Ausgabe 2 / 2008 Andacht von Christiane Klages

Mein Vater, der Held

Andacht über einen Vater, der hält

Von Christiane Klages


Hinweis für die Leiterin:In dieser Andacht wird es vor allem um positive Vatererfahrungen gehen, die sicher sehr persönlich geprägt sind. Erfahrungen, die einen Zugang zur Rede von Gott als Vater erleichtern. Vielleicht eine Anregung, über eigene Gottesbilder nachzudenken und sich darüber auszutauschen. Laden Sie die Frauen ein, die folgenden Erfahrungen mit einem Vater zu hören und mit ihren eigenen Erfahrungen zu vergleichen.


Mein Vater ist ein Held. Um das zu erkennen, musste ich 44 Jahre alt werden. Ein Held – nicht wie aus dem Roman oder nach altem Klischee. Mein Vater ist ein Held, weil er es ist, der unsere Familie zusammengehalten hat, der manches ausgehalten hat und der immer wieder Halt gibt.

Geboren 1932, gehört mein Vater zu den so genannten Weißen Jahrgängen: zu jung, um am Ende des Krieges zum „letzten Aufgebot“ zu gehören, zu alt, um in die Bundeswehr zu müssen.  Darüber war er immer sehr froh. Vielleicht ist es für Männer seiner Generation leichter, ein Held anderer Sorte zu sein? Seine Mutter unterschied in ihrer Erziehung nicht nach Aufgaben für Jungs oder Mädchen. Alle machten alles im Haushalt, ganz selbstverständlich. Auch das half ihm, ein Held zu werden. Niemand kann so gut Knöpfe „mit Stiel“ an einen Mantel nähen wie er, selten sah ich jemand mit mehr Hingabe frische grüne Bohnen abknipsen oder mit mehr Geduld verknotete Fäden lösen.

Mein Vater hat die Gabe zuzuhören – auch als Kinder durften wir ihn am Schreibtisch stören, und er hörte unser Anliegen oder unsere Klagen an. Nicht, dass er perfekt wäre, mein Vater. Wie viel Zeit hat seine Familie auf der Suche nach seinem Autoschlüssel verbracht, wenn er zum Dienst musste! Und bis heute treibt seine Sammlung von alten Brettern, Schrauben und nur noch fast Brauchbarem meine Mutter manchmal zur Verzweiflung.

Dafür wusste er mein eigenes „Heldentum“ zu fördern und für meine Belange einzustehen. Wenn er den Eindruck hatte, ich sei schlecht oder unfair behandelt worden, drohte er: Ich gehe da hin und beschwere mich, ich sage der/dem die Meinung! Und das endete nicht mit der Schulzeit – manchmal sagt er so was noch heute. Meine  Reaktion war und ist immer die gleiche: Ach lass mal, ich regele das schon selber! Denn er würde seine Ankündigung wahr machen, ich weiß das.

Und doch wurde mir erst vor einigen Wochen bewusst, dass er ein Held ist. Mein autistischer Bruder war bei den Eltern zu Besuch gewesen, und mein Vater fuhr ihn nach Hause zurück. „Und, wie sah die Wohnung aus?“ fragte ich bei unserem abendlichen Telefonat. „Na, du kennst ja deinen  Bruder, der sieht vieles einfach nicht. Da habe ich dann erst mal klar Schiff gemacht und nach einem kleinen Schläfchen bin ich dann zurückgefahren.“ In diesem Moment wurde mir klar – mein Vater ist ein Held, mit einer großen Gelassenheit und ganz selbstverständlich. Und natürlich hat er mein Bild vom Vater-Sein geprägt. Ich spüre viel von Halt, von Gehaltenwerden und Sicherheit.

Sicher haben Sie selber viele und ganz unterschiedlich Vatererfahrungen – gute, weniger gute und schlechte. Dazu gehören auch diejenigen, die von der Abwesenheit des Vaters – aus welchen Gründen auch immer – geprägt sind. Ich möchte Sie einladen, über Ihre eigenen Vatererfahrungen nachzusinnen und miteinander ins Gespräch zu  kommen …


Nach einer Weile legt die Leiterin fünf A-4-Blätter mit je einem Buchstaben des Wortes „VATER“ untereinander in die Mitte und verteilt leere Papierstreifen und Stifte auf dem Tisch sowie Papierstreifen mit  Worten, die mit einem der Buchstaben anfangen, z.B.:
V – Vertrauen / Verbitterung / Verbot / Verlangen / Versöhnung / Vernunft
A – Anstand / Abwehr / Angriff /Auseinandersetzung / Annahme
T – Tiefe / Trost / Trauer / Trotz / Täuschung / Tabu / Tatkraft
E – Einsam / Ehre / Einsatz / Elend / Enttäuschung / Egoist/ Echt / Enge
R – Retter / Riese / Ratlos / Rangordnung / Rigoros / Rücksicht

Dann werden die Frauen eingeladen, sich eines der Worte herauszusuchen, das mit ihrem Vaterbild verknüpft ist, oder einen der leeren Streifen mit für sie „richtigen“ Worten zu beschriften. Nach und nach legen sie sie zu den VATER – Blättern – wenn sie wollen, auch mit einer kurzen Erklärung. Dabei achtet die Leiterin darauf, dass die Äußerungen der Frauen von den anderen nicht kommentiert oder bewertet werden.

Danach kann die Leiterin noch eine kurze Austrauschrunde einleiten zur Frage:
Welche Gedanken gehen mir durch den Kopf, wenn ich auf das hier entstandene „Vater-Bild“ schaue?


Väter und Töchter – ein Verhältnis mit vielen Facetten, Vatererfahrungen und Vaterbildern. Auch der Lauf der Zeit trägt dazu bei, dass sich unser Bild vom Vater, vom Vatersein wandelt.

Vater und Tochter – dieses Verhältnis ist auch bedeutsam für unser Gottesbild. Schlechte Erfahrungen mit ihren Vätern waren für viele Frauen der Anlass, sich vom Bild „Gott der Vater“ abzuwenden, von „Gott der Mutter“ zu sprechen oder „Du Gott bist uns Vater und  Mutter im Himmel“ zu beten. Damit tun sich aber andererseits viele Frauen schwer, die zeitlebens im „Vaterunser“ zuhause waren.

Vater unser im Himmel – wenn wir das beten, sprechen wir direkt, verlassen wir uns auf eine gute Vater-Tochter-Beziehung. Unser Vater – wenn wir so mit Gott sprechen, schwingen immer auch unsere Gedanken an unseren Vater mit. Und wenn die negativ sind? Müssen wir dann auch die Rede, die Hoffnung aufgeben, dass Gott „ABBA – lieber Vater“ von uns genannt werden kann?
Martin Luther drückt es im kleinen Katechismus in der Erklärung zum Vaterunser auf eine interessante und hilfreiche Weise aus:
„Gott will uns damit locken, dass wir glauben sollen, er sei unser rechter Vater und wir seine rechten Kinder, damit wir getrost und mit aller Zuversicht ihn bitten sollen wie die lieben Kinder ihren lieben Vater.“

Gott will uns locken – mit dieser Anrede locken zum Vertrauen darauf, dass er ein verlässlicher, haltender Vater ist. Wenn wir Gott Vater nennen, geschieht das nicht aus Angst oder Ehrfurcht, sondern „damit wir getrost und mit aller Zuversicht“ uns auf seine Liebe verlassen.

Vater unser – wenn wir so beten, sehen wir uns als Kinder Gottes, als Töchter und Söhne. Und alle Bilder und Erfahrungen in ihrer Vielfalt werden am Ende immer nur eine Annäherung sein, was und wie Gott ist – Vater und Mutter, Burg und Glucke, König und Kind, Atem und Begegnung. Wir  können uns darauf  verlassen – Gott hält, hält uns aus und hält zu uns. Darum können wir beten: Vater unser im Himmel. Darum können wir auch beten: Du, Gott, bist uns Vater und Mutter im Himmel.


Segen:


Gott,
voller Liebe wie eine Mutter und gut
wie ein Vater,
Gott segne dich.

Gott behüte dich,
umarme dich in deiner Angst,
stelle sich vor dich
in deiner Not.

Gott lasse leuchten Gottes Angesicht über dir,
wie ein zärtlicher Blick erwärmt,
so überwinde Gott bei dir,
was erstarrt ist.

Gott sei dir gnädig,
sehe dein Leid,
tröste und heile dich.

Gott,
voller Liebe wie eine Mutter und gut
wie ein Vater,
Gott segne dich.


Lieder:


Sei Lob und Ehr (EG 326,1.5-7);
Ja, ich will euch tragen (EG 380);
Wir strecken uns nach dir, in dir
wohnt die Lebendigkeit


Christiane Klages, geb. 1963, ist seit Januar 2007 Leitende Pfarrerin der Ev. Frauenhilfe Landesverband Braunschweig. Zuvor hat sie zehn Jahre als  Gemeindepfarrerin und fünf Jahre als Leiterin des Gemeindereferates der Landeskirche Braunschweig gearbeitet.

Ausgabenarchiv
Sie suchen eine Ausgabe?
Hier entlang
Suche
Sie suchen einen Artikel?
hier entlang