Alle Ausgaben / 2013 Artikel von Kristina Dronsch, Christine Pfeiffer, Katrin Reichelt und Christine Sassermann

Minka, Luna, Max und ich

Haustiere in unserer Verantwortung

Von Kristina Dronsch, Christine Pfeiffer, Katrin Reichelt und Christine Sassermann


Haustiere und ihre Menschen – eines jener Themen, die uns aus dem Stand in zwei Lager spalten (können). TierfreundInnen hier, die anderen da.

„Die spinnen doch!“, denken die einen (heimlich). Ständig dies Getue mit dem blöden Köter! „Gefühllose Monster“ ist noch die freundlichere Replik derer, die ihren Hund, ihre Katze, ihr Kaninchen oder ihren Piepmatz von Herzen lieben. Einig sind beide sich meist in einem Punkt: Wer ein Haustier „anschafft“, hat sich kein Spielzeug gekauft, sondern geht eine Beziehung mit einem anderen Lebewesen ein und übernimmt Verantwortung. Diese Verantwortung hat viele Aspekte – über drei davon erzählen die folgenden Geschichten.


Meine Katzen sind meine Kinder: Eine tiefe Bindung eingehen

„Dann bekommen wir wohl keine Enkelkinder?“ Sprach mein Schwiegervater, nachdem mein Mann und ich uns zwei Katzen zugelegt hatten. Und so war es dann auch. Wir haben sie adoptiert, ihnen Namen gegeben, sie gehätschelt und erzogen, ihnen Charaktereigenschaften zugesprochen. Und wahrscheinlich haben wir sie auch irgendwie vermenschlicht. Wir waren wie eine kleine Familie, sogar in das Türschild waren eine Frau, ein Mann und zwei Katzen gebrannt.

Ja – Kiddy und Max waren unsere Kinder. Mit dem Unterschied, dass diese Kinder niemals erwachsen werden können. Solange sie leben, bleiben sie von uns abhängig. Wir waren uns der Verantwortung bewusst, vielleicht 20 Jahre für zwei von uns abhängige Geschöpfe zu sorgen. Und wie das meistens so ist, nimmt die Frau nach der Trennung die Kinder mit, auch ich. Die Kinder waren da aber schon alt und krank. Als quasi „Alleinerziehende“ von „kranken Kindern“ konnte ich nicht mehr so am gesellschaftlichen Leben teilnehmen, wie ich es ohne die Katzen wohl getan hätte. Ich musste nach der Arbeit direkt nach Hause, konnte nicht mal eben spontan in eine Kneipe gehen, eine Freundin treffen oder die ganze Nacht wegbleiben. Das Geld fehlte an allen Ecken und Enden, da mein Kater herz- und nierenkrank war, zudem blind durch Bluthochdruck, während meine Katze unter einer schmerzhaften Arthrose litt. Aber da ich alles, aber auch alles für meine Tiere getan hätte, sogar an meinem Essen gespart, bekamen sie auch alles, was notwendig war – Medikamente, Diätfutter und Besuche beim teuersten Tier-Kardiologen der Stadt. Ich googelte mich durch Erfahrungsberichte von anderen Tierhaltern, um das Beste für meine Tiere zu finden. Wenn ich nach Hause kam, hatte ich Angst, dass es einem der beiden wieder schlecht ging.

Angst hatte ich auch davor, den richtigen Moment für die letzte Entscheidung zu verpassen. Da habe ich zu meinem Kater gesagt: „Sag mir, wenn es nicht mehr geht.“ Vielleicht für Nichtkatzenkennerinnen eine etwas verrückte Idee – aber er hat es getan. Als ich eines Nachmittags von der Arbeit nach Hause kam, hatte er vor die Haustür aufs Parkett gemacht, was noch niemals vorgekommen war. Ich wusste, dass das jetzt das Ende war. Auch das stimmte. Diagnose: Nierentumor. Ich habe ihn in den Tod begleitet und durfte ihn festhalten, bis er fast kalt war. Niemand, der das nicht selbst schon einmal durchlebt hat, kann den Schmerz verstehen. Bis zuletzt hat mein Kater meinen Zeigefinger mit seiner Pfote festgehalten, als wollte er mich nicht loslassen. Ich habe ihm alles erklärt, und er hat meinen Finger gedrückt. Meine Katze, ein sehr eigensinniger Charakter, hat sich von mir nicht verabschieden wollen und ist gestorben, als ich im Urlaub war. Meine Schwiegermutter hatte das Tier versorgt und war untröstlich, dass es ausgerechnet da passieren musste. Ich weiß aber, dass meine Katze nicht hätte gehen können, wenn ich da gewesen wäre.

Diese Bindung zu meinen Tieren können die wenigsten verstehen oder nachfühlen, die kein Tier „adoptiert“ haben. Und ich meine adoptiert im wörtlichen Sinne – nicht „angeschafft“. Adoptieren beinhaltet für mich, ein Tier ganz nah an mein Herz zu holen und es sein ganzes Leben zu begleiten, weil dieses Tier mich genauso begleitet, mich genauso an sein Herz gelassen hat. Und wenn ein Tier mich an sein Herz lässt, ist das immer noch die größte Ehre für mich.

– Menschen geben ihren Tieren gern „passende“ menschliche Namen – Fällt mir eine Geschichte dazu ein, die ich selbst erlebt habe?
– Ein Tier zu „adoptieren“ heißt, es „ganz nah an mein Herz zu lassen“ und „es sein ganzes Leben zu begleiten, weil dieses Tier mich genauso an sein Herz -gelassen hat“. – Kennen wir das aus eigener Erfahrung oder aus Beobachtungen
in unserem Umfeld?
– Für viele gehören Haustiere genauso zur Familie wie Eltern, Kinder, Geschwister – und wenn das geliebte Haustier stirbt, ist die Trauer groß. Haben wir das selbst schon erlebt oder miterlebt?


Christine Sassermann arbeitet in der EFiD-Geschäftsstelle im Sekretariat für Öffentlichkeitsarbeit und Publikationen.


Leni will unbedingt eine Katze: Kindern Verantwortung zutrauen

Wir haben eine Tochter, die schon im Kindergarten von den Erziehern gerufen wurde, wenn es hieß, Spinnen liebevoll zu entsorgen oder Kellerasseln ein schönes, neues Zuhause zu geben. Will sagen, sie hat keinerlei Berührungsängste und liebt Tiere jeglicher Art. Anfangs wurde ihr Wunsch nach einem Haustier belächelt und abgetan. „Mal sehen“, sagten wir. Oder: „Wir haben doch nur eine 3-Zimmer-Wohnung im 1. Stock!“ Wo um Himmels willen sollte das Haustier denn artgerecht gehalten werden? Vielleicht, wenn wir ein Haus hätten …

Ich bin zwar eine Tierfreundin, aber vor allem bei Haustieren anderer Familien. Sehe in erster Linie die Verantwortung, die Arbeit, die Zeit und natürlich auch die finanzielle Seite. Außerdem habe ich keine Lust, die Katzentoilette oder den Vogelkäfig oder den Kaninchenstall zu säubern, wenn unser Kind das Interesse an dem Haustier verloren hat. Hört man ja immer wieder im Freundeskreis – warum sollte gerade unsere Tochter da eine Ausnahme sein?

Mittlerweile ruhte der Haustierwunsch schon über drei Jahre auf der langen Bank. Und eigentlich war ich recht zufrieden damit und fand, dass unsere Tochter trotzdem einen glücklichen Eindruck machte. Bis mir eines Tages beim Aufräumen des Kinderzimmers ein kleines Buch in die Hand fiel. Ich schlug es auf und las die dahin gekritzelten Zeilen unserer Tochter: „Mein sehnlichster Wunsch ist ein eigenes Haustier. Doch wohin damit, wenn wir in den Urlaub fahren. Ich weiß es nicht. Vielleicht ist es ohne Haustier doch besser.“ Das schlug ein wie ein Blitz. Ich hatte in den letzten drei Jahren ganze Arbeit geleistet – meine Tochter wollte freiwillig auf ihren sehnlichsten Wunsch verzichten. Dank meiner ausführlichen Erklärungen und Einwände glaubte sie nun auch selbst, dass dies die beste Lösung sei. Ich könnte jetzt das kleine Buch zuklappen und nicht mehr darüber nachdenken. Ich klappte das Buch zu und ging zum Telefon. Ich rief meine Schwester an, die im Gegensatz zu mir einem Hund und vier Katzen ein liebevolles Zuhause schenkt. Zwei dieser vier Katzen hat sie notgedrungen vom Nachbarn adoptiert, der in ihnen nur Arbeit und unnötige Kosten sah und sie sich selbst überließ. Doch das ist eine andere Geschichte.

Das Ergebnis des Telefonates: Wir bekommen Minka. Minka ist die wunderschönste, liebevollste und schmusigste Katze auf der ganzen Welt. Was braucht eine Katze? Ein liebevolles Zuhause. Haben wir. Inzwischen sogar das besagte Haus mit Garten. Katzentoilette, Futter, Kratzbaum, Katzenkorb. Dank „Fressnapf“ alles besorgt. Katzentransportkäfig von einer netten Kollegin abgestaubt. Meine Tochter, vollkommen aus dem Häuschen, geht mit den Worten zum Auto: „Mama wir fahren in ein neues Leben.“

Und so war es auch. Ein Haustier ist tatsächlich eine Bereicherung – und die Arbeit hält sich in Grenzen. Denn meine Tochter sieht es als Liebesbeweis, jeden Morgen vor der Schule unaufgefordert die Katzentoilette zu säubern. Ich hoffe, es bleibt so. Ach was, ich bin davon überzeugt. Und hoffe, dass auch ich irgendwann einmal die Katzentoilette säubern darf.

– Welche Voraussetzungen müssen eigentlich gegeben sein, um eine Katze artgerecht zu halten?
– „Kinder verlieren schnell das Interesse an einem Haustier, sind mit der Verantwortung überfordert.“ – Welche Erfahrungen oder Beobachtungen haben wir da gemacht?
– „Minka“ hat im Sturm auch das Herz der skeptischen Mutter erobert. – Welches Haustier würde zu mir passen? Und welche Eigenschaften müsste es haben, damit ich es lieb gewinnen könnte?


Katrin Reichelt arbeitet in der Buchhaltung der EFiD-Geschäftsstelle und der Männerarbeit der EKD.


Luna braucht ein Plätzchen zum -Sterben: Ethisch entscheiden

Ein Plätzchen zum Sterben? Wenn es mehr nicht ist, das können wir bieten, versicherte ich der Stimme am Telefon. Nachdem der Familienrat getagt hatte, waren alle überzeugt, dass wir einem Hund, der die letzten sieben Jahre in einem Tierheim verbracht hatte, einen Platz für seine letzten Lebenstage bieten können. Die Hundeseniorin nicht in einer Tierheimzelle sterben zu lassen, neben dem lauten Gebell von über 200 Hunden und der Hektik des Tierheimalltags, schien uns allen ein Gebot des würdevollen Umgangs mit einem sterbenden Mitgeschöpf und zudem ohne viel Aufwand für uns zu bewerkstelligen. Sie sollte auf ihre letzten Tage statt Tierheimbeton noch einmal das Gras einer grünen Wiese unter den Pfoten spüren, und ein kuscheliges Körbchen sollte auf sie warten.

Und so zog die elf Jahre alte graue Schnauze ein paar Tage später mit einer großen Medikamentenkiste und einem ebenso opulenten Sack Spezialfutter bei uns ein. Die Aufregung ließ sie kaum Augen für die schon vorhandenen zwei Katzen im Haus und den Nachbarshund haben. Nach den tierischen Erstbegegnungen zogen wir zunächst ein sehr positives Fazit für einen Hund, der als nicht verträglich mit anderen Hunden galt und nicht auf Katzenverträglichkeit geprüft war.

Während wir noch damit beschäftigt waren, die Medikamentenzettel zu studieren, kam das Fieber, und unser erster Abend mit unserem neuen Familienmitglied endete in der Tierklinik – und mit der Befürchtung, dass es auch unser letzter Abend sein würde. Einige Infusionen später und mitten in der Nacht verließen wir mit Hund die Klinik, mit noch mehr Medikamenten im Gepäck. Es folgten ruhige Tage, in denen der Blick häufig zum Hundekorb schweifte und ich mich ab und zu dabei ertappte, wie ich mitleidvoll in die ängstlichen Hundeaugen blickte. Was dann folgte, war ein Lehrstück über das Altwerden, das Kranksein und das Sterben, bei dem alle Beteiligten viel mit- und voneinander gelernt haben.

Es begann ganz langsam. Erst kleine Erkundungen außerhalb des Hundekörbchens, ein kleines Knurren, wenn die Katzen einem um die Beine schnurrten, ein klitzekleiner Jumper auf den Nachbarshund los. Und nach drei Monaten die Erkenntnis, dass unsere Todeskandidatin noch nicht bereit war zu sterben, aber ebenso wenig „ihre“ Menschen mit irgendeinem anderen Lebewesen zu teilen. Damit stellte sie ein Sicherheitsrisiko in unserem Alltag dar. Dass alte und kranke Hunde gerne lernen und (dem Alter und der Erkrankung angepasste) Aufgaben mit ihrem Menschenrudel wie ein Jungbrunnen sein können, haben wir dann auf unserem gemeinsamen Weg zum sozialverträglichen Familienhund gelernt. Drei Jahre ihres Hundelebens hat sie noch mit uns geteilt. Drei Jahre, in denen sie nie gesund, nie jung war. In denen das Sterben dann am Schluss tatsächlich die kürzeste Zeitspanne war, weil wir die Entscheidung zur Euthanasierung getroffen haben. Auch das haben wir gelernt: Es sind deine Entscheidungen, die du als Mensch (und nur du, nicht das Tier) triffst, die gravierenden Einfluss auf das Leben des alten Hundes haben. Der Mensch hat die Wahl, ob therapeutische Maßnahmen ergriffen werden, und wenn ja, welche. Der damit aufgetragenen ethischen Aufgabe muss man sich bewusst sein, und sie ist es wert, mehr als eine reine Geldfrage zu sein. Es gibt keine Richtschnur für die Wahl der medizinischen Therapie, für die Frage, was ein altes Tier kosten darf, aber gleichwohl eine ethische Grundhaltung: Es ist der respektvolle Umgang mit dem Anderen, dem mir Fremden. Gerade weil ich nicht „weiß“, was gut ist für den anderen, habe ich ihm mit Respekt zu begegnen. Nur so vereinnahme ich das Tier nicht mit meinen kulturell-gesellschaftlich bedingten Annahmen oder meinen persönlichen Überzeugungen. Wenn dich zum dritten Mal in der Nacht eine Hundeschnauze anstupst und du im Eiltempo den 20-Kilo-Hund treppab tragen musst, damit die Blase sich entleeren kann, kommt schon der Wunsch auf, dass unsere Hundeoma doch einfach einschlafen könnte. Diesen Wunsch hat sie uns nicht erfüllt. Es war unsere Entscheidung, in Rücksprache mit der Tierärztin den Punkt zu finden, wo wir dem Leben des Tieres ein Ende setzten. Viele Spezialfuttersäcke und Medikamente später endete unser gemeinsamer Weg, wie er begann: mit einem Besuch der Tierärztin – doch diesmal trafen wir uns auf der grünen Wiese.

– Aus dem süßen kleinen Welpen wird irgendwann ein alter, kranker Hund. „Der Mensch hat die Wahl, ob (und welche) therapeutische(n) Maßnahmen ergriffen werden.“ – Nach welchen Kriterien würde ich entscheiden?
– Wann ist der Zeitpunkt gekommen, das Tier einschläfern zu lassen?
– Für viele Menschen ist es wichtig, ihr totes Haustier würdevoll zu bestatten. – Welche Formen kennen wir?


Dr. Kristina Dronsch ist Leiterin des Projekts „Frauen und Reformationsdekade“ – mehr unter www.frauen-und-reformation.de.
Christine Pfeiffer verwaltet das Personal- und Finanzwesen der EFiD und der Männerarbeit der EKD.


Für die Arbeit in der Gruppe

Die TeilnehmerInnen sollen von eigenen Erfahrungen mit Haustieren erzählen und miteinander darüber ins Gespräch kommen können. Ziel ist dabei nicht, zu klären, wer recht hat. Sollten am Ende die TierliebhaberInnen und die überzeugt Haustierlosen einander etwas besser verstehen, wäre das ein richtig gutes Ergebnis.

Je nach Interesse und Gruppengröße können die Aspekte in verschiedenen Gruppen besprochen werden oder auch (in Auswahl oder nacheinander) in der Gesamtgruppe.

Zunächst liest jeweils eine die Geschichte(n) vor. Am Ende sind jeweils Fragen aufgeführt, die als Gesprächsimpuls dienen können.

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