Ausgabe 2 / 2008 Material von Thomas Gesterkamp

Macht Spüli impotent?

Von Thomas Gesterkamp


Fehlt Vätern die erotische Ausstrahlung, wenn sie sich in der Familie engagieren? Sind sie keine richtigen Männer mehr, sobald sie sich richtig um ihre Kinder kümmern? Interessant ist, wie die Öffentlichkeit auf Lebensentwürfe reagiert, die abweichen von traditioneller Männlichkeit. Auch in seriösen Medien finden sich Beispiele für die Abwertung von Männern, die mit Geschlechterrollen experimentieren.

Wie es den „Mutter-Attrappen“ (so eine Schlagzeile) im Alltag ergeht, erfährt die Öffentlichkeit in schöner Regelmäßigkeit aus erster Hand. Die abenteuerlichen Erlebnisse männlicher „Erziehungsurlauber“ – pardon: „Väterzeitler“ – werden immer wieder gern gedruckt. Meist bündeln Journalistenkollegen ihre Erfahrungen in einem heroischen Aufschrei gegen all die Kränkungen, die ihnen die Heldenreise in eine weiblich dominierte Welt eingetragen hat. Unter dem Titel „Abstieg zum Dummerchen“ hat der Spiegel einst beschrieben, wie engagierte Familienväter angeblich unweigerlich „zur Lachnummer verkommen“. Das Herrenmagazin verkündete: „Im Bett der Hausmänner wird die erotische Spannung geringer.“ Da kommt beim schuftenden Teil der männlichen Bevölkerung dann wirklich Freude auf. Die Machterotik des Bandscheibenschadens, der Wortlosigkeit und der vier  Flaschen Bier am Abend; der erotische Kick, der sich beim Heimkommen, Krimigucken und Müde werden aufbaut; die knisternde Spannung der privaten Randständigkeit, der Überstunden und der Wampe, all das erfährt seine fröhliche Umdeutung: Ich gehe arbeiten, ich bin ein ganzer Kerl und kein zotteliger Hausmann!
Das Klischee vom „Weichei“, das auf Männer mit ungewöhnlichen Lebensentwürfen zielt, wirkt mittlerweile reichlich abgenutzt. Warum sollten Väter, die sich Zeit nehmen für ihre Kinder, nicht sexy sein? Sind sie in ihrer Rolle als „Daddy cool“ nicht sogar attraktiver?

Ein Plakat des DGB Hamburg, das vor ein paar Jahren für Teilzeitarbeit warb, hat die übliche sexuelle Denunziation in ihr Gegenteil verkehrt. Es zeigt einen Mann – nackt oder zumindest mit nacktem Oberkörper – im Bett, der sich die Hand an die Stirn hält und frustriert ins Leere starrt. Hinter ihm bemüht sich eine Frau mit tröstendem Gesichtsausdruck um ihn. „Hätt' er Teilzeit, könnt' er länger …“ steht darunter. Sie enttäuscht, er verzweifelt: Unter dem Motto „Mit Teilzeit wär' das nicht passiert“ wagt sich ausgerechnet der Deutsche Gewerkschaftsbund ins Schlafzimmer!

Der Kerngedanke ist jedenfalls nicht verkehrt: Für Erotik und Sexualität braucht Mann Zeit – ein entspannteres Leben, als ihm die Arbeitsgesellschaft und die damit  verknüpfte Rolle des materiellen Versorgers gönnen will. Andererseits hält sich das Klischee mit der Machterotik nicht ohne Grund so beharrlich. Denn der Traum vom  Versorger ist keineswegs durchgehend ausgeträumt. Die Komplizenschaft mancher Frauen mit den männlichen Siegertypen gibt es nach wie vor. Bei der weiblichen  Partnerwahl spielen Leistung und sozialer Status weiterhin eine wichtige Rolle.

Riskieren also engagierte Väter, die das Korsett der Macht zumindest zeitweise ablegen, dass ihre Partnerinnen sich in Richtung traditioneller Alphamännchen orientieren?
Weich und hart zugleich: Spitze im Job, nachmittags für die Kinder da, abends der großartige Liebhaber – das klingt nach Überforderung. Aber es ist kein Widerspruch, im Beruf seinen Mann zu stehen und trotzdem im Privat leben fürsorglich zu sein. Engagierte Väter retten vielleicht nicht unbedingt die Welt da draußen, dafür erleben sie Abenteuer anderer Art, die aufregender sein können als jeder Wüstentrip. Warum sollte sie diese spannende Mischung unattraktiv machen?


Thomas Gesterkamp

aus:
Die neuen Väter zwischen Kind und Karriere

(c) Verlag Herder
Freiburg im Breisgau 2007

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