Ausgabe 2 / 2001

Mit Sicherheit alt werden

 

„Die Evangelische Frauenhilfe in Deutschland sieht es als ihre Aufgabe an, Mitverantwortung für die Gestaltung von Kirche und Gesellschaft zu übernehmen. Dabei tritt sie insbesondere für die Belange von Frauen ein. Durch ihr Engagement will sie Ausgrenzungen überwinden und die gerechte Teilhabe aller am gesellschaftlichen Leben ermöglichen.“ So leitete die Jahreshauptversammlung 2000 der EFHiD ihre Stellungnahme zu Frauen und Alterssicherung ein.
Die Delegierten stellten fest, dass in unserer Gesellschaft Frauen in der Alterssicherung nach wie vor benachteiligt sind, vor allem deshalb, weil immer noch Rentenansprüche fast ausschließlich durch Erwerbsarbeit erworben werden können. Eine ausreichende Rente gibt es nur nach einem ununterbrochenen Vollzeit-Erwerbsleben mit relativ hohem Einkommen. Das aber können die meisten Frauen eben nicht vorweisen. Daher forderte die Jahreshauptversammlung eine Reform des Systems der Alterssicherung, die die bestehenden Nachteile für Frauen beseitigt.
Auf der Grundlage dieses Beschlusses schaltete sich die EFHiD auch in die aktuelle Debatte um die Rentenreform ein. In einem Offenen Brief machte der Vorstand den Parlamentarierinnen des Deutschen Bundestages die Positionen und Forderungen der Frauenhilfe deutlich. Insbesondere sollten sie sich in dieser wichtigen Frage über Parteigrenzen hinweg für die Interessen von Frauen einzusetzen. In diesem Sinne unterzeichnete Brunhilde Raiser als Vorsitzende der EFHiD auch den FrauenAppell für RentenGerechtigkeit, der Anfang des Jahres in der Frauenzeitschrift EMMA und in der ZEIT veröffentlicht wurde.

Politische Lobbyarbeit für Frauen gelingt auf Dauer nur, wenn sie von einer breiten Basis getragen wird. Darum hat der Vorstand der EFHiD eine Arbeitshilfe zum Weitergeben angeregt, die sich mit der Alterssicherung von Frauen auseinandersetzt. Grundlegende Informationen für die Meinungsbildung zur aktuellen Rentenreform stellte Petra Erbrath zusammen. Wenn Rente tatsächlich Lohn für Lebensleistung sein soll, werden Frauen(verbände) Alternativen zum derzeitigen System der Alterssicherung suchen und politisch durchsetzen müssen. Ein Schritt dahin könnte das in diesem Beitrag präsentierte Modell zur solidarischen Alterssicherung sein. Auf jeden Fall wird private Altersvorsorge künftig bedeutsam sein. Geld anlegen – geht das ohne schlechtes Gewissen? Auf ethisch verträgliche Alternativen bei der Geldanlage machen Antje Schneeweiß und Karin Astrid Siegmann aufmerksam.
Dass die heutige Verteilung der Renten zwischen Männern und Frauen ungerecht ist, bestreitet ernsthaft niemand. Elisabeth Krummacher setzt sich in einer Bibelarbeit zum Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg mit der Frage auseinander, ob der biblische Gerechtigkeitsbegriff Antworten enthält. Das Alter wird in unserer Gesellschaft durch einen „Generationenvertrag“ gesichert: die arbeitsfähigen Jüngeren sorgen jeweils für die Älteren. Das Modell ist nicht aufregend neu. In einer Bibelarbeit zum Elterngebot in der Tora erläutert Anke Kreutz Herausforderungen, aber auch Grenzen der Übertragbarbeit des biblischen Systems der Alterssicherung. „Damals war alles anders!“ Das ist wohl so richtig oder falsch wie der Eindruck, dass doch alles immer beim alten bleibt. Dass es lohnt, einmal genauer hinzuschauen, die eigenen Lebenserfahrungen mit denen unserer Mütter und Großmütter zu vergleichen, dazu wollen die biografischen Notizen über das Leben von Frauen ohne „große Namen“ im Frauenporträt verlocken.

Ohne Moos nix los? Vielleicht. Aber um sich im Alter rundum sicher zu fühlen, brauchen Menschen mehr als Geld. In einer Gruppe darüber nachzudenken, wie Frauen sich ihre verschiedenen Bedürfnisse erfüllen könnten, dazu leitet der Beitrag von Waltraud Liekefett an. Eine der spannendsten Fragen ist dabei für viele, wo und wie sie wohl im Alter wohnen werden. Gerlinde Fischer schlägt vor, rechtzeitig über ein alternatives Modell nachbarschaftlichen Wohnens nachzudenken. Um mein Leben in die Hand nehmen zu können, auch und gerade im Alter, braucht es neben bestimmten äußeren Gegebenheiten auch eine innere Bereitschaft. Biografiearbeit, so der Hinweis von Brigitte Hieronimus, kann den Weg dahin ebnen.

Mit Sicherheit werden wir immer älter – die Statistik ist eindeutig. Menschenwürdige Pflege Alter und Kranker, sei es zuhause durch Angehörige oder in Pflegeeinrichtungen, wird damit eine immer wichtigere individuelle und gesellschaftliche Herausforderung. Manchmal überfordert die Situation alle Beteiligten. Gewalt in der Pflege ist ein Thema, auch wenn wir das nicht gerne wahr haben wollen. Petra Zulauf lädt dazu ein, uns im schützenden und geschützten Raum einer Andacht damit auseinander zu setzen.
Sterblich zu sein gehört zu unserem Leben. Mittelalterlich Menschen arbeiteten hart daran, die ars moriendi, die Kunst des Sterbens zu erlernen. Heutige Menschen neigen eher dazu, Tod und Sterben zu verdrängen und, wenn es denn „soweit ist“, möglichst viel den zuständigen ExpertInnen zu überlassen. In der Bibel hören wir oft davon, dass Menschen „alt und lebenssatt“ sterben. Monika Bauer fragt in ihrer Andacht nach den Impulse, die wir daraus für uns gewinnen können. Als Christinnen glauben wir, dass der Tod nicht das Ende ist. „Der Stein ist weggerollt“ – diese Nachricht für die Frauen am österlichen Grab, als Botschaft des Glaubens von Generation zu Generation überliefert, inspirierte ein ökumenisch angelegtes Projekt der katholischen Frauenseelsorge, von dem Hanna Manser berichtet.

„Von außen nichts sich je erneut, in dir trägst du die wechselnde Zeit“ lautet eine der Gedichtzeilen von Ludwig Tieck auf der Rückseite dieses Heftes. Das will nicht bedrohlich klingen, sondern Mut machen zum Hinschauen und Handeln. Ich hoffe und wünsche mir, dass die vorgelegten Beiträge dabei hilfreich sind.

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