Ausgabe 1 / 2006 Artikel von Dagmar Gruß

Mütterlichkeit

Von Beständigkeit und Wandel christlicher Bilder

Von Dagmar Gruß


Tief aufgewühlt von der Geschichte um die siebenjährige Jessica, die weggeschlossen, völlig verwahrlost, verhungert und mutterseelenallein in der Wohnung ihrer teilnahmslosen Mutter (und ihres ebenso apathischen Vaters) in Hamburg-Jenfeld am 1. März 2005 starb, mache ich mich daran, eine Arbeitseinheit für Frauengruppen zum Thema „Mütterlichkeit“ zu entwerfen. Mütterlichkeit scheint eine fragile Qualität zu sein, die einer unter bestimmten Umständen – nämlich durch eine Kindheit ohne Wärme und Vorbilder – offensichtlich auch abhanden kommen kann.

Mütter – wie frau, kind und man sie sich herkömmlicherweise vorstellen – begegnen mir, wenn ich aus dem Fenster meines Pfarrbüros schaue. Sie haben einen oder mehrere kleine Menschen an der Hand und sind auf dem Weg zur Spielgruppe, in den Kindergarten, zum Kinderarzt, zum Einkaufen. Erwerbstätig oder nicht, es verbindet sie das Interesse an ihren Kindern und der Wunsch, ihnen Geborgenheit zu vermitteln.


Mütterlichkeit in der Bibel

Und es begab sich, als er so redete, da erhob eine Frau im Volk ihre Stimme und sprach zu ihm: „Selig ist der Leib, der dich getragen hat, und die Brüste, an denen du gesogen hast.“ Er aber sprach: „Ja, selig sind, die das Wort Gottes hören und bewahren.“
(Lk 11,27-28) (1)

Jesus hatte, so wird berichtet, eine irdische Mutter und einen himmlischen Vater. Am Anfang steht das Paradies – und am Anfang steht das Geborensein von einer Mutter. Das ist unsere Herkunft, und Jesus ist auch diesen Weg gegangen: Wer sich von Anfang an geborgen weiß, ist bereit, sich auszusetzen und sich frei zu machen. Jesus sagt, das ist auch unsere Zukunft: das Reich Gottes als wiederum verlässliches Genährtwerden aus der Fülle.
Eine Frau aus dem Volk sieht den unbestreitbaren Anteil der Mutter an dem, was Jesus geworden ist. Maria, die bergende und nährende Mutter, hatte ihren Leib für Großes zur Verfügung gestellt. Aber Jesus widerspricht ihr. Nicht ihre biologische Mutterschaft kann sie selig bzw. glücklich machen, sondern ihre Nähe zum göttlichen Wort. Maria wird in dieser Äußerung Jesu zuerkannt, nicht nur Mutter, „Gefäß“ (1 Thess 4,4) zu sein, sondern eine eigenständige Person, mit Fähigkeiten und Wünschen, die über ihre Mutterrolle hinausgehen. Sie versteht ihre Rolle: Gottesgebärerin soll sie sein. Das Konzil von Ephesus im Jahr 431 gibt ihr diesen offiziellen Titel. Sie ist die Frau, die Gott zur Welt bringt! Später entscheidet sie, aus dem Status der Mutter in den der Jüngerin zu wechseln und nimmt die Aussicht auf das Gottesreich als ihre eigene Hoffnung an. Darum wird Mutterschaft, wie Elternschaft und Verwandtschaft überhaupt, in der griechischen Bibel auf so seltsam gebrochene Weise wertgeschätzt. Erst wo Mutterschaft nicht auf eigene Kinder begrenzt bleibt, sondern sich weitet und adoptiert (Joh 19,26f), stellt sie sich in den Dienst einer Botschaft, die grenzenlos ist (Apg 1,8) und wird zum Programm.

Schon in der hebräischen Bibel werden Mütter hoch geschätzt, 300mal kommt die Vokabel Mutter vor. Das Muttersein prägt die erste geschaffene Frau bis in ihren Namen hinein: „Mutter aller Lebendigen“ ist Eva (Gen 3,20). Bedeutende Muttergestalten wie Sara, Hagar, Rahel und Lea bis hin zu Batseba oder Ruth stehen im Mittelpunkt von Erzählungen. Gott selbst ist mütterlich: „Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet“ (Jes 66,13). Ein wichtiges Vermächtnis der hebräischen Bibel für unser Thema ist auch die Erkenntnis, dass das hebräische Wort „rechem“ sowohl Barmherzigkeit als auch Mutterleib bzw. Gebärmutter bedeutet. Trost und Erbarmen sind also die vordringlichen Eigenschaften, die sich mit Mütterlichkeit verbinden. Und sie sollen sich ausbreiten, weit über biologische Mutterschaft hinaus.

Maria, die Mutter Jesu und mindestens sechs weiterer Kinder (Mk 6,3), wird schließlich zum Symbol für die Mutter schlechthin. Im Laufe der Kirchengeschichte werden ihr viele Funktionen übertragen, Legende reiht sich an Legende. Menschen schreiben es der Fürbitte, der Heilkraft, der Hilfe Marias zu, wenn sie vor Unglück bewahrt werden. Mehr und mehr wird sie zur Mittlerin zwischen den Menschen und dem unnahbaren Gott. Und sie stellt sich an die Seite derer, denen das Herrsein Gottes nicht tröstlich, nährend und beschützend genug erscheint:

Unter deinen Schutz und Schirm
fliehen wir, heilige Gottesgebärerin.
Verschmähe nicht unser Gebet in unseren Nöten,
sondern errette uns jederzeit aus allen Gefahren.
O du glorwürdige und gebenedeite Jungfrau,
unsere Frau, unsere Mittlerin, unsere Fürsprecherin.
Führe uns zu deinem Sohne,
emphiehl uns deinem Sohne,
stelle uns vor deinem Sohne. (2) 


Biblische Mütter

Biblische Mütter haben viele Gesichter.

  • Biblische Mütter sind noch fast Kinder oder auch schon Greisinnen: Maria war noch sehr jung bei ihrer Niederkunft, vielleicht 12 Jahre, Elisabeth schon hochbetagt. (Lk 1) 
  • Biblische Mütter sind Mittlerinnen des Glaubens: Timotheus lernte den ‚ungefärbten Glauben' von seiner Mutter Eunike und die wiederum von Großmutter Lois. (2 Tim 1,5)
  • Biblische Mütter werden den Geist-Verwandten nachgeordnet: Wer den Willen tut meines Vaters im Himmel, der ist mir Bruder und Schwester und Mutter. (Mt 12,50)
  • Biblische Mütter können sich von Verwandten zu Geist-Verwandten entwickeln: Sie halten den Kontakt durch eine gemeinsame Sache, die sie auf einer anderen Ebene mit ihren Kindern gleichstellt und dadurch neu verbindet. (Lk 11,27f)
  • Biblische Mütter wollen ‚nur das Beste' für ihre Söhne: Die Mutter der Söhne des Zebedäus bittet Jesus um deren Vorzugsplatz im Reich Gottes. (Mt 20,20)
  • Biblische Mütter kämpfen für die Heilung ihrer Töchter: Die kanaanäische Frau ringt Jesus die Heilung ihrer nichtjüdischen Tochter ab. (Mt 15,21ff)
  • Biblische Mütter glauben daran, dass ihre Kinder zu Wunderbarem fähig sind: Maria ermuntert Jesus zum Weinwunder. (Joh 2)
  • Biblische Mütter begleiten ihre Kinder durch tiefste Not: Mutter Maria unter dem Kreuz. (Joh 19,25)
  • Biblische Mütter fordern – auch Aufmerksamkeit von ihren Kindern: Jesu Mutter lässt ihren Sohn zu sich heraus rufen. (Mt 12,46)
  • Biblische Mütter geben die Hoffnung nicht auf: Die Mutter Jesu hält trauernd am Gebet fest und am Glauben an die Sache Jesu. (Apg 1,14)

Christliche Mütter

In den folgenden Jahrhunderten der Kirchengeschichte tun sich für Frauen nicht viele Lebenskonzepte auf. Sie haben im Wesentlichen die Wahl, Ehefrau und Mutter zu werden, als Nonne im Kloster zu leben oder sich als Prostituierte zu verdingen. Die meisten wählen die erste Variante. So auch Katharina von Bora, die 24jährig 1523 aus dem Kloster flieht und zwei Jahre später Martin Luther heiratet. Andere betrachten ihre Klostergründungen und Schriften als ihre „Kinder“, so etwa Hildegard von Bingen (1098-1179), Klara von Assisi (1193-1253) oder Teresa von  Avila (1515-1582).
Wenn denn Barmherzigkeit und die Bereitschaft, anderen Trost zu spenden, mütterliche Qualitäten sind, dann hat es in allen Jahrhunderten Frauen gegeben, die sich der christlichen caritas verpflichtet fühlten – von Thekla (1.Jh.) über Elisabeth von Thüringen (1207-1231) bis heute. Im 19. Jahrhundert haben sich einige Frauen als vielfache Mütter darüber hinaus der sozialen Frage gestellt. Nach dem Vorbild der Elizabeth Fry (1780-1845), die als ebenfalls elf-fache Mutter in England das Gefängniswesen reformierte, gab sich auch Friederike Fliedner ganz ihrer diakonischen Aufgabe hin.

Friederike Münster wird am 25. Januar 1800 in Braunfels als Lehrertochter geboren. Als Älteste von sieben Geschwistern muss sie nach dem Tod ihrer Mutter mit 16 Jahren den Haushalt führen und die Mutterpflichten übernehmen. Sie liest die Bibel im Selbststudium. Als sie nach der zweiten Heirat ihres Vaters das Haus verlassen kann, erlernt sie den Beruf der Erzieherin. Nachdem ihr gekündigt wird, weil sie für sich und ihre Kolleginnen Mitbestimmungsrechte einklagt, hält Theodor Fliedner um ihre Hand an und wird erhört, obwohl er „das Recht des Mannes, Herr im Haus zu sein, mit Festigkeit zu behaupten gewohnt“ ist. Mit 28 Jahren heiratet Friederike und lebt fortan in Kayserswerth.

Ein Jahr nach der Hochzeit gebiert sie einen toten Jungen, danach ein gesundes Mädchen. Nach fast zwei Jahren kommen Zwillinge zur Welt, eines der beiden Kinder lebt nur Stunden. Nach wenigen Monaten hat sie ihre nächste Fehlgeburt. Die Schwangerschaften und Geburten muss sie meist allein durchstehen. Ihr Mann Theodor ist an 70 bis 90 Tagen im Jahr auf Kollektenreisen für seine diakonischen Pläne unterwegs. Die Kinder und das Vieh sind zu versorgen, der Garten – und das Asyl für Haftentlassene, eine Kleinkindleinschule, eine Strickschule, ein Kleinkinderlehrerinnenseminar. Ihr fünftes Kind wird geboren, stirbt aber schon abends, im Jahr darauf ihr sechstes Kind, die gesunde Mina. Fliedner kauft eine leerstehende Fabrik, um dort ein Krankenhaus und eine Pflegeschule einzurichten. Sechs Jahre lang leitet Friederike diese Einrichtung, während noch zwei weitere Kinder geboren werden und dazwischen wieder eine Fehlgeburt liegt.

Friederike Fliedner ist ein frühes Beispiel für eine berufstätige, verheiratete Frau und Mutter. Und ein Beispiel dafür, dass eine Frau unter den zahlreichen Lasten auch zusammenbrechen kann: Ihre Kinder gibt sie wegen der Berufspflichten in die Kleinkindschule. „Wie ein schwerer Zentner auf der Seele“ lastet die Organisation der Anstalt, das Diakonissen-Mutterhaus auf ihr. Während einer Reise mit Diakonissen an neue Wirkungsstätten sterben zwei ihrer Töchter an Typhus. Zwei Monate danach ist sie zum elften Mal schwanger. Ihr Mann schickt ihr aus Berlin Briefe mit 20 verschiedenen Aufträgen. Kurz nach seiner Rückkehr stirbt sie 42-jährig. Eine Bleistiftzeichnung der Friederike auf dem Totenbett wird zum Besten der Diakonissenanstalt für sieben Groschen verkauft. Eine Geschmacklosigkeit des geschäftstüchtigen Ehemannes. „Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn“ steht auf ihrem Grabstein.

Friederike Fliedner, eine Mutter, die sich aufgeopfert, ihrem Mann den Rücken gestärkt und mit ihm unter großer Anstrengung ein großes Werk aufgebaut hatte, verließen am Ende die Kräfte. Und keiner sah, dass sogar sie, die immer alles bewältigte, Unterstützung und Erholungsphasen gebraucht hätte. „Sie war mir wie eine Mutter“, rief der junge Lehrer Ranke unmittelbar nach Friederikes Tod aus. Was wohl heißt, dass sie es war, die dem großen Diakonieprojekt eine Seele gab. Sie, deren Person hinter der Mutterrolle verschwand – und sich zugleich in ihr verwirklicht hat.


Für die Arbeit in der Gruppe

Ziel:
Frauen(gruppen) kommen ins Gespräch über ihre eigenen Vorstellungen von Mütterlichkeit, reflektieren persönliche Vorentscheidungen kritisch und lassen sich ein auf die vielgestaltigen Formen in Bibel und Kirchengeschichte, Mütterlichkeit zu leben. Sie erkennen dabei die Zeitgebundenheit scheinbar unumstößlicher Attribute von Mütterlichkeit, die Gefahr der Selbstaufgabe von Frauen in der Mutterrolle, entdecken aber auch die Kraft, die da entsteht, wo Frauen (und Männer!) bewusst Verantwortung für andere übernehmen, die auf Zuwendung angewiesen sind.

Material:
Musikkonserve von Heintjes „Mama“; Flipchart oder Tafel mit Stiften bzw. Kreide;
Viele, sehr unterschiedliche Bilder von Müttern, etwa: Maria mit dem Jesuskind; neue und alte Werbefotos von Müttern; Frida Kahlo, Ich und meine Puppe (1937); Edvard Munch, Madonna (1895); Käthe Kollwitz, Kniende vor weiblicher Gottheit (um 1889); Friederike Fliedner auf dem Totenbett (in: Anna Sticker, Theodor und Friederike Fliedner, Wuppertal / Zürich 1989, S.139. Von der lebenden Friederike gibt es kein Bild!); Darstellung von Katharina von Bora; Fotos von Mutter Heydrich o.ä. (in: Gudrun Schwarz, Eine Frau an seiner Seite. ¬ Ehefrauen in der                 „SS-Sippengemeinschaft“, Hamburg 1977, S.74)

Ablauf:
Anwärmphase:
„Mama“ von Heintje abspielen und Gefühle dazu äußern: Was wird in mir angesprochen, wenn ich hilfesuchend, klagend, freudig mit „Mama“ angerufen werde?

Vorstellungsrunde:
„Ich bin die Mutter von…“ oder: „Meine Mutter war eine Frau, die …“ oder „Als prominente Mutter fällt mir ein…“ oder: „Als Mütter in Bibel und Kirchengeschichte fallen mir ein…“

Gespräch:
Was macht eine vorbildliche Mutter für mich aus? An welcher Idealfigur messe ich Mütter? Ist mir Friederike Fliedner eine solche? Wie erkläre ich mir die Ambivalenzen in realen Müttern bzw. bei mir selbst als Mutter? Wobei stellen sich gute Gefühle ein, wenn ich an (m)eine Mutter bzw. mich als Mutter denke?

Kritische Aneignung:
Bilder werden ausgelegt – stille Betrachtung für 2 Min. – Hinweise zu den einzelnen Bildern geben, mit denen wir in eine Problematisierung der traditionellen und aktuellen Mutterrollen einsteigen wollen.

Impulse:
Welche Erwartungen an eine Mutter lehnte meine Mutter bzw. lehne ich als Mutter ab? Was verstehe ich unter einer „Rabenmutter“? Können Väter auch „Mütter“ sein? Kann ich den Mutterbegriff auch weiter fassen als auf die eigenen Kinder bezogen?

Kleingruppengespräche mit je kurzen Inputs:
Je nach verfügbarer Zeit und Interesse der Gruppe können mehrere oder alle Themen nacheinander in allen Kleingruppen besprochen werden. Alternativ: je ein anderer Impuls pro Gruppe.

  1. Hinter dem Symbol „Mutter“ verbergen sich Sehnsüchte, die beschrieben werden können als Sattwerden, völliges Verstandenwerden, Vergebung, Beziehung, Orientierung, Schutz und also Freiheit von Angst, Verlässlichkeit. Die Negativfolie all dessen wäre Einengung, Abhängigkeit, Überbehütung, Angsterzeugung, Unselbständigkeit, Übersättigung, Verwöhntwerden, Nesthockertum. Spiegeln sich diese beiden Pole auch in der Gottesbeziehung?
  2. Gottmutter – Probleme eines mütterlichen Gottesbildes: Die feministische Theologin Silvia Strahm Bernet sagt: „Die Ergänzung männlicher Gottesbilder durch weibliche zementiert die patriarchale Geschlechterordnung statt sie zu transzendieren. Zudem sind Elternbilder für das Werden mündiger Menschen nicht unbedingt förderlich, noch ist einfach davon auszugehen, dass eine göttliche Mutter für Frauen in jedem Fall befreiender ist als ein göttlicher Vater.“ (Art. Gott / Göttin, in: Wörterbuch der Feministischen Theologie, S. 245)
  3. Elisabeth Badinter sieht wie Simone de Beauvoir die Muttergefühle als konstruierte an, die nicht automatisch mit dem Frausein verbunden, sondern von kulturellen Einflüssen geprägt sind. (Die Mutterliebe – Zur Geschichte eines Gefühls vom 17.Jh. bis heute, München 1982).
  4. Ursa Krattiger sieht in Catharina Halkes ihre „'mère spirituelle', meine geistliche Mutter, die mich hinführt zu neuen Welten des Denkens, Ahnens, Verstehens – und ich folge ihr fasziniert und begeistert. Sie nimmt mich an als die jüngere Schwester, die mit ihr, nach ihr, aufbricht zu ihrer eigenen Reise in unkarthographiertes Land.“ (Die perlmutterne Mönchin. Reise in die weibliche Spiritualität, Reinbek 1987, S.62)
  5. Eva Pelkner beklagt die zunehmende Entpersonalisierung der Geburtsvorgänge und erkennt dies auch sprachlich in der Substantivierung „Mutterschaft“, die von der beteiligten Frau kaum noch etwas erkennen lässt. (Gott – Gene – Gebärmütter. Anthropologie und Frauenbild in der evangelischen Ethik zur Fortpflanzungsmedizin, Gütersloh 2001, S.130)

Abschlussdiskussion:
Was möchte ich nach der kritischen Sichtung am Mutterbegriff retten? Was auch gerade von meinem Glauben her? Was könnte es bedeuten, an Gott eine mütterliche Seite zu entdecken? Wie können wir Gottes mütterliche Seite beschreiben, ohne weibliche Klischees zu bedienen? Jenseits des ‚Mythos Mutter': Worauf sollten Mütter heute achten?

Liturgischer Abschluss:
14 Mal findet sich das Stichwort „Mutter“ im eg – inhaltlich interessant und singbar: 35,1; 58,4-5; 243,3; 408,5; 514,4.

Wenn im Gespräch Maria, die Mutter Jesu eine Rolle gespielt hat, könnte hier auch ein Vers von Novalis aufgegriffen werden:
Ich sehe dich in tausend Bildern,
Maria, lieblich ausgedrückt.
Doch keins von allen kann dich schildern,
Wie meine Seele dich erblickt.

Oder der Text von Martin Luther (Jahr unbekannt):
Sie ist mir lieb, die werte Magd,
und kann ihr nicht vergessen.
Lob, Ehr und Zucht
man von ihr sagt,
sie hat mein Herz besessen.
Ich bin ihr hold
und wenn ich sollt
groß Unglück han,
da liegt nichts dran;
sie will mich des ergetzen
mit ihrer Lieb und Treu an mir,
die sie zu mir will setzen
und tun all mein Begier.

Weitere Bausteine für einen Einstieg oder Abschluss für AbonnentInnen unter Service verfügbar.

Dagmar Gruß, geb. 1960, ist Gemeindepfarrerin in Bonn-Duisdorf, davor war sie acht Jahre in Wuppertal und Essen tätig als Frauenreferentin bzw. Pfarrerin für Frauenarbeit. Sie ist verheiratet und zweifache Mutter.

Anmerkungen:
1
Zur Auslegung von Lk 11,27f. vgl. Rosemary Radford Ruether, Sara Shenk, Die Seligkeit der Frau und christliche Jüngerschaft, in: Feministisch gelesen, Bd. 2, hg. v. Eva Renate Schmidt, Mieke Korenhof, Renate Jost unter Mitarb. v. Heidi Rosenstock, S. 200ff.
2 Lateinisches Gebet: Papyrus aus dem 3./4. Jh.

Literatur
Ursula Riedel-Pfäfflin, Art. Mutter/Mütterlichkeit, in: Wörterbuch der Feministischen Theologie, hg. v. Elisabeth Gössmann u.a., Gütersloh 2002 (2. Aufl.), 413-416.
Elisabeth Schüssler Fiorenza, Jesus – Miriams Kind, Sophias Prophet. Kritische Anfragen feministischer Theologie, Gütersloh 1997
Andrea Günter, maria liest. das heilige fest der geburt, Rüsselsheim 2004.
Art. mätär=Mutter, in: ThWNT, Bd. IV, 645-647
Wilhelm Gesenius' hebräisches und aramäisches Handwörterbuch über das Alte Testament, bearb. v. Frants Buhl, Berlin/Göttingen/Heidelberg 1962 (unveränd. Neudr. der 1915 ersch. 17. Aufl.), Art. rechem, S. 755
Andrea Günter, Das Ende des Patriarchats und der neue Anfang. Die Mutter lieben als Sinn des Seins, in: Schlangenbrut 18 (2000)
Herbert Haag, Joe H. Kirchberger, Dorothee Sölle, Caroline H. Ebertshäuser, Maria. Kunst, Brauchtum und Religion in Bild und Text, Luzern 1997
frauen unterwegs. Zeitschrift für Frauen und Kirche, Thema „Rabenmütter“, September 2002.
Schlangenbrut. streitschrift für feministisch und religiös interessierte frauen; Nr. 59 „weibliche spiritualität – affidamento“, Nr. 67 „spirituelle Lehrerinnen“, Nr. 68 „leben mit Kindern“
Die Mitarbeiterin 3/2003: „Mutterliebe: Zur Geschichte eines Gefühls“
Christa Schnabl, „Fürsorge“: Anachronismus oder wegweisende soziale Praxisform? Reflexionen zu einem Schlüsselbegriff feministischer Ethik, in: Michaela Moser, Ina Praetorius (Hgg.), Welt gestalten im ausgehenden Patriarchat, Königstein/Taunus 2003, 118-129
Brigitte Enzner-Probst, Maria als Mitschöpferin Gottes, in: Dies., Gertraud Ladner (Hgg.), FrauenKirchenKalender 2006, S.158f (und der ganze Kalender!)

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