Ausgabe 1 / 2007 Artikel von Doris Eberhardt

Lebensraum und Elixier

Vom Schutz der Gewässer über und unter der Erde

Von Doris Eberhardt

Wasser ist Leben. Wir trinken es und waschen uns damit. Es sprudelt aus den Wasserleitungen, es regnet vom Himmel. Wir erholen uns mit und in ihm. Bäche, Flüsse und Meere faszinieren uns, Seen und Teiche locken uns an. Kinder lassen Pfützen selten unbeachtet. Wasser ist wild und bei Hochwasser sogar bedrohlich – trotzdem ist es aus unserem Leben nicht wegzudenken.

Ohne sauberes Wasser können wir nicht leben. Aber behandeln wir Wasser als kostbares Gut? Ölteppiche in Meeren und Fischsterben in Flüssen machen Schlagzeilen. Aber wie sieht es „im Kleinen“ aus? Nach wie vor kann man nicht in jedem Gewässer in Deutschland unbedenklich baden. Chemikalien werden eingeleitet, Temperaturen von Flüssen durch Industrie verändert, Nährstoffe und Pflanzenschutzmittel der Landwirtschaft gelangen in unsere Gewässer. Flüsse werden zu Kanälen begradigt. Eisvogel und Bachneunauge werden in ihrem Lebensraum eingeschränkt, Arten wie der Stör sind schon ausgerottet. Moore wurden trockengelegt, Auwälder gibt es kaum noch, ganze Landschaften sind verschwunden.


Schutz der Oberflächengewässer

Wie passt diese Realität zu unserem Bedürfnis nach sauberem und lebendigem Wasser? Der Schutz von Oberflächengewässern ist dringend erforderlich. Wasser fließt und hält sich nicht an politische Grenzen, ein zumindest EU-weiter Schutz ist daher unumgänglich. Im Jahr 2000 trat ein europäisches Gesetz, die EG-Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in Kraft. Ein Rahmen nicht für das Wasser, sondern für diejenigen, die ihre eigenen Interessen auf Kosten unserer Gewässer durchsetzen wollen.

EG – Wasserrahmenrichtlinie
Ziel der WRRL (1)  ist der gute ökologische Zustand aller Gewässer in der EU bis 2015. Ökologisch gut ist ein Gewässer, wenn es weitgehend naturnah ist und Lebensraum für zahlreiche typische Tier- und Pflanzenarten bietet. Dann haben auch Menschen die Möglichkeit, sich an und in diesen Gewässern zu erholen.
Wenn Gewässer bereits jetzt erheblich verändert worden sind und eine vollständige Renaturierung nicht möglich ist – man denke z.B. an die Uferbebauung großer Städte wie Dresden oder Köln – muss zumindest das gute ökologische Potential erreicht werden; hierbei sind die Ansprüche an eine Renaturierung geringer als beim guten ökologischen Zustand.

Maßstäbe
Neben klar formulierten Zielen verfolgt die WRRL neue Ansätze: Gewässer werden mit ihren Einzugsgebieten über alle politischen Grenzen hinweg betrachtet. Und sie werden europaweit nach gleichen Maßstäben bewertet – nicht nur chemisch (z.B. welche Schadstoffe sind im Gewässer?), sondern auch biologisch (z.B. welche Lebewesen kommen vor?) und strukturell (z.B. wie sieht die Uferstruktur oder das Bachbett aus?). Gleichzeitig wird die Ökonomie mit betrachtet: Die Richtlinie schreibt bis 2010 ein Preissystem für Wasserdienstleistungen vor, bei dem alle NutzerInnen entsprechend dem Verursacherprinzip einen angemessenen Beitrag leisten müssen. Die Gebühren sollen Anreize schaffen, Wasser effizienter und nachhaltiger zu nutzen und Verschmutzungen der Gewässer zu vermeiden.
Hervorzuheben ist eine weitere Besonderheit: Art. 14 WRRL fordert eine aktive Beteiligung der Öffentlichkeit. Alle BürgerInnen sind aufgerufen, sich an der Umsetzung der Richtlinie an ihrem Gewässer oder seinem Einzugsgebiet zu beteiligen – eine große Chance, sich als Einzelne/r oder als Gruppe einzumischen und gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen!

Zeitplan
Bis Ende 2003 Umsetzung der WRRL in nationales Recht: In Deutschland wurden die Vorgaben bereits 2002 in das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) übernommen. Weil aber einige deutsche Bundesländer sich viel Zeit mit der Umsetzung in ihre eigenen Wassergesetze ließen, kam es im Dezember 2005 zu einer Verurteilung durch den Europäischen Gerichtshof.

Bis Ende 2004 Bestandsaufnahme und Bewertung: Das Ziel der WRRL ist der gute Zustand aller Gewässer. Offensichtlich muss dies für jeden der ca. 50 Gewässertypen in Deutschland etwas anderes sein, schon weil z.B. in einem Tieflandsfluss nicht die gleichen Arten vorkommen wie in einem See oder Gebirgsbach.

Bis Ende 2006 muss ein Netz von Untersuchungsstellen zur Überwachung der Gewässer eingerichtet werden. Mit Hilfe detaillierter Überwachungsprogramme wird der Zustand fortlaufend geprüft und bewertet.

Bis Ende 2009 Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme: Damit werden die notwendigen Maßnahmen an den einzelnen Gewässern festgeschrieben. Ihre Umsetzung erfolgt bis 2012.

Bis Ende 2015 sollen alle Gewässer in einem guten Zustand sein. Diese Frist kann um maximal 12 Jahre verlängert werden.

Aktueller Stand
Derzeit sind die Bewertungen der Gewässer weitgehend abgeschlossen. Nun werden Konzepte für die „Überwachungsprogramme“ aufgestellt, mit deren Hilfe die Fortschritte bei der Umsetzung der WRRL überprüft werden. Gleichzeitig werden die Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme vorbereitet, also die Pläne, mit denen die Gewässer am Ende renaturiert werden sollen. Hierzu gibt es in verschiedenen Regionen bereits Modellprojekte.

Die Umsetzung wird von den Bundesländern durchgeführt, z.T. aber auch von den Kommunen. Diese Behörden sollen die BürgerInnen „aktiv beteiligen“. Sich als BürgerIn bei einer derart komplexen Angelegenheit zu beteiligen, ist nicht einfach; darum sollen die Behörden die BürgerInnen durch Informationen dazu in die Lage versetzen – und das kann auch eingefordert werden.


Schutz des Grundwassers

Etwa 70 % der Erdoberfläche werden von Wasser bedeckt, was mit 1,46 Milliarden km3 veranschlagt wird. Doch 97,4 % davon sind Salzwasser; von den verbleibenden 2,6 % sind zwei Drittel als Eis an den Polen und im Hochgebirge gespeichert. Weniger als 1 % des gesamten Wasservorrates der Erde steht also als Süßwasser zur Verfügung – das meiste davon als Grundwasser.

Grundwasser wird gebildet durch Niederschläge, die vom Boden aufgenommen werden. Auf seinem Weg durch den Boden wird das Grundwasser gefiltert und gereinigt. Diese Selbstreinigungskraft lässt das Grundwasser so wertvoll werden, denn es ist unser bevorzugtes Trinkwasser. Die Selbstreinigung hat aber ihre Grenzen, die von Menschen häufig nicht beachtet werden.

EG – Grundwasserrichtlinie
Unser Trinkwasser wird dramatisch verschmutzt. Die EG-Grundwasserrichtlinie, die sich gerade in der zweiten Lesung befindet, soll hier eine Verbesserung herbeiführen. Doch statt eine Verbesserung des Trinkwasserschutzes zu erwirken, werden bisherige Standards heruntergeschraubt.

EU-weit sind 40% der Grundwasservorkommen übermäßig verschmutzt, in Deutschland sind es demnächst mehr als 50%. Problemstoffe wie Nitrate, Pestizid- oder Arzneirückstände sind bekannt. Perfluorierte Tenside (PFT), schwer abbaubar und für unser Erbgut gefährlich, sind die neueste Gefahr. Schadstoffe werden zum Beispiel mit Gülle, dem Abwasser oder aus dem Auspuff von Kraftfahrzeugen großflächig freigesetzt. Sie bedrohen die natürliche Grundwasserfauna, die unser Grundwasser sauber hält. Trotzdem sind die Beratungen zur neuen EG-Grundwasserrichtlinie zäh und inhaltlich wenig ergiebig. Weil der Rat der Umweltminister und das Europäische Parlament auch zum Ende der 2. Lesung des Gesetzes uneinig sind, steht Mitte Oktober 2006 ein Vermittlungsverfahren an.

Zentrale Herausforderungen
Grundwasser ist Lebensraum! Im Grundwasser leben – so unglaublich es klingt – viele verschiedene Arten von Tieren, vor allem kleine Krebse. Diese Tiere fressen Bakterien, die im Grundwasser leben und halten es damit sauber. Der BUND fordert daher, ihnen in der Richtlinie mehr Aufmerksamkeit zu schenken.

Vorsorge statt Nachsorge! Schadstoffeinträge müssen begrenzt bzw. verhindert werden. Sind sie erst einmal ins Grundwasser gelangt, ist es mindestens teuer, wenn nicht unmöglich, sie wieder herauszubekommen. Ohne einen strikten Vorsorgeansatz landen die Schadstoffe direkt in unseren Bechern, Gläsern und Tassen.

Strikte Grenzwerte? Nitrat und Pestizide werden in der Landwirtschaft verstärkt eingesetzt. Gelangen sie ins Grundwasser, schädigen sie unsere Gesundheit. Der BUND fordert daher strikte Grenzwerte und deren Einhaltung.

Bis Mitte Dezember 2006 muss ein Kompromiss gefunden sein, dem Rat und Parlament bis Februar 2007 zustimmen müssen. Das Gesetz könnte dann im März 2007 in Kraft treten und bis 2009 in deutsches Recht umgesetzt werden. Wenn die Gesetzesinitiative scheitert, wäre ein neuer Anlauf dringend erforderlich.


Schutz vor oder Leben mit Hochwasser?

Dramatisch – so kann man die Hochwasserschäden der letzten Jahre in Europa wohl nennen, wenn man sich dazu nur einige wenige Zahlen über das Ausmaß zwischen 1998 und 2004 in Europa (2) anschaut:
-Verlust von 700 Menschenleben
-25 Milliarden Euro allein an versicherten Schäden
-eine halbe Million Menschen verloren ihr Zuhause
-Schäden durch das Hochwasser 2002 (dt. Elbe) ca. 11 Mrd. Euro (3)

Dennoch ist Hochwasser aus Sicht des Naturschutzes ein natürliches Ereignis, das zur Dynamik von Flüssen und Auen gehört. Viele Tiere und Pflanzen sind von Hochwasser abhängig. Zum Drama wird es erst, wenn Menschen sich und ihre Güter in Überflutungsbereiche bringen und Flüsse einzwängen wollen. Im Rahmen des Klimawandels werden Hochwasser häufiger und unberechenbarer. Durch Deiche und Dämme können wir Schäden nicht dauerhaft verhindern, wie die Erfahrungen z.B. von der Elbe zeigen. Wir brauchen langfristige Perspektiven, um Schäden zu vermeiden.

Ökologischer Hochwasserschutz
Eine solche Perspektive bietet der ökologische Hochwasserschutz. Hier geht es darum, den Flüssen ihren Raum zurückzugeben: Bauverbot in Auen. Angepasste Nutzung dieser Flächen. Verminderung der Versiegelungsrate, so dass das Wasser versickern kann statt oberflächlich abzufließen. Behebung der Sünden der Vergangenheit – Rückbau der Begradigungen von Flüssen, zurück zum naturnahen Gewässer. Solche Maßnahmen lassen Hochwasser schnell zu Breitwasser werden und vermindern damit die Gefahr für Menschen erheblich.

Durch eine Hochwasserrichtlinie will die EU die Gefahren in den Griff kriegen. Sie befindet sich derzeit in der ersten Lesung und enthält gute Ansätze, wie die Verpflichtung zur Benennung von Überschwemmungsgebieten, damit jede/r weiß, wo er/sie sein/ihr Haus nicht hinstellen sollte. Dennoch wird keine klare Priorität für den ökologischen Hochwasserschutz benannt. Den Menschen wird eine Sicherheit von Deichen vorgegaukelt, die es in Wahrheit längst nicht mehr gibt. Eine langfristige Unterhaltung von technischen Hochwasserschutzmaßnahmen ist bei immer knapperen öffentlichen Kassen nicht zu gewährleisten. Kostengünstiger und effizienter ist der ökologische Hochwasserschutz, den der BUND also oberste Priorität in der Richtlinie fordert.


Fazit

Ob Oberflächenwasser, Grundwasser oder Hochwasser – Wasser ist kostbar. Dies vielen Menschen zu vermitteln und an politische EntscheidungsträgerInnen heranzutragen ist das Anliegen des BUND, denn sauberes und lebendiges Wasser ist Lebensqualität!


Für die Arbeit in der Gruppe

Die Gestaltungsmöglichkeiten einer Gruppenarbeit zum Thema Wasser sind so vielfältig wie das Wasser selbst. Die folgenden Vorschläge sollen eine Anregung sein. Sie können sie einzeln verwenden, oder auch aufeinander aufbauen lassen. Ergänzen lassen sie sich durch Erfahrungen vor Ort: ein Spaziergang am Bach oder Fluss oder einfach unterm Regenschirm, ein Grillabend am See, eine Bootsfahrt, das Abenteuer Schwimmen im See oder Fluss …

Wasser ins Bewusstsein bringen
Uns ist oft nicht bewusst, in welcher Form uns Wasser begegnet und wozu wir es brauchen. Bewusstsein für Wasser zu entwickeln ist der erste Schritt zur Wertschätzung.

Die TeilnehmerInnen schreiben auf 3–5 Moderationskarten, wo ihnen Wasser besonders wichtig ist (im Meer, im Apfel, unter der Dusche, in der Kühlung des Autos …). Die Gruppe sortiert die Karten gemeinsam nach Themen und hängt sie sortiert an einer Pinwand auf. Die TeilnehmerInnen können erzählen, warum ihnen Wasser an den angegebenen Orten so wichtig ist.

Alternativ können Sie auch etwas spielerischer herangehen: Die TeilnehmerInnen tragen ihre Karten in zwei Teams zusammen, ohne sie den anderen zu zeigen, denn das eine Team muss die Begriffe des anderen erraten. Team A beginnt, indem eine Person über einen Begriff von Team B informiert wird und ihn innerhalb einer Minute entweder pantomimisch oder durch Zeichnung der eigenen Gruppe ohne Worte erklären muss. Bei Erfolg erhält Team A einen Punkt. Dann wird gewechselt …

Visionen entwickeln
Lassen Sie die TeilnehmerInnen ihre Assoziationen zu „sauberem und lebendigem Wasser“ aufschreiben oder ein Bild dazu malen. Dann diskutieren Sie darüber, wer oder was diesen Idealbildern im Wege steht, und wie sie zu erreichen sind. Wenn Sie mögen, schicken Sie Ihre Visionen an den BUND – die schönsten werden im Internet vielen Menschen zugänglich gemacht.

Politisch aktiv werden
Schreiben Sie einen Brief an eine/n Europaabgeordnete/n in Ihrer Nähe (Adressen unter www.europarl.de/parlament/abgeordnete/auswahl_bundesland.jsp) und bitten Sie um die Sicherheit der Menschen vor Hochwasser durch Priorität des ökologischen Hochwasserschutzes in der EG-Hochwasserrichtlinie. Mehr Informationen dazu finden Sie im „Hintergrundpapier ökologischer Hochwasserschutz“.
(Bezug zum Preis von 3 € zzgl. Versandkosten: BUND, Am Köllnischen Park 1, 10179 Berlin, Tel. 030-27586-480,
Fax 030-27586-466,
Email: bundladen@bund.net)

Verantwortung übernehmen
Die WRRL bietet die Gelegenheit dafür einzutreten, dass die Gewässer in einen guten ökologischen Zustand gebracht und zu Lebensadern in unserer Landschaft werden. Fragen Sie bei den Behörden Ihres Ortes oder Landkreises nach, wie Sie Ihren Beitrag leisten können.

Aktiv vor Ort
Haben Sie Lust, Ihre Vision wahr zu machen? Viele Kirchen sind in Besitz von Land, durch das Wasser fließt. Vielleicht gibt es irgendwo in Ihrer Nähe auf Kirchenland einen Bach, der eher den Namen Graben verdient. Fragen Sie nach, ob Sie diesen auf einem kleinen Stück renaturieren und sich und der Natur eine kleine Oase schaffen können. Eine Anleitung zum Renaturieren von Kleingewässern gibt es beim BUND: „Werkzeug – Lebendige Bäche und Flüsse“. (3 € zzgl. Versandkosten)

Viel Spaß und Erfolg!

Doris Eberhardt ist Biologin und arbeitet als Referentin für Naturschutz und Gewässerpolitik beim Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND).

Anmerkungen:
1 RICHTLINIE 2000/60/EG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327 vom 22.12.2000, S. 1)
2 European Commission – DG Environment (2006): An EU policy on flood risk management. Brussels, Belgium. (http://ec.europa.eu/environment/water/ flood_risk/index.htm vom 15.8.2006)
3 Münchener Rückversicherung (2005): Ergebnisse der Bestandsaufnahme in den Bundesländern zu den Schäden des Hochwassers von August 2002. Unveröffentlicht. München.

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