreifen. Er ist staatenlos, kein Staat der Welt fühlt sich für ihn zuständig. Wenn wir über sein Land sprechen, ist da eine eigenartige Mischung aus Vertrautem und Irritation. Gaza kenne ich aus der Geschichte von Simson (Ri 16), Jerusalem und Betlehem natürlich auch. Aber den Tabariya-See oder al-Khalil? So lauten die arabischen Namen für den See Genezareth und die Stadt Hebron, finden wir gemeinsam heraus. Mein Freund erzählt mir von der israelischen Besatzung im Gazastreifen und der ersten Intifada. An meiner Haltung gegenüber Israel ändert das zunächst nicht viel. Es braucht Jahre, eigene Recherchen und mehrere Besuche im Gazastreifen und der Westbank, bis ich beginne, die Ursachen des Konflikts zu verstehen und die israelische Politik gegenüber dem palästinensischen Volk kritisch zu sehen. Einen realen Eindruck erhalte ich erstmals 1996. Wir kommen am Ben-Gurion-Flughafen in Tel Aviv an. Noch auf der Gangway werden wir von israelischen Sicherheitskräften festgehalten. Ich verstehe ihre Fragen kaum, die Flugzeugmotoren dröhnen hinter uns, die anderen Fluggäste werden ungeduldig, weil sie im Shuttle-Bus auf uns warten müssen. Ich erinnere mich an den deutlichen Eindruck, dass wir nicht willkommen sind in Israel, dem Land, das ich zu kennen meinte.

Landverheißung

Am 14. Mai 1948 verkündet David Ben Gurion die Staatsgründung Israels. Der erste Premierminister Israels berief sich bereits 1936 in Jerusalem gegenüber ­einer britischen Kommission auf die Bibel als Grundlage der zionistischen Bestrebungen, einen jüdischen Staat zu etablieren. In einem Brief an den französischen Präsidenten Charles de Gaulle von 1967 zitierte er die Verheißung Gottes an Abraham in Gen 12,7: Adonaj ließ sich vor Abram sehen und sprach: „Deinen Nachkommen gebe ich dieses Land.“ Rückblickend auf die Staatsgründung schreibt er: „Es war die Bibel, von der wir unsere Kraft bezogen, einer feindlichen Welt zu widerstehen und unseren Glauben fortbestehen zu lassen, dass wir eines Tages in unser Land zurückkehren würden.“
David Ben Gurion war ein säkularer Jude, verstand sich als Sozialist und glaubte nicht an Gott. Er argumentierte dennoch mit der Bibel, um die westlichen Regierungen von der Idee eines jüdischen Staates auf dem Gebiet des britischen Mandatsgebiets Palästina zu überzeugen. Dabei konnte Ben Gurion an eine christliche Palästina-Begeisterung anknüpfen, die Mitte des 19. Jahrhunderts aufkam. Einzelne Pilger weckten mit ihren Reiseberichten das Interesse an den christlichen heiligen Stätten neu. Vereinigungen wie die Tempel­gesellschaft und der Jerusalemsverein wollten das christliche Leben in Paläs­tina fördern und die mehrheitlich muslimische Bevölkerung missionieren. Manche Christinnen und Christen sahen die Endzeit herangekommen und zogen deshalb nach Palästina. Besonders in ­einigen christlichen Kreisen Großbritanniens fiel die Idee, die Rückkehr des ­jüdischen Volkes nach Palästina und ­damit die Wiederkunft Christi voranzutreiben, auf fruchtbaren Boden.

Zugleich war der Zionismus ein Sammel­becken verschiedenster jüdischer Gruppen. Männer wie Moses Hess wollten eine gerechte jüdische Gesellschaft errichten, anderen wie Martin Buber ging es darum, die jüdische Kultur und die hebräische Sprache wiederzubeleben. Aaron David Gordon und andere sahen die körperliche, besonders die landwirtschaftliche Arbeit als entscheidend für die persönliche und nationale Erlösung an. Wieder andere wie Rabbi Abraham Kook glaubten, dass nur im Land Israel die Gebote der Torah vollständig erfüllt werden könnten. Zwischen all diesen Gruppen waren die biblischen Traditionen ein verbindendes Element. Selbst nicht-gläubigen Juden waren die biblischen und religiösen Texte, die Bezug auf das Land nehmen, vertraut. Die Seder-Feier beispielsweise, mit der das jährliche Pessach-Fest beginnt, endet jeweils mit dem Ausspruch: „Nächstes Jahr in Jerusalem!“

Dennoch überzeugte der Zionismus zunächst nur eine Minderheit innerhalb der jüdischen Gemeinschaft. Viele orthodoxe Gläubige meinten, dass die Rückkehr ins Land Israel nicht von Menschen herbeigeführt werden dürfe, sondern allein von Gott. Die meisten westeuropäischen Jüdinnen und Juden versuchten Ende des 19. Jahrhunderts, sich an die deutsche, französische oder britische Mehrheitsgesellschaft anzupassen, erlebten jedoch immer wieder antisemitische Angriffe. Viele entschieden sich daher auszuwandern. Die meisten gingen nach Amerika – für sie war die religiöse Bindung an das Land Israel nicht ausschlaggebend. Einige wagten den Neubeginn in Palästina, das zu dieser Zeit unter osmanischer Herrschaft stand. Russische Immigranten gründeten 1882 die erste jüdische Neu-Ansiedlung, genannt Rischon le-Zion. Der Name bezieht sich auf Jes 41,27: (Gott spricht): Ich sagte als Erster zu Zion. … Doch erst die nationalsozialistische Judenverfolgung ließ die Zahl derer, die nach Palästina einwanderten, drastisch ansteigen.

Die Palästinenserinnen und Palästinenser setzen der zionistischen Interpretation der biblischen Landverheißung ihre eigenen religiösen Deutungen entgegen. Für die palästinensischen ChristInnen ist ihr Land das Land Jesu, für die MuslimInnen ist Jerusalem (arab.: al-Quds, dt.: die Heilige) die Stadt, in der der Prophet Mohammed in den Himmel aufstieg. Palästinensische ChristInnen wie MuslimInnen verweisen auf Abraham und darauf, dass die Landverheißung im Gen 12,7 nicht nur Isaak, sondern auch seinem Halbbruder Ismael galt. Ismael wird in der Bibel und im Koran als Stammvater des arabischen Volkes angesehen. Das überzeugendste Argument von palästinensischer Seite aber ist nicht religiös: Der Großteil des palästinensischen Volkes hat schon immer im Land gewohnt. PalästinenserInnen identifizieren sich mit den biblischen Völkern der Philister und Kanaanäer. Für „Philister“ und „Palästinenser“ gibt es auf Arabisch nur ein einziges Wort: Filastīnīyūn Mein eigener Name Keita (korrekt transkribiert Qitah), den ich bei der Eheschließung mit meinem palästinensischen Mann angenom­men habe, ist nicht arabischen, sondern aramäischen Ursprungs. Aramäisch wurde in Palästina zur Zeit Jesu gesprochen. Dies legt nahe, dass die Familie meines Mannes mindestens seit dieser Zeit im Land lebt. Es ist sogar anzunehmen, dass JüdInnen und Palästinenser­Innen auch genetisch miteinander verwandt sind.1 Vermutlich sind viele heutige Palästinenser also nicht nur Nachfahren der Philister und Kanaanäer, sondern auch derjenigen jüdischen Menschen, die nach der Eroberung Jerusalems durch das Römische Reich 70 n. Chr. im Land geblieben und später zum Islam konvertiert sind.

Landbesitz

In biblischer Zeit war das Land für Israel, ein Volk von Ackerbauern und Kleinviehzüchtern, Lebensgrundlage. Ein Stück Land zu besitzen bedeutete, darauf zu wohnen, es zu bebauen und sich von ihm zu ernähren. Wenn Gott Abrahams Nachkommen das Land verheißt, ist das Land als Lebensgrundlage gemeint; von einem Staat spricht die Bibelstelle nicht. Als Abraham die Zusage Gottes erhalten hat, dass das Land seinen Nachkommen gehören solle, dankt er Gott – danach kümmert er sich primär darum Vater zu werden. Das Land tritt erst wieder in den Vordergrund, als seine Frau Sara stirbt und er bei Hebron von den hetitischen Bewohnern ein Grab für sie erwirbt (Gen 23). Auch jüdische Einwanderer Anfang des 20. Jahrhunderts kauften zunächst Land von Palästinensern. Dass dies relativ einfach war, hatte mit dem Bodenrecht im Osmanischen Reich zu tun. Es unterteilte das Land in verschiedene Kategorien, von denen hier vor allem zwei eine Rolle spielten.

Der überwiegende Teil des Landes war sogenanntes Miri-Land, nominell Eigentum des Osmanischen Staates, weil das Osmanische Reich 1516 n. Chr. Palästina erobert hatte. Miri-Land umfasste nahezu alle landwirtschaftlich nutzbaren Flächen. Die einheimischen Fellachen bebauten das Land in Erbpacht, das heißt, solange sie das Land bewirtschafteten, war es faktisch ihr Land. Land in Privatbesitz – Mulk-Land – gab es bis Mitte des 19. Jahrhunderts kaum. Dazu gehörten ursprünglich lediglich die Grund­stücke, auf denen Häuser standen, und die dazugehörigen Gärten innerhalb der Dorf- oder Stadtgrenzen. Um mehr Steuern einnehmen zu können, schrieb das Osmanische Reich ab 1858 eine Registrierung des Miri-Landes vor. Doch viele palästinensische Bauern ließen das Land nicht auf ihren Namen eintragen. Sie konnten nicht lesen und schreiben, befürchteten hohe Steuerforderungen oder hatten Angst, dass ihre Söhne für die osmanische Armee zwangsrekrutiert würden. Häufig wurde das Land deshalb auf den Namen des Dorfältesten oder Bürgermeisters registriert. So gelangte ein Großteil des Miri-Landes in die Hände einiger Großfamilien. Die Bauern aber bebauten weiterhin das Land, wie sie es seit Generationen getan hatten.

Die steigende Nachfrage nach Boden bewog die osmanische Regierung dazu, das Miri-Land Schritt für Schritt in pri­vates Land umzuwandeln, das ohne staatliche Einschränkung verkauft werden konnte. Die jüdischen Einwanderer kauften das Land Anfang des 20. Jahrhunderts meist von den Nachfahren der Großfamilien, auf deren Namen das Land registriert worden war. Weil sie das Land selbst bewirtschaften wollten, mussten die palästinensischen Bauern ihr Land verlassen. Ganze Dörfer wechselten den Besitzer, die ehemaligen BewohnerInnen verloren ihre Existenzgrundlage und waren gezwungen, als Tagelöhner zu arbeiten. Trotzdem besaßen die jüdischen Immigranten bis zum Ende der Britischen Mandatszeit 1948 nur knapp sechs Prozent des Landes. Aber die zionistische Bewegung strebte eine jüdische Bevölkerungsmehrheit an und war entschlossen, den größtmöglichen Teil des Landes zu übernehmen.

Landnahme

Die biblischen Texte halten fest, dass das von Israel bewohnte Land ursprünglich Eigentum anderer Völker war (u.a. Gen 12,5; Ex 3,17). Wie das antike Israel sich im Land Kanaan angesiedelt hat, darüber wird in der Wissenschaft seit Jahrzehnten diskutiert. Archäologische Forschungen deuten darauf hin, dass es rigorose Eroberungsfeldzüge, wie sie das Buch Josua beschreibt, historisch so nicht gegeben hat – das kanaanäische Jericho etwa hatte niemals Stadtmauern, die unter dem Klang der Posaunen hätten fallen können. Neben der Theorie, dass Israel ursprünglich ein Nomadenstamm war, der in einem längeren Prozess nach Kanaan eingewandert ist und schließlich sesshaft wurde, gibt es auch die These, dass die Israeliten auf eine Gruppe Kanaanäer zurückgehen, die sich aus der kanaanäischen Stadtgesellschaft gelöst und das Bergland besiedelt hat; möglicherweise war diese Ansiedlung in kleinen Bergdörfern auch mit einem Niedergang der in der Küstenebene liegenden Städte verbunden. Biblisch gibt es Belege für eine friedliche wie für eine kriegerische Aneignung des Landes. Dem Landkauf Abrahams, der von Respekt den hetitischen Bewohnern gegenüber geprägt ist (Gen 23), steht die kriegerische Eroberung des Landes Kanaan durch Josua gegenüber – in Gottes Auftrag und mit Gottes Hilfe. „Und sie erschlugen alle, die darin waren, … und nichts blieb übrig, das atmete“ (Jos 11,11). Mag sein, dass diese Erzählungen von Ereignissen berichten, die so nie stattgefunden haben, oder dass sie entstanden sind, als die israelitische Oberschicht im Exil in Babylon lebte, und dass sie die Hoffnung auf Rückkehr ausdrücken. Faktisch wurden sie meist wörtlich verstanden, manchmal gar als Handlungsanweisung in realen Kriegen. Auch David Ben Gurion bezog sich auf sie, diskutierte in einem Bibelzirkel die militärisch-strategischen Aspekte des Josuabuches. Mit Hilfe der Josua-Erzählungen legitimierte er die Angriffe jüdischer Einheiten auf palästinensische Dörfer. Als erklärter nichtreligiöser Zionist verstand er das Josuabuch wortgetreu, wie es sonst nur ultraorthodoxe Juden oder fundamentalistische Christen tun. Aber dass der Staat Israel heute existiert, ist keine Folge göttlicher Verheißung, sondern eine Folge der Shoah. Dass er ein Recht hat, innerhalb international anerkannter Grenzen zu existieren, steht außer Frage. Doch ebenso hat auch das palästinensische Volk ein Recht auf einen Staat – sei es ein eigener oder einer, in dem es gleichberechtigt leben kann.

Wenn die jüdischen Israelis am 14. Mai die Gründung ihres Staates feiern, erinnern die Palästinenser an an-Nakba, die Katastrophe. Hunderttausende Palästinenser verloren ihre Häuser und ihren Grundbesitz, Tausende ihr Leben. Sie seien geflohen, weil die heranrückenden arabischen Armeen sie 1948 dazu aufgefordert hätten, lautet die in Israel vorherrschende Version der Geschichte. Tatsächlich sind sie systematisch vertrieben worden, wie die sogenannten „neuen Historiker“ wie Simcha Flapan, Tom Segev und Ilan Pappe in Israel in den letzten Jahren aufdeckten. Die Familie meines Ex-Mannes stammt aus al-Majdal. Die Stadt lag in etwa dort, wo das biblische und das moderne Aschkelon zu finden ist, im südlichen Palästina, nicht weit vom Mittelmeer. Meine Schwiegereltern wurden am 4. November 1948 nach Gaza vertrieben. Mein Schwiegervater erzählte, dass sie vom Meer aus beschossen wurden und in Panik flohen. Heute gibt es al-Majdal nicht mehr. Eine Stadt mit etwa 10.000 Einwohnern wurde komplett ausradiert.

Al-Majdal ist kein Einzelfall. Der Tübinger Bibelatlas von 2001 zeigt zwei Karten von Palästina um 1920, den Nord- und den Südteil. Darauf sind viele palästinensische Dörfer vermerkt, die nicht mehr existieren. Ilan Pappe spricht von 530 Ortschaften, die systematisch zerstört wurden. Jüdische Einheiten überfielen nachts die Dörfer, holten die Palästinenser aus den Häusern, töteten einige, sprengten Häuser in die Luft oder setzten sie in Brand. Die Überlebenden internierten sie in Gefangenenlagern oder zwangen sie, ihre Dörfer zu verlassen. Wer zurückkehrte, wurde erschossen. Ilan Pappe nennt das „ethnische Säuberung“ und begründet dies mit den Parallelen zum Jugoslawienkrieg Anfang der 1990er Jahre. Außerdem hätten die Zionisten selbst den Begriff der „Säuberung“ in Bezug auf die Vertreibungen der palästinensischen EinwohnerInnen verwendet; David Ben Gurion etwa spricht in einem Brief an die Kommandeure der israelischen Armee von bi'ur, was das vollständige Reinigen des Hauses von gesäuertem Brot vor dem Pessachfest bezeichnet. Im übertragenen Sinn heißt es auch „ausrotten, eliminieren“.

Die Zionisten wollten das Land ohne seine palästinensische Bevölkerung und ohne seinen arabischen Charakter. Auch heute noch zerstört die israelische Armee immer wieder Häuser von palästinensischen Familien, weil sie ohne Baugenehmigung gebaut wurden (die für Palästinenser kaum zu bekommen ist), oder weil ein Familienmitglied einen terroristischen Anschlag verübt hat. Auch heute noch werden illegale und legale israelische Siedlungen auf palästinensischem Land gebaut, werden Fakten geschaffen, die eine Zwei-Staaten-Lösung immer unwahrscheinlicher erscheinen lassen.

Kein normales Land

Im Spätsommer 2000 arbeitet mein Mann für einige Monate im Auftrag der nordrhein-westfälischen Landesregierung in Nablus im Westjordanland in einem Bildungszentrum. Er hat inzwischen einen deutschen Pass und ein Auto mit deutschem Kennzeichen zur Verfügung. Wir erleben kurze Momente der Normalität: fahren nach Jericho, besuchen Freunde in Nazareth, gehen in der Altstadt von Akko essen. Ich sehe mir die biblischen Orte an, die ich seit meiner Kindheit kenne. Mein Mann sieht sich sein Land an, das ihm doch nicht gehört. Er fährt mit seinem deutschen Auto über Straßen, die eigentlich israelischen Siedlern vorbehalten sind. Er genießt es, sich hier zum ersten Mal frei bewegen zu können. Als Anfang Oktober 2000 die zweite Intifada ausbricht, wird jedoch schnell klar, dass nichts normal ist. Zusammen mit seinen deutschen Kollegen will mein Mann das Land verlassen, als die Auseinandersetzungen immer blutiger werden. Die israelische Genehmigung – die er als gebürtiger Palästinenser trotz seines deutschen Passes braucht, um über Tel Aviv nach Deutschland zurückzufliegen – wird ihm verweigert, eine andere Ausreisemöglichkeit gibt es nicht. Erst nachdem wir tagelang alle Hebel in Bewegung gesetzt haben, erreicht der damalige deutsche Außenminister Joschka Fischer die Bewilligung der israelischen Behörden zur Ausreise.

Zwei Kriege hat der Gazastreifen seitdem erlebt, 2008/2009 und 2014. Anschläge und Raketenbeschuss haben Israel erschüttert, vor einem Jahr häuften sich die Attentate mit Fahrzeugen. Israelische wie palästinensische Jugendliche wurden brutal ermordet. Seit Oktober 2015 überfallen jugendliche Palästinenser Israelis mit Messern; manche befürchten den Ausbruch einer dritten Intifada. Die Menschen auf beiden Seiten leben heute in Angst und Perspektivlosigkeit. Das vormals so vertraute Land ist mir fremd geworden.

Für die Arbeit in der Gruppe

Die folgenden Vorschläge für die Auseinandersetzung mit dem Thema können einzeln oder kombiniert verwendet werden. – Kopiervorlagen sind für AbonnentInnen unter www.ahzw-online.de / Service zum Herunterladen vorbereitet.

Israel – Palästina – Land der Bibel
Wenn wir diese Worte hören: Welche Bilder entstehen in unseren Köpfen? –Zeit zum stillen Nachdenken und Notieren von Begriffen auf einzelnen Zetteln; die gefundenen Bilder/Begriffe laut nennen und die Zettel in der Mitte zusammenlegen; keine Nachfragen oder Diskussionen; anschließend Austausch über das entstandene Mosaik, ohne die Äußerungen als „richtig“ oder „falsch“ zu werten

„Heiliges Land“ …
… ist Israel/Palästina für Menschen jüdischen, muslimischen und christlichen Glaubens – aus Kapitel „Landverheißung“ kurz referieren, wieso Israel/Palästina von allen drei Buchreligionen als „heiliges Land“ gesehen wird

Krieg in und um Israel/Palästina
-Kapitel „Landnahme“ für alle kopieren und gemeinsam lesen
– Austausch: Was geht mir durch den Kopf, wenn ich über das Recht des jüdischen und des palästinensischen Volkes, in sicheren Grenzen zu leben, nachdenke?
– Auszug aus der Orientierungshilfe „Gelobtes Land“ der EKD (S. 46 f) gemein-
sam lesen und diskutieren

„Hass und Hoffnung – Kinder im Nahostkonflikt“
Der Film von B.Z. Goldberg, Justine Shapiro und Carlos Bolado zeigt sieben palästinensische und israelische Kinder, die während der ersten und zweiten Intifada interviewt wurden und sich schließlich auch begegnen. – aus einer Stadt-oder landeskirchlichen Bibliothek ggf. per Fernleihe ausleihen, gemeinsam anschauen und besprechen

Hoffnungszeichen
Auch wenn viele nach der Entwicklung der letzten Jahre kaum noch Hoffnung haben, dass in absehbarer Zeit Frieden in Israel/Palästina werden könnte: es gibt Zeichen der Hoffnung. Eines davon ist das Engagement von zwei Bürgermeistern in benachbarten Dörfern: Hasan Atamna und Ilan Sadeh – Bericht aus Publik Forum (S. 44 f) (vor-) lesen; andere Beispiele zusammentragen

Psalm 122,6-9 lesen
„Verlangt nach Frieden für Jerusalem! Zufrieden seien alle, die dich lieben!
Friede sei deinen Mauern,
Zufriedenheit in deinen Bauten.
Meinen Geschwistern und Nächsten ­zuliebe will ich sagen: Friede sei in dir!
Dem Haus des Ewigen, unseres Gottes, zuliebe
will ich Gutes suchen für dich.“
Übersetzung der Bibel in gerechter Sprache

Dr. Katrin Keita, Jahrgang 1969, arbeitet als Lehrerin für Evangelische Religion und Journalistin in Dinslaken.

Anmerkung
1) www.tagesspiegel.de/wissen/genetische-abstammung-abrahams-kinder/1860976.html

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