EINEN SOLCHEN HIMMEL IM KOPF
Im Zentrum des Romans steht die Jugendfreundschaft von Annemut und Johanna. Sie sind unzertrennlich, Johanna ist die schöne, exzentrische Person, die sich nichts gefallen lässt. Die beiden Mädchen verbindet ihre Ablehnung gegen das dörfliche Leben im bayrischen „Hinterland“, dessen Ideal es ist, dass alles so bleiben soll wie es immer war. Annemut weiß schon sehr früh, dass sie niemals in der Enge bleiben wird. Nach Jahren kehrt sie zurück in ihr Heimatdorf, um herauszufinden, woran die Freundschaft zu Johanna zerbrochen ist. Zu ihrer großen Enttäuschung zeigt Johanna ihr die kalte Schulter, selbst das „Du“ verweigert sie ihr. Die Autorin beschreibt eindrücklich die Gefühlswelten der beiden jungen Frauen, ihre Wut auf das Kleinkarierte in der Provinz und den Versuch anders zu sein als die Menschen im „Hinterland“. Am Beispiel von Annemut wird allerdings deutlich, dass sie zurückgeworfen auf sich selbst bleibt, auch in der Stadt, im Ausland oder in einer vertrackten Beziehung. „Einen solchen Himmel im Kopf“ erinnert an die Zeit, in der noch alles möglich scheint. – Sehr lesenswert.
Stephanie Gleißner: Einen solchen Himmel im Kopf
Roman. Berlin (Aufbau) 2012, 224 Seiten, ISBN 978-3-351-03506-8, geb.: 16,99 €
DIE WELT IST EINE SCHEIBE
Wiebke wächst mit mehreren Geschwistern auf einem Bauernhof auf. Sie fühlt sich ausgebeutet, möchte eigentlich nur noch weg. Mit ihrem Chor hofft sie groß herauszukommen. Geleitet wird der von Jana Strasser, die sich mit ihrem Mann Clemens und Sohn Luis den Traum vom Leben auf dem Land in Wiebkes Dorf verwirklicht. Auf unergründliche Weise fühlen sich die beiden völlig gegensätzlichen Familien voneinander angezogen. Als Wiebke sich in Clemens verliebt, werden die Beziehungen kompliziert. Ein sommerlicher Bootsausflug endet tragisch. Luis geht unbemerkt über Bord und taucht nicht wieder auf. Wiebkes Vater leidet unter furchtbaren Schuldgefühlen. Nach einiger Zeit der Funkstille zwischen den Familien sucht er Luis' Mutter auf. Die beiden beginnen eine Affäre. Die Autorin versteht es meisterhaft, die konträren Blickwinkel auf das Landleben in eine spannende Geschichte einzubetten, in der die inneren Stürme eines flügge werdenden Mädchens eine zentrale Rolle spielen. – Eine wunderbare Innenansicht des Lebens auf dem Land, geeignet für Jugendliche und Erwachsene.
Alexandra Kuitkowski: Die Welt ist eine Scheibe
Roman. Hamburg (Hoffmann & Campe) 2015, 143 S., ISBN 978-3-570-31031-1, kt.: 8,99 €
DAS LEBEN DER REBECCA JONES
In dem abgeschiedenen Tal Maesglasau zwischen Bergen, Bach und einem entlegenen Wasserfall lebt und wirtschaftet die Familie Jones seit Generationen. 1903 holt Sohn Evan die Mutter von Rebecca als Braut nach Tynbraich, auf den Hof. Die Autorin lässt Rebecca, die älteste Tochter erzählen: vom Alltag auf der Farm, dem Leben der Menschen, dem Wechsel der Jahreszeiten und immer wieder der Natur, die tröstet und Heimat ist. Ein ruhiger, stiller Roman, der, wenn man sich darauf einlässt, verzaubert und innehalten lässt. Die Autorin – selbst Nachfahrin der Familie – verarbeitet Autobiographisches, fügt Fotografien, Gedichte ein und überrascht am Ende mit einer unerwarteten Wendung. – Sprachlich und stilistisch herausragend, reich beschenkt wird, wer sich einlassen mag auf Geschichte und Erzählrhythmus. Ein ruhiger Roman, gefeiert als walisischer Klassiker.
Angharad Price: Das Leben der Rebecca Jones
Roman. Aus d. Engl. von Gregor Runge.
Mit einem Nachwort von Jane Aaron.
München (DTV) 2014, 174 S., ISBN 978-3-423-28038-9, geb.: 18,90 €
ALTES LAND
Auf einem Hof im Alten Land bei Hamburg finden 1945 Flüchtlinge aus Ostpreußen Unterschlupf. Am Anfang stehen sich die stolze Bäuerin Ida Eckhoff und die noch stolzere ostpreußische Sängerin Hildegard von Kamcke gegenüber. Einfach ist es nicht, und auch Jahrzehnte und Generationen später ist das Gefühl von Vertreibung, nicht ankommen können und der Frage nach Heimat noch gegenwärtig. Ob es das Haus ist, was die Autorin flüstern und ächzen lässt, oder die Menschen, die ihre Ängste und Erlebnisse, aber auch ihre Sehnsüchte mit sich herumtragen, alles wird gekonnt und einfühlsam erzählt. Hansen, die hier mit Bravour ihren Erstling vorlegt, ist in Nordfriesland geboren und heute, nach Stationen in Hamburg, im Alten Land zuhause. Schön auch die Passagen, in denen sie mit sanfter Ironie den Umgang von Stadt- und Landmenschen miteinander beschreibt. Lange klingt die Geschichte, die so viele Aspekte hat, nach; nur ungern legt man den Roman aus der Hand. – Wunderbare Lektüre, gute Unterhaltung mit Tiefgang, sicher auch gut in Frauengesprächskreisen einsetzbar.
Dörte Hansen: Altes Land
Roman. München (Knaus) 2015. 286 S., ISBN 978-3-8135-0647-1, geb.: 19,99 €
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