Alle Ausgaben / 2015 Editorial von Margot Papenheim

Muße

Von Margot Papenheim

„Arbeit ist das halbe Leben, das liegt halt bei uns so drin.“ Eine der Weisheiten, die Tabaluga, der kleine grüne Drache, auf seiner „Reise zur Vernunft“ zu hören bekommt. Auf solche Reisen, lernen wir aus Peter Maffays zauberhaftem Musical, schicken nämlich Dracheneltern ihre Kinder, wenn die Zeit zum Erwachsenwerden gekommen ist.

Arbeit ist das halbe Leben? Schön wär's, denke ich. Aber wie soll eine(r) all die Arbeit, die zu tun ist, da schaffen? Haus- und Gartenarbeit. Beziehungs- und Carearbeit. Trauerarbeit. Unbezahlte gesellschaftliche Arbeit. Und dann auch noch die Erwerbsarbeit – Vollzeit, Teilzeit oder auch in Zeitarbeit. (Erwerbs-) Arbeitsfreie Zeit haben wir heute mehr denn je. Tatsächlich von jedweder Arbeit freie Zeit, gefühlt jedenfalls, weniger denn je. Die aber wäre ja die entscheidende Voraussetzung für Muße. Für den zweck-losen Müßiggang.

Denn Muße, das heißt: nichts, buchstäblich nichts tun. Nichts vor- oder nachbereiten. Nichts planen. Nichts mit den Händen oder im Kopf abarbeiten. „Ich lasse das Leben auf mich regnen“, hat Rahel Varnhagen 1810 in ihrem Tagebuch diesen Zustand der Muße, des Nichtstuns beschrieben. Ich lasse das Leben auf mich regnen. Können wir das überhaupt noch? Die Abwesenheit, das Freisein von jedweder Arbeit aushalten? Die Leere mit nichts füllen? Dem Drang, den freien Raum für Freizeitaktivitäten zu nutzen, nicht nachgeben? Aus der oft unerwartet geschenkten Zeit der Muße nicht am Ende doch irgendwie, nun ja, Leerzeitarbeit machen?

Sollten Sie selbst gerade ein Stündchen freie Zeit, aber (noch) nicht die innere Ruhe gefunden haben, sie müßig zu „vertun“, dann hätten wir da eine immer noch bessere Idee als einfach weiterzuarbeiten: das knifflige Preisrätsel, unser sommerlicher Denkpausenfüller für Sie!

Ach – übrigens: Denjenigen, die sich spontan positiv von der Idee angesprochen fühlen, dass es „bei uns halt so drin“ liegt, das Leben vor allem mit Arbeit zu verbringen, sei noch verraten: Das ist kein Mensch, der dem kleinen Tabaluga diesen Rat auf seine Lebensreise mitgibt, sondern die Ameisenkö­nigin! Und für die andere Hälfte des ­Lebens hat sie auch nicht mehr zu bieten als die doch recht fragwürdige Idee „Ordnung ist die andre Hälfte. … Alles muss geregelt sein.“ Wenn sie meint. „Ameisen müssen so sein“, singt sie. Menschen nicht, singen wir.

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