Ausgabe 2 / 2014

Lese-Tipps


Keine Experimente …
… ist der Titel eines Romans über das Zerbrechen eigener Prinzipien und die Suche nach dem richtigen Umgang mit Veränderungen.

Welche Leitlinien tragen uns durch unser Leben? Für Frederik Kallenberg, ein junger konservativer Abgeordneter im Deutschen Bundestag, ist diese Frage nicht schwer zu beantworten: Treue, Ehrlichkeit, Anstand. Er gilt als prinzipientreu und ehrlich, dabei redegewandt und intelligent. Sein Herzensanliegen ist das Müttergeld, das er mit einer Gesetzesinitiative noch vor der bevorstehenden Bundestagswahl durchsetzen möchte. Doch bald muss er erkennen, dass weder der Berliner Politzirkus noch er selbst seinen Vorstellungen von Sitte und Moral standhalten können. Gegen jede Vernunft verliebt Kallenberg sich in die lebenslustige Liane, betrügt mit ihr seine Ehefrau, die im heimischen Sauerland geblieben ist, um ihren beiden Söhnen ein trautes Heim zu bieten. Immer tiefer ziehen ihn seine Schuldgefühle in eine Spirale von Zwangshandlungen, durch die er versucht, sein vormals geregeltes Leben wiederherzustellen.

Einfühlsam und tiefsinnig schafft der Autor eine Figur, die an ihren eigenen Ansprüchen zu zerbrechen droht und schließlich erkennt, dass sie sich nur treu bleiben kann, wenn sie Veränderungen – im Großen wie im Kleinen – zu akzeptieren lernt. Ein sehr empfehlenswerter Roman nicht nur für politisch interessierte LeserInnen. – Buchempfehlung von eliport. Evangelisches Buchportal e.V.


Markus Feldenkirchen: Keine Experimente. Roman.
Zürich (Kein & Aber) 2013. 397 S.
ISBN 978-3-0369-5671-8, geb.: 22,90 Ä


Macht. Geschichten von Erfolg und Scheitern

Aufstieg, Leben auf dem Gipfel, Fall, Aufprall und das Leben danach. Katja Kraus – vor ihrem persönlichen Aus erst Fußballnationalspielerin, dann acht Jahre im Vorstand des HSV als einzige Frau im Management des deutschen Profifußballs – teilt das Erlebnis einer solchen Flugkurve mit vielen ehemaligen Topleuten aus Wirtschaft, Politik, Kirche und Sport. Wohl deswegen waren Menschen wie Hartmut Mehdorn, Andrea Ypsilanti oder Hera Lind, Sven Hannawald oder Gesine Schwan, Björn Engholm oder Maria Jepsen bereit, ihre Erfahrungen mitzuteilen. Die Reflexion der erzählten Lebensgeschichten nimmt dem jeweiligen Scheitern nicht die Härte. Autorin, GesprächspartnerInnen und LeserInnen leben damit weiter. Mal besser, mal schlechter. Nicht immer, und bestimmt nicht immer sofort, erschließt sich einer/einem, wie das passieren konnte. Vielleicht sogar, wofür es gut war. Eine unter Umständen durchaus tröstliche Perspektive wird allemal sichtbar: Das Scheitern von Plänen, von Karrieren, von Ideen macht aus einer/einem längst noch keinen „Looser“, keine „Versagerin“. Gehört zu einer Biografie, einer Geschichte, die das Leben schrieb, vielleicht sogar dazu. Leichter zu ertragen wird es durch die Erkenntnis nicht, jedenfalls nicht sofort. Ungefährlicher auch nicht, manche zerbrechen daran. Endgültig „gescheiterte Existenzen“ kommen bei Katja Kraus nicht vor. Wie auch – sie wären kaum noch eloquente GesprächspartnerInnen. Den Wert der Erzählungen von Menschen, die sich nach dem tiefen Fall selbst (wieder-) gefunden haben, mindert das nicht.


Katja Kraus: Macht. Geschichten von Erfolge und Scheitern,
S.Fischer Verlag GmbH, Frankfurt a.M. 2013,
252 S., 18,99 Ä


Cabo de Gata

„Ich erinnere mich, wie ich innehielt, mitten in der Bewegung. Ich erinnere mich an den Geruch von Kaffee, genauer gesagt, an den Geruch des kleinen, arabischen Kaffeekochtopfs, den ich von meiner Mutter geerbt habe, und zwar daran, wie er von innen riecht, wenn er leer ist, an seinen Eigengeruch also, den er nach hundert- und tausendfachem Aufbrühen angenommen hat (und den ich nur notdürftig mit den Worten Metall und Kaffeesatz beschreiben kann, weil ich mich an Gerüche meist nur dann erinnere, wenn ich sie tatsächlich rieche).“ – Schon die ersten beiden Sätze lassen die faszinierende Präzision der Sprache aufscheinen, mit der Eugen Ruge Bilder, Geräusche, Gerüche, Stimmungen im Kopf der LeserInnen erzeugt. Was „passiert“, ist in drei Sätzen (im Buch in drei Kapiteln) erzählt. Da wird einer gewahr, dass er vor den Trümmern seiner bisherigen Existenz steht: familiäre Beziehungen mehr oder weniger gescheitert, berufsunfähig wegen Schreibblockade. Er steigt aus, steigt in einen Zug, fährt (sich) herunter, quer durch Europa bis in ein portugiesisches Fischerdorf im Winterschlaf, entfährt so seiner Situation, richtet sich in seiner Antriebslosigkeit ein. Bis, Kapitel 3, eine Katze auftaucht, seinen Knopf für „Neustart“ findet, drückt. Ein Buch zum noch einmal und noch einmal Lesen. Schon, um irgendwann vielleicht zu verstehen, ob „diese Geschichte, die ich erfunden habe, um zu erzählen, wie es war“ – wirklich passiert ist. Erfunden und wahr zugleich ist? Erinnertes Leben oder erfundene Erinnerung?


Eugen Ruge: Cabo de Gata,
Rowohlt Verlag GmbH,
Reinbek bei Hamburg 2013, 203 S.,
19,95 Ä (E-Book: 16,99 Ä)

– Buchempfehlungen von Margot Papenheim, Redakteurin ahzw

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