Ausgabe 2 / 2015 Material von Thomas Seiterich

Mass Mob – Aus Leere wird Fülle

Von Thomas Seiterich

Das Phänomen ist neu und sehr amerikanisch. Es existiert noch nicht einmal ein Artikel in der Internet-Enzyklopädie Wikipedia über den Mass Mob. Diese Feier- und Aktionsform bildet derzeit so etwas wie den letzten Schrei innerhalb der Web-Community in Nordamerika. Und: Der Mass Mob füllt die Innenstadt-Kirchen.
Der Mass Mob fällt in eine ähnliche Kategorie wie öffentliche Spontan-Partys, Ad-hoc-Tanzaktionen auf Plätzen oder friedliche Liege-Proteste auf der Straße. Jedes Mal werden die Teilnehmer im Internet, in sozialen Netzwerken, gesucht und gefunden. Die Mitmachenden sind zumeist jung. Worum geht es genau? „Mass“ bedeutet in diesem Falle nicht „Masse“ oder „Menge“, sondern Andacht beziehungsweise Gottesdienst. Und „Mob“ heißt weder mobilisieren, noch ist damit der Pöbel gemeint, sondern die „Masse“, also die Vielen. Denn Ziel dieser Web-Aktion ist es, in den Zentren großer Städte in den USA werktags möglichst viele Menschen in die Kirche zu Andacht und Gottesdienst zu locken.

Gegründet hat die Aktion der New Yorker Mittdreißiger Michael Cardigan. Ein Katholik. Er sieht sich als Start-up-Gründer einer die Konfessionen übergreifenden Bewegung zur Evangelisierung „mit unkonventionellen Mitteln“. Cardigan erklärt seine Initiative so: „Das bringt Menschen näher zu Gott und zur Kirche und die Kirche stärker in die sozialen Medien.“ Und außerdem sorge der Mass Mob nebenbei „für mehr Geld in den häufig schmalen Klingelbeuteln“.
Wie das funktioniert? Die Communitys in den sozialen Medien wählen selbst eine Kirche in der Nähe ihres Arbeitsplatzes aus, und der dortige Pfarrer oder die Pfarrerin macht ihnen ein Angebot. Zu den ersten Mass Mobs lud der Franziskanerpater Thomas Franks in die Kirche „St. John the Baptist“ ein. Sie ist die zweitälteste Kirche in Manhattan und liegt im Geschäftszentrum um den Pennsylvania-Bahnhof. Während zuvor höchstens fünfzig Personen mittags zur Pausenandacht kamen, füllen seit Beginn des Mobs regelmäßig mehrere Hundert Leute die Kirche.

Der Ablauf ist an allen Orten gleich: Nach einer kurzen Andacht oder Messe gibt es Gelegenheit zum Essen und zum Kennenlernen. Immer mehr Innenstadt-Pfarreien öffnen sich für den Mass Mob: Kirchen in Buffalo, Philadelphia, Detroit, San Diego, Cleveland und in vielen anderen Großstädten machen mit. Alles sei ganz einfach, so berichtet der „Detroit-Mass-Mob“: Man oder frau solle einfach erscheinen. „Am besten mit Kamera, um das ebenso andächtige wie anschließend fröhliche Geschehen sogleich für die sozialen Netzwerke festzuhalten.“ – Viele Viele Filme von Mass-Mob-Andachten finden sich in You-Tube. Texte finden sich unter dem Suchbegriff Mass Mob.

in:
Publik Forum kritisch-christlich-unabhängig
Oberursel Ausgabe 20/2014

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