Altern heißt, sich darüber klar zu werden, dass die eigene Lebenszeit begrenzt, dass sie zum größeren Teil schon durchlebt ist. Wie bei jedem guten Spiel ist auch hier die zweite Spielhälfte, ja, sind vielleicht die letzten fünfzehn Minuten entscheidend, ob ich das Spiel – hier das Spiel meines Lebens – als verloren oder gewonnen erlebe. Es geht darum, was wir in diesen Jahren zu unserem Lebensinhalt machen, was wir doch unbedingt noch erlebt, noch gelebt haben wollen, wenn unser Leben einmal zu Ende ist. Es kommt darauf an, von jetzt an mein besonderes Leben auszuschöpfen, nicht irgendein Leben, sondern mein ureigenes, das in mir angelegt ist.
Wenn ich einen der Menschen besuche, die loslassen können, spüre ich etwas Angenehmes, etwa Befreites – Gelassenheit, ja, manchmal Gelöstheit. Zu den alten Menschen, die etwas von einer solchen inneren Freiheit haben, gehe ich gern, besuche sie mit Sympathie und nehme immer etwas Bereicherndes von diesen Besuchen mit. Weniger gern gehe ich zu solchen alten Menschen, die sich nur noch als Verlierer des Lebens, als Opfer der Umstände fühlen, die sich festklammern am unentrinnbar sich entziehenden Leben – und die sich an denen festklammern,
die ihnen einen Besuch machen, wie ich in dem Fall, nicht ohne dass von ihrer Seite her sofort die Klage laut würde, wie selten man sie doch besuche. Ich denke, dass man die Alten und auch sich selbst im Alter nicht eindeutig der einen oder der anderen Gruppe zuordnen kann.
Es kommt darauf an, uns selbst jetzt annehmen zu können, in dem, was wir mitgebracht haben, aber auch in dem, was wir geworden sind; in dem, was wir verwirklichen, aber auch in dem, was wir nicht verwirklichen konnten von alledem, was in uns angelegt ist … Wer sein Leben ausgesöhnt beschließt, auch in dem Fragment, das es in manchem geblieben ist, hat das Lebensspiel letztlich gewonnen.
So fängt sie an – und dann schließt die Jung'sche Analytikerin und Psychotherapeutin Ingrid Riedel ihren LeserInnen nach und nach die wichtigen Räume des Alters auf: Erinnerung, Beziehung, Reisen, um nur einige zu nennen. Sich dieser Führung anzuvertrauen und Riedel auf Ihrem Gang zu begleiten, öffnet so manche neue Perspektive.
Auszüge aus:
Die innere Freiheit des Alterns
© Patmos-Verlag der Schwabenverlag AG Ostfildern, Düsseldorf 2009
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