Mutter oder nicht Mutter? Ich kenne keine Frage, die Frauen – im wahrsten Sinn des Wortes – mehr in den Bauch geht. Kein Thema, über das die einen, die Mütter, mit den anderen, den Nichtmüttern, so schnell und heftig und auch zutiefst verletzend streiten können.
„Da können Sie gar nicht mitreden, wenn Sie keine eigenen Kinder haben“, werden Frauen mit einem Satz zum Schweigen gebracht, wenn sie ihre Meinung etwa zu Erziehungsfragen zu äußern wagen, obwohl sie nicht geboren haben. Umgekehrt wird Frauen, die wegen ihrer Kinder auf eine eigene Erwerbsarbeit verzichten, schnell unterstellt, als unemanzipiertes Heimchen am Herd dem Auslaufmodell Kinder-Küche-Kirche aufgesessen zu sein. Aber auch diejenigen, die den Nerven aufreibenden Kombi von Mutterschaft und Beruf versuchen, bekommen ihr Fett weg. Irgendwo steht garantiert eine liebe Schwester bereit, das sowieso stets lauernde schlechte Gewissen zu verstärken, dass die Kinder über der mütterlichen Berufskarriere zu kurz kommen könnten.
Mutter oder nicht Mutter? Angesichts der Möglichkeiten der modernen Reproduktionsmedizin stellt sich die Frage in ganz neuer Weise. Nicht schwanger werden? Auf einmal scheint geradezu ein Kinderspiel zu sein, was noch für die Generation unserer Mütter bitteres Schicksal werden konnte. Scheint zudem nun leicht zu handhaben, was noch vor wenigen Jahren undenkbar war: die Geburt(en) des ersehnten Nachwuchses reibungslos in die allgemeine Lebensplanung einzupassen. Aus guten Gründen wird – auch und gerade in kirchlichen Kreisen – warnend darauf hingewiesen, dass mit der „assistierten Reproduktion“ bei näherer Betrachtung medizinische und ethische Probleme verbunden sind, die wohl erwogen sein wollen. Ob allerdings die sicher gut gemeinte Aussage, dass „richtiges Frausein“ heute doch nicht mehr von Mutterschaft abhängig sei, auch nur einer Frau weiterhilft, die vor der Ent scheidung steht, darf bezweifelt werden.
Mutter oder nicht Mutter? Wie Frauen sich entscheiden, ist jenseits der zutiefst persönlichen auch eine brisante gesellschaftliche Frage. Ob genügend Frauen in Deutschland gebären, und zwar möglichst mehrere Kinder, davon hängt ab, wie es in einigen Jahren um unsere sozialen Sicherungssysteme wie Kranken- und Rentenversicherung bestellt sein wird. Deutlich erkennbar steigt daher zur Zeit der Druck auf Frauen, endlich wieder mehr Kinder zu bekommen. Vor allem die vielen „kinderlosen Akademikerinnen“ bieten sich für sorgenvolle demografische Betrachtungen an – und das keineswegs nur in der BILD Zeitung.
Was es für Frauen bedeutet, Mutter oder nicht Mutter zu sein, und wie Frauen im gebärfähigen Alter sich entscheiden, hat wesentlich zu tun mit den Bildern von Frausein in unserer Gesellschaft, vor allem mit der Frage, welche Bedeutung die Mutterschaft für Frauen, für ihr Frausein hat. Zur Auseinandersetzung mit – alten und neuen – Mutterbildern will diese Arbeitshilfe darum anregen.
Zur Evangelischen Frauenhilfe in Deutschland gehören viele Frauen in vielen Lebensformen. Frauen, die Mütter sind und Frauen, die nicht Mütter sind. Frauen, die sich ihr Leben ohne Kinder nicht vorstellen können und Frauen, in deren Lebensplanung Kinder nicht vorgesehen sind. Frauen, die die Betreuung ihrer Kinder als Beruf gewählt haben und Frauen, die ihren Erwerbsberuf mit ihrer Mutterschaft verbinden. Frauen, die so gut wie alles tun würden, um sich ihren Kinderwunsch zu erfüllen, und Frauen, die da für sich engere Grenzen ziehen. Frauen, für die ihre Mutterschaft das größte Glück auf Erden ist, und Frauen, die darunter leiden. Ausnahmslos jede verdient Respekt vor ihren Entscheidungen und – ja, auch: Verständnis für ihre Situation. Das vorausgesetzt wäre dann auch Diskussion um Für und Wider all der Fragen möglich. Dazu will diese Arbeitshilfe beitragen.
Margot Papenheim, 49, ist gelernte Theologin und arbeitet als Referentin der Ev. Frauenhilfe in Deutschland und Redakteurin der Arbeitshilfe zum Weitergeben.
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