Ausgabe 1 / 2016 Bibelarbeit von Anke Kreutz

Land zum Leben

Zur Bedeutung des Bodens in der religiösen Entwicklung Israels

Von Anke Kreutz

Die Aufmerksamkeit für das Land, genauer: für den fruchtbaren Boden des Landes, steigt. Galt Ackerland noch vor wenigen Jahren in vielen Gegenden der Welt als wertlos, ist es nun zur begehrten Spekulations­masse geworden.

In den letzten Jahrzehnten ist weltweit übermäßig viel Boden verlorengegangen: in Europa durch Versiegelung wegen Bebauung, in anderen Teilen der Erde wegen der zunehmenden Erosion durch Abholzungen, der Übernutzung und der Folgen des Klimawandels. Da der Boden begrenzt ist, steigt sein Wert. Mittlerweile gehören große Teile des Landes nicht mehr einzelnen oder dem Staat, sondern großen Konzernen. Sie bewirtschaften das Land meist nicht nachhaltig, sondern lassen es für spä­tere Verwendung brachliegen oder beuten es kurzfristig aus. Weltweit sind es vor allem Frauen, die die Felder bestellen und als Kleinbäuerinnen den Unterhalt ihrer Familien sichern. Sie haben oft aber keine vertraglich gesicherten Rechte auf dieses Land. Deshalb können sie den Zugang zu ihrem Ackerland verlieren oder die gestiegenen Pachtpreise nicht erwirtschaften, wenn Investoren das Land gekauft haben. Die Zahl der Landlosen in Afrika, Asien und Lateinamerika wächst.

Die Dimension des Themas ist neu. Aber die Verteilung des Landes, seine Bewirtschaftung und die mit Land­besitz verbundenen sozialen Pflichten stellen sich jeder Gesellschaft. So spiegeln ­Bodenreformen oft etwas von veränderten Bedürfnissen wieder. Der Grund­besitz wird neu geregelt, etwa um besser wirtschaften und regulieren zu können, zusammenhängend zu bauen oder bestimmte Standards in der Landwirtschaft durchzusetzen.

Die Hebräische Bibel, unser Altes Testament, schätzt die Bedeutung des Landes und des Bodens als Lebensraum und Grundlage allen sozialen Miteinanders und Wirtschaftens sehr hoch. Sie spiegelt unterschiedliche Erfahrungen der Israeliten und der Völker im Nahen Osten mit verheißenem, erworbenem, geschenktem, wieder verlorenem und neu gewonnenem Land. Eine beson­dere Bedeutung kommt dem Wort nahalah zu, dem sogenannten Erb­besitz. Dieser Begriff wird für das Volk Israel gebraucht: Gott hat Israel erwählt und sich als eigenen „Erbbesitz“ ausgesucht. Das Land, das Gott diesem Volk anvertraut hat, ist analog dazu Gottes „Erbbesitz“ und wird von Gott über die Familien weitergegeben von Genera­tion zu Generation. Die Leviten, das Geschlecht der Priester, haben kein eigenes Land, sondern Gott selber wird als ihr nahalah bezeichnet. Um ihrem religiösen Auftrag ungehindert nachkommen zu können, sollen sie von der übrigen Bevölkerung mitversorgt werden. Das Land ist dem Volk allein durch die Zusage und Garantie Gottes gegeben und kann als Strafe jederzeit wieder entzogen werden, denn das Land an sich ist letztlich Eigentum Gottes.

Fruchtbares Ackerland und Regen, der vom Himmel fällt

Die Urgeschichte erzählt, wie eng und untrennbar Erde und Mensch zusammengehören. Fruchtbare Erde heißt im Hebräischen adamah. Gemeint ist ein fruchtbarer Kalkstein-Rotlehmboden, der im Mittelmeerraum verbreitet ist und auch in den judäischen Bergen vorkommt. Aus diesem Boden wird nach der Schöpfungsüberlieferung der Mensch geschaffen, auf diesem kann der Mensch, der von der roten Erde genommene adam, arbeiten, mit diesem Boden Ziegel brennen und bauen. Er soll dies bewahrend und erhaltend tun – und so im Einklang mit dem Feld, das er bestellt, fröhlich und dankbar leben (z.B. Dtn 26,5-11). Vorgestellt ist ein Leben im Einklang zwischen Gott und Menschen, Menschen und Erde und allem, was auf ihr lebt. Im wiederkehrenden Wechsel der Jahreszeiten, die Gott schenkt, liegen Segen und Gerechtigkeit ineinander, damit das Gute sich durchsetzt und das Land jubelt (Joel 2,21-24). Zwei Feste erinnern fromme Jüdinnen und Juden bis heute daran, dass Land und Ernte von Gott geschenkt sind und darum nach getaner Arbeit dem Schöpfer Dank gebührt: nach der Weizenernte im Mai/Juni das Wochenfest Schavuot, nach der Weinernte im Herbst das Laubhüttenfest Sukkot.

Dabei wird schon in der Urgeschichte ein Zusammenhang zwischen der Fruchtbarkeit des Bodens und der Gerechtigkeit im menschlichen Miteinander begründet. Nachdem der Ackerbauer Kain seinen Bruder, den Viehzüchter Abel, im Zorn auf Gott getötet hat – weil dessen Gabe von Gott freundlich angesehen, das heißt: gesegnet wurde und seine Gabe nicht – schreit das Blut Abels durch den Ackerboden zu Gott. Nach Genesis 4,10ff verdirbt der Boden, nachdem er das Blut Abels in sich aufgenommen hat, und gibt keinen Ertrag mehr. Also verliert Kain seine Existenzgrund­lage und muss als Heimatloser sein Leben fristen. Mensch und Erdboden sind unauflöslich aneinander gebunden: erleidet der eine Schaden, trifft es auch den anderen.

Das Land wird wie eine Person gedacht. Es kann gut, geräumig, lieblich, ertragreich sein – oder, wenn es verunreinigt und beschädigt wird durch menschliche Ungerechtigkeit wie Mord, auch fressend, hurend, trauernd, schreiend, dürr und den Ertrag verweigernd. Die Urgeschichte deutet also den Verlust des Landes so: Die Menschen, die als bäuerliche Familien(verbände) leben sollen, haben vergessen, dass das Land eine Gabe und ein mit Händen zu greifendes Zeichen ihres Verhältnisses mit Gott ist. Sie haben vergessen, dass sie dazu geschaffen worden sind, für ihre Familien zu sorgen und für die Erde, die Gott geschaffen hat. Wenn sie sich von Gott abwenden, zieht sich Gottes Segen aus der Gemeinschaft und vom Land zurück.

Nach der Sintflut revidiert Gott den unbedingten Zusammenhang von Wohlergehen der Menschen und Wohlergehen des Landes: Gott will in Zukunft den Ackerboden nicht mehr um der Bosheit der Menschen willen verfluchen (Gen 8,20-22). Um die Lebensfähigkeit der Erde dennoch dauerhaft zu erhalten, schließt Gott einen Bund mit allen Lebewesen. Das Zeichen des Regenbogens soll Gott selbst er­innern: Die Erde soll Land zum Leben ­bleiben – und die Menschen sollen den Schöpfungsauftrag durch Bebauen und Bewahren erfüllen.

Aufbruch ins Land der Verheißung und der Verlust des Landes

„Geh in ein Land, das ich dir zeigen werde …“ – Die Verheißung an Abraham in Genesis 12,1-3 beinhaltet die Zusammenhänge zwischen Land, Familie, Gesellschaft und Zukunftshoffnung. Zunächst erhält Abraham die Verheißung eigenen Landes, die sich aber bis auf eine Parzelle für eine Grabstätte für seine Frau Sara, das spätere Familiengrab, zu seinen Lebzeiten nicht erfüllt. Sie ist verbunden mit der Verheißung eines Sohnes und damit einer Familie, die über sein Leben hinaus Bestand hat und Keimzelle eines Volkes sein soll. Letztlich sollen in Abraham alle Geschlechter der Erde gesegnet sein. Das heißt: Auch der Ertrag des verheißenen Landes soll für alle Menschen reichen. Die Josephs-Erzählung in Genesis 41 belegt diese Verbindung: Durch das umsichtige Handeln Josephs wird das Volk Ägyptens ebenso vor der Hungersnot bewahrt wie seine eigene Familie.

In Israel wird Landbesitz als Gabe Gottes verstanden, die Familien anvertraut wird als Leihgabe beziehungsweise als Erbbesitz. Er gehört zu den Lebensvoraussetzungen, die Gottes Fürsorge den Menschen schenkt, und entspricht damit dem Verhältnis Gottes zu den Menschen: diese sind Gottes Erbbesitz – sie gehören zu Gott und Gott sorgt für sie. Ebenso sollen Menschen für ihren Erbbesitz sorgen. Dieser ist unveräußerlich, denn Gott bleibt Eigentümer/in. Mit dieser Regel sorgt Gott dafür, dass das Land nicht in den Händen weniger konzentriert wird. Gleichzeitig sorgt Gott dafür, dass jede Familie genug Land erhält, um das Lebens aller, die zu ihr gehören, zu sichern; die Geschichte der Trennung von Abrahams und Lots Familien erzählt davon (Gen 13). Daraus entsteht Verantwortung für die Familien. Generationenübergreifend haben sie für den Erhalt des Bodens und seiner Fruchtbarkeit zu sorgen, damit das Land Land zum Leben bleibt. Wer den Erbbesitz als soziale und materielle Lebensgrundlage verkauft oder tauscht, stellt die Beziehung zu Gott infrage. Wenn jemand ein Stück Land kauft, besitzt er nach dem Heiligkeitsgesetz nicht das Land selbst, sondern nur die Jahre der möglichen Ernten, die das Land hervorbringt (Lev 25,13).

Die Erfahrung Israels nach der Landgabe (Josua) ist allerdings eine andere. Das Volk achtet die Gesetze Gottes nicht. Vor allem die Reichen und Kö­nige, die doch von Gott mit einer besonderen Verantwortung ausgestattet sind, missachten das Recht des Landes ebenso wie das ihrer Bevölkerung. Was Samuel prophezeit hat (1 Sam 8,11-14) tritt ein: Die Könige nutzen die anvertraute Macht zu ihrem privaten Nutzen, sie beuten Volk und Land aus. Exemplarisch steht dafür Nabots Weinberg
(1 Kön 21); während der König Nabots Weinberg für einen Gemüsegarten kaufen oder tauschen will, weiß Nabot um die Unveräußerlichkeit dieses Bodens als seiner nahalah. Das geschenkte, anvertraute Land ist Voraussetzung des Lebens seiner Familie, nicht verhandel- oder verfügbar. Sein Widerstand kommt ihn teuer zu stehen: zunächst wird er verleumdet und dann umgebracht.

Nabot war kein Einzelfall. Die Propheten warnen wiederholt vor den Großgrundbesitzern, die den Boden aufkaufen und Feld an Feld reihen (Micha 2,1-2). Sie weisen darauf hin, dass das Land, wenn es übernutzt wird, den Ertrag verweigern wird (Jes 5,8.10). Und sie betonen: Wenn Gerechtigkeit fehlt, nimmt auch die Fruchtbarkeit des Bodens Schaden (Hos 4,1-3). Wenn Menschen die Gemeinschaftstreue gegenüber Gott und den Mitmenschen verweigern und brechen, ist letztlich auch der Staat gefährdet. Andere Mächte greifen nach Menschen und Land. Sie erobern das Land und zerstören es damit. Durch menschliche Schuld verdorren im Krieg die ­Ernten, Land und Tiere leiden (Joel 1,6-12.17-19). Die Propheten wissen vom Missbrauch des Landes und deuten den Verlust des Landes durch Krieg, Vertreibung, Missernten, Wetterkatastrophen und Schädlinge als Folgen politischer Fehlentscheidungen und religiöser Untreue. Das Ende der staatlichen Existenz Israels durch das babylonische Exil ist in ihrer Deutung die gottgewollte Folge.

Nachhaltiger Umgang mit dem Land als Gabe Gottes

So stellt sich mit der Heimkehr der Exilierten erneut die theologische Frage, wie ein Leben mit Gott im Einklang mit den anderen Menschen, die im Lande leben, und dem Land selber möglich sein kann. Die theologische Deutung findet ihren Niederschlag in der religiösen Rechtsprechung. Letztlich, so die Deutung, bleiben Menschen auch im eigenen Land immer Fremde. Denn das Land gehört Gott (Ps 24,1). Das Land ist heilig, weil Gott darin wohnt, und erfordert dankbares und respektvolles Verhalten, weil Gott es gegeben hat und Eigentümer/in bleibt. Gott übereignet jeder Generation neu Land zum Leben, in der Regel durch das Erbe, aber auch durch Landteilung. So kommt es zu Situationen, in denen Menschen des Volkes Israel mit anderen zusammenleben, die ebenfalls in diesem Land wohnen (Dtn 32,8). Das soziale Miteinander soll durch gegenseitigen Respekt geregelt werden – wie schon vorgezeichnet bei Abraham und Lot oder Jakob und Esau. Modern gesprochen ist hier bereits die Formel von der Nachhaltigkeit vorgezeichnet:

– intakte Umwelt – weil das Land respektiert wird,
– tragfähige Wirtschaft – die durch Familienverbünde gesichert wird,
– soziale Gerechtigkeit – denn auch die Landlosen und Fremden werden miternährt – und 
– kulturelle Zukunftsfähigkeit – im Respekt und Dialog der verschiedenen Bewohnergruppen des Landes.

Religiöse Gesetzgebung schafft den Rahmen, um kollektive Verantwortung dem Land gegenüber einzufordern. Sie allein führt in der Bindung an Gott zu Gerechtigkeit, Ruhe für das Land und guten Erträgen, die alle sättigen. Alle sieben Jahre soll ein Sabbatjahr gefeiert werden – ein Jahr, in dem das Land nicht bestellt wird. Hinzu kommt der Vorschlag des Jobeljahres alle 50 Jahre, in dem alle alten Rechtsverhältnisse wieder hergestellt werden. Das Land wird ebenso wie die Menschen, die in Schuldknechtschaft gerieten, freigelassen (Lev 25,10), Fremde verlieren ihre Verfügungsgewalt über Grundstücke und Personen. Dezidiert wird beschrieben, wie alle 50 Jahre ein Urzustand gerechter Verteilung wiederhergestellt werden soll – und was das für die Zwischenzeit in Bezug auf den Wert der Grundstücke heißt. Der Wert bemisst sich nach den möglichen Ernten bis zum nächsten Jobeljahr. Gott bleibt Eigentümer/in, deshalb sind Boden und Menschen letztlich unverkäuflich. Nehemia 5,1-5 macht allerdings deutlich, dass trotz dieser Regelungen in der Praxis der Landverlust und nachfolgend die Schuldknechtschaft oder Sklaverei durch die „Reichen und Vornehmen“ auch weiter gegenüber den ärmeren Bevölkerungsschichten angestrebt wurden. Auch wenn die Gläubiger zunächst nur das Nießrecht haben, also das Recht, die Erträge zu nutzen, droht den Schuldnern, wenn die Erträge nicht reichen, durch Zins und Verkauf (erst der Menschen, dann des Landes!) doch der Weg in die Sklaverei.

Vermutlich ist das Jobeljahr – anders als das Sabbatjahr, nach dem das Land alle sieben Jahre unbeackert bleibt, um sich zu erholen – nie umgesetzt worden. Es blieb aber in unserer Tradition eine Perspektive für gerechtes Leben, zunächst bei den Propheten (Jes 61), dann auch durch Jesus. Denn Jesus versteht sein Wirken als Erfüllung der Hoffnung auf ein „Gnadenjahr Gottes“ (Luk 4,18-21).

Für die Arbeit in der Gruppe

Die beiden folgenden Vorschläge können miteinander verbunden oder einzeln verwendet werden. – Kopiervor­lagen sind auf www.ahzw-online.de / Service zum Herunterladen vorbereitet.

Land zum Leben – was heißt das für uns?

Einführung in das Thema anhand der Bibelarbeit

Heute ist die Frage nach dem Land oft mit der Frage nach der Heimat verbunden. Das Land Mecklenburg-Vorpommern gehört zu den Bundesländern mit hoher Arbeitslosigkeit und Abwanderungsrate. Mit dem Image-Song „Land zum Leben“ werden seine Vorzüge und Probleme im Schlager besungen. – Song anhören (www.ndr.de/radiomv/Land-zum-Leben,song162.html), dann gemeinsam lesen (s. S. 42 f; Kopiervorlage auf ahzw-online.de)

Impuls: Was macht Mecklenburg-Vorpommern zum „Land zum Leben“? Welche kulturellen, sozialen, ökologischen und ökonomischen Faktoren werden benannt? Welche Eigenschaften werden MV zugeschrieben? Welche Werte sind wichtig? Was macht das Land zur Heimat? Für wen? Was wird benötigt, damit das Land eine Zukunft hat? – Ergebnisse links auf einem Flipchart oder großen Blatt mit zwei Spalten festhalten.

Impuls: Wie sieht das in unserem (Bundes-) Land (oder unserem Kreis, unserer Stadt) aus? Welche Vorzüge und Probleme könnten wir benennen? Was braucht es bei uns (und für wen) für eine lebenswerte Zukunft? Welche Werte tragen uns und welche wollen wir weitergeben? Was können wir dafür tun? – Ergebnisse in der rechten Spalte festhalten

Gespräch: Gibt es Gemeinsamkeiten? Unterschiede? Welche Werte liegen den benannten Perspektiven zugrunde? – genannte Werte einzeln auf gelbe Streifen schreiben

Abschluss: Entweder eine Mitte als Sonne gestalten mit der Aufschrift: „Das Land gehört Gott“; die Strahlen (gelbe Streifen) herumlegen – sie sorgen dafür, dass diese Botschaft zum Strahlen kommen kann …
Oder die Sonne mit Klebestreifen auf dem beschriebenen Flipchart befestigen

Lied: Die Erde ist des Herrn (1. Str., EG) oder Kanon: Jeder Teil (Jedes Land) dieser Erde ist unserm Gott heilig.

Geerbtes Land verkaufen?

Altbauer Schubert ist gestorben. Tochter Susanne arbeitet in der Stadt. Sie überlegt, die bisher verpachteten 39 Hektar Land zu verkaufen, dann könnte sie sich ein eigenes Haus in der Stadt leisten. Sie ist überrascht, wie viel das Land für einen Makler wert ist – die Pachtzahlungen der Landwirte sind viel geringer. Was soll sie tun?

Variante 1: Gespräch
In welchem Konflikt befindet sich Susanne S.? – Wenn der Konflikt herausgearbeitet ist, entwickelt die Gruppe Empfehlungen, was Susanne S. tun könnte.

Variante 2: Rollenspiel
Die Frauen bilden vier Gruppen, in denen sie sich auf je eine der Rollen vorbereiten; sie besprechen die im Folgenden angerissenen Argumente und ergänzen sie evtl.; im Rollenspiel treffen sich nacheinander der Makler, der Bauer und die Bäuerin zum Gespräch mit Susanne S.

Susanne Schubert: Mein Vater, Landwirt irgendwo hier in der Nähe, ist gestorben. Ich wohne längst nicht mehr zuhause, sondern verdiene mein Geld in der Stadt. Jetzt bin ich plötzlich Eigentümerin von rund 39 Hektar Ackerland, dazu ein wenig Wald. Mein Vater hatte das Land schon jahrelang an andere Landwirte aus der Nachbarschaft verpachtet. Beim Aufräumen frage ich mich, was das wohl alles wert ist. Ob ich mir davon ein kleines Haus oder eine Wohnung kaufen könnte? 39 Hektar – Pacht, Grundsteuer – da bleibt nicht viel übrig.

Makler Immendingen: Mittlerweile ge­hören meine Grünen Immobilien zu den Großen. „Suche bundesweit Ackerland“ oder „Suche laufend geeignete Flächen zum Kauf“, mal 40, mal 120 ha, zur Kapitalanlage. Vor ein paar Jahren gab es gerade mal Kaufpreise von etwas über einem Euro pro Quadratmeter, also pro Hektar grob kalkuliert 12.000 bis 14.000 Euro. Heute ist das locker das Drei- bis Fünffache. Und die Leute sind froh, dass sie's los sind. – Zinsen gibt's auf der Bank kaum. Und weil Land knapp ist, werden über die Pachten dann ganz ordentliche Renditen erzielt.

Bauer Schulte: Ich hoffe, dass ich nochmal mit Frau Schubert reden kann. Die paar Euro mehr Pacht würde ich schon verkraften. Aber wenn die verkauft – da kann ich sicher nicht mithalten. Hektarpachten von 400 €? Ich zahle gerade mal 150. Ich weiß wohl, dass andere das Doppelte zahlen. Aber dann bräuchte ich gar nicht mehr weitermachen. Oder doch auf Biogas umsteigen?

Bäuerin Greven: Ich habe gehört, die Susanne will verkaufen. Der Makler war jedenfalls schon da. Ist ja nicht viel, was wir von ihr pachten. Aber wenn das Land weggeht, fehlt uns der Zugang zum anderen Streifen. Dann müssen wir wieder jedes Mal außen herum fahren. Ob wir versuchen könnten, das Land abzuteilen? Ob sie es mir verkauft? Schließlich weiß sie, dass wir ökologisch wirtschaften. Da ist die Rendite nicht so hoch. Und die Familie war doch immer christlich eingestellt. Aber bei den Traumpreisen, die grade geboten werden? Ob ich darauf verzichten würde?

Landverbrauch – biblisch gesehen

Die Situation ist mittlerweile nicht nur im Süden der Welt, sondern auch bei uns alltäglich: Immer mehr kleine bäuerliche Betriebe geben auf, die Agrarindustrie nimmt in allen Bundesländern zu. Unsere theologische Tradition setzt sich mit dem Phänomen des Landverbrauchs kritisch auseinander. – Vortrag der Leiterin anhand der Bibelarbeit

Impuls: Gibt es neue Anregungen für unser Nachdenken über den Konflikt von Susanne S.?

Anke Kreutz ist Pfarrerin und hat zehn Jahre die Evangelische Frauenhilfe im Rheinland geleitet. Seit 2010 ist sie Direktorin der Evangelischen Landjugendakademie in Altenkirchen (Westerwald). Das Tagungshaus wird von einem Trägerverein der EKD, EKiR und aej getragen. – mehr unter www.lja.de

Literatur
Stefan Alkier, Michaela Bauks, Klaus Koenen (Hgg.): Das wissenschaftliche Bibellexikon im Internet, 2007ff., www.wibilex.de: Ackerboden, Bodenrecht (AT), Erbe/Erbrecht, Jobeljahr, Land
Brot für die Welt: Kampagne 14/15, Land zum Leben – Grund zur Hoffnung, Einführungsheft (v.a. zum Land-Grabbing)
Frank Crüsemann: Die Tora, Theologie und Sozialgeschichte des alttestamentlichen Gesetzes, München 1992
Norman C. Habel: The land is mine. Six biblical land ideologies, Minneapolis 1995
Wolfgang Huber: Ethik. Grundfragen unseres Lebens, München 2013
Hans G. Kippenberg: Religion und Klassenbildung im antiken Judäa, Göttingen 1982, 2. Auflage
Peter Riede: „Fürchte dich nicht, Ackerland, juble und sei fröhlich!“ (Joel 2,21), Das Verhältnis des Menschen zum Land in biblischer Sicht, Teil 1 + 2, Kirche im ländlichen Raum 60/3 (2009) 41-47; 60/4 (2009) 48-53
Peter Riede: „Sie begehren Felder und reißen sie an sich“ (Mi 2,2). Land grabbing in der Bibel, Kirche im ländlichen Raum 63/4 (2012), 9-11
Frank Crüsemann, Kristian Hungar, Claudia Janssen, Rainer Kessler, Luise Schottroff (Hgg.): Sozial­geschichtliches Wörterbuch zur Bibel, Gütersloh 2009
Dennis T. Olsen: Biblische Perspektiven zum Thema Land, in: Perspektive Land. Expertenbroschüre zur Landkampagne, Mission Eine Welt, Neuendettelsau 2011
Jakob Wöhrle: Fremdlinge im eigenen Land. Zur Entstehung und Intention der priesterlichen Passagen der Vätergeschichte, FRLANT 246, Göttingen 2012
Walther Zimmerli: Grundriß der alttestamentlichen Theologie, Stuttgart, 1978, 3. Auflage

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