Ausgabe 1 / 2010 Artikel von Katrin Vohland

Natürliche Vielfalt erhalten

Beiträge zum Klimawandel

Von Katrin Vohland

„Der Mensch mache die Erde untertan.“ Ob damit wirklich gemeint war, die Erde so tief greifend zu gestalten, dass, wie manche das inzwischen tun, von unserer erdgeschichtlichen Zeit als „Anthropozän“ zu sprechen wäre?

Die Entwicklung der modernen Gesellschaft ist eng an die Verfügbarkeit von Energie gebunden. Zunehmend wurde nicht nur der Wald, sondern wurden auch die unterirdischen Vorräte an Kohle und Öl verbraucht, die fossilen Energieträger.

Umsonst ist das nicht: Öl und Kohle verbrennen zu dem Treibhausgas Kohlendioxid (CO2), und auch der Verlust von Wäldern und Mooren und die Landwirtschaft setzen Treibhausgase frei. Ohne Wasserdampf als wichtigstes Treibhausgas wäre es auf der Erde zwar unwirtlich kalt. Aber das zusätzliche und vor allem schnelle Freisetzen weiterer Treibhausgase lässt die Temperatur auf der Erde steigen.

Damit verändern sich auch Niederschlagsmuster. Der Monsun kommt unregelmäßiger, Überschwemmungen wie Dürren nehmen zu. KlimaforscherInnen nehmen an, dass der gesamte Mittelmeerraum zunehmend von Trockenheit betroffen sein wird.

Klimawandel hat Folgen

Die Veränderungen aber sind nicht gerecht verteilt. Während die Treibhausgasemittenten vor allem in den Industrieländern sitzen, sind die Menschen ärmerer Länder von den Folgen besonders betroffen. Der Anstieg des Meeresspiegels etwa betrifft vor allem in Südostasien große Teile der Bevölkerung in Küstennähe. Zudem führen die zunehmenden Unsicherheiten in den Niederschlägen zu einer geringeren Erntesicherheit, insbesondere in den semiariden Regionen der Welt wie etwa dem Sahel.(1) Wegen ihrer Armut haben die Menschen dort aber kaum Möglichkeiten, auf andere Produkte auszuweichen und Ernteausfälle über den Weltmarkt zu kompensieren.

In einigen, insbesondere nördlicheren Regionen kann die Landwirtschaft vom Klimawandel sogar profitieren. Die längere Vegetationsperiode und die höheren Kohlendioxidgehalte der Atmosphäre lassen die Pflanzen besser wachsen. Allerdings können sich auch einige Schädlinge mit höheren Temperaturen weiter nach Norden und in höhere Lagen ausbreiten.

Tatsache ist, dass die Tier- und Pflanzenwelt insgesamt in Bewegung gerät. So wird schon beobachtet, dass die Baumgrenze steigt oder dass einige wärmeliebende Tierarten wie die Feuerlibelle oder der Bienenfresser häufiger werden. Für kälte- und feuchteliebende Arten dagegen wird es enger. So sind insbesondere flache Gewässer in Ostdeutschland zunehmend von Austrocknung betroffen. Auch Niedrigwasserperioden in Flüssen nehmen zu. Dann fehlt nicht nur den Kraftwerken das Kühlwasser, sondern der Sauerstoffgehalt wird einigen Fischen und anderen Lebewesen zu gering.

Naturschutz schützt auch Menschen

Die Natur ist nicht nur betroffen – viele Ökosysteme können Menschen darin unterstützen, sich an den Klimawandel anzupassen oder ihn sogar zu verlangsamen. Neben Niedrigwasserperioden werden auch Hochwasser zunehmen. Auen und Auwälder können diese Extreme abpuffern. Dies setzt aber voraus, den Flüssen wieder mehr Raum zu geben.

Auch Wälder können bei der Zunahme von Niederschlagsextremen schützen. Insbesondere Hanglagen sind gefährdet; die fest verwurzelten Bäume schützen den Boden vor Abrutschungen. In Gebieten, in denen die Niederschläge geringer werden, können Bäume dagegen als Wasserfallen wirken. Das Wasser versickert und kann von den Pflanzen aufgenommen werden, statt unproduktiv zu verdunsten oder abzufließen.

Einige Ökosysteme puffern nicht nur den Klimawandel ab, sondern verringern ihn durch die Aufnahme von Kohlendioxid. Moore konservieren die Pflanzenreste und den in ihnen enthaltenen Kohlenstoff. Und auch die Wälder dieser Erde haben in den letzten Jahren als Kohlenstoffsenke fungiert. Mengenmäßig macht das in den hochproduktiven tropischen Regenwäldern am meisten aus, aber auch die deutsche Forstwirtschaft misst Holzzuwächse. Dabei spielt wahrscheinlich eine Kombination aus höheren Temperaturen und höheren Kohlendioxidgehalten der Atmosphäre eine Rolle. Aber auch die diffusen Stickstoffeinträge aus der Landwirtschaft wirken als Dünger.

Allerdings kann dieser Trend kippen. Im Trockenjahr 2003 war Europa eine Kohlenstoffquelle, da mehr Streu zersetzt wurde als die Pflanzen gewachsen sind. Für das Amazonasgebiet gibt es Klimamodelle, die befürchten lassen, dass Teile des Amazonasgebietes versteppen könnten. Hinzu kommt die steigende Feuergefahr durch die Öffnung des Waldes für Straßen und nachfolgende Viehzüchter, Sojabauern und Kleinbauern. Vermehrte Anstrengungen zum Schutz der Wälder, und gerade auch der tropischen Wälder, hätten mehrere positive Effekte: Der in den Wäldern gespeicherte Kohlenstoff wird nicht freigesetzt, der Reichtum an Arten bleibt erhalten, und die indigenen und traditionellen Waldgesellschaften werden nicht vertrieben.

Teufel nicht mit Belzebub vertreiben

Da der Zusammenhang zwischen dem Verbrennen fossiler Brennstoffe und der Klimaerwärmung erkannt ist, wird zunehmend nach Alternativen gesucht. Im Prinzip bleiben da nur die Sonne und die von ihr abgeleiteten Energieformen wie etwa Windenergie oder Energiepflanzen übrig.

Problematisch aus öko-systemarer Sicht sind dabei vor allem die Energiepflanzen. Sie treten in zunehmende Flächenkonkurrenz zu anderen Nutzungsformen, insbesondere zu Kulturpflanzen und zum Naturschutz. Die Nutzung zum Beispiel von Weizen für „Bio“ethanol führt auch zu Veränderungen der Weltmarktpreise. Während die höheren Preise für die Landwirte erst einmal vorteilhaft sind,
werden Lebensmittel für arme Menschen vor allem urbaner Gebiete unerschwinglich.

In einigen Regionen führt der Anbau von Energiepflanzen inzwischen zu konträren Effekten. In Indonesien etwa werden gigantische Waldmoore umgebrochen und entwässert. Neben dem Verlust an Biodiversität gehen so große Mengen an Kohlenstoff verloren, dass die Ölpalmen das niemals kompensieren können.

Transformation beginnt im Kleinen

Zur Eindämmung des Klimawandels und des Verlustes an Lebensraum für Tier- und Pflanzenarten sind gewaltige internationale Anstrengungen nötig, bis hin zu einer grundlegenden Veränderung des Wirtschaftssystems. Das lässt manche vermuten, es sei egal, was sie an „kleinem Dreck“ machen. Und ihr Engagement für ein kleines Schutzgebiet oder für soziale Organisationen würde – außer einem guten Gewissen – ja doch nichts bringen.

Für mich hat Dorothee Sölle die Einsicht formuliert, dass die Würde des Menschen die Möglichkeit ist, die Entscheidung zu fällen, Schlechtes zu tun – oder sich eben positiv einzubringen in den Lauf der Welt. Und letztlich beruhen alle großen Veränderungen auf unzähligen kleinen Entscheidungen. Mit der Globalisierung, der informativen Vernetzung bis ins letzte Dorf der Welt, werden diese kleinen Entscheidungen auch immer sichtbarer und ziehen ihre Kreise.

Für die Arbeit in der Gruppe

Dem tropischen Regenwald kommt eine besondere Bedeutung zu. Eine Vielzahl an Tieren und Pflanzen lebt dort. Zudem speichern tropische Wälder große Mengen an Kohlenstoff. Bei einer Rodung würde dieser Kohlenstoff freigesetzt und die Atmosphäre weiter anheizen.

Allerdings gibt es unterschiedliche Interessen im Regenwald. In Brasilien z.B. lagern unter dem Wald große Mengen an Bauxit. Bauxit ist das Ausgangsmaterial für Aluminium und damit für eine Fülle von Produkten – von Dosen über Autos bis hin zu Flugzeugen. Zur Nutzung des Metalls muss Bauxit verhüttet werden, und zu den entsprechenden Häfen und Produktionsanlagen transportiert werden. Damit erhält der Staat Steuereinnahmen und Devisen.

Aber im brasilianischen Wald leben auch viele indigene Völker, zum Beispiel die Waimiri. Diese wehren sich gegen die Zerstörung ihres Lebensraumes durch die Ausbeutung des Waldes und den Bau von Straßen und Industrie.

Der Werkhof Darmstadt e.V. hat ein Kommunikationsspiel entwickelt, das dabei hilft, sich in diese Gemengelage aus unterschiedlichen Interessen hineinzudenken. Bei diesem Spiel „Waimiri – Alufalle im Regenwald“ werden die Teilnehmenden in drei Gruppen aufgeteilt, die die unterschiedlichen AkteurInnen repräsentieren: die Aluminiumindustrie und die Waimiri sowie in einer quasi moderierenden Funktion die brasilianische Regierung. Jeder Gruppe sind bestimmte strategische Ziele vorgeben, über deren Erreichung sich die Gruppe vor Spielbeginn einigen muss.
Für die Spielvorbereitung wird ein Wald aus Spielkarten gelegt, in dem die Bauxit-Minen offen dargelegt sind, aber die Lage der Dörfer der Waimiri im Regenwald verdeckt ist. Während des Spielverlaufs werden reihum Spielzüge ausgeführt. Hierbei wird eine Aktion, z.B. der Bau einer Straße oder die Einrichtung eines Schutzgebietes vorgeschlagen, diskutiert und von den SprecherInnen der drei Gruppen abgestimmt.

Der Lerneffekt des Spiels ist es unter anderem, sich in die Interessen der anderen Gruppen einzudenken und entsprechend spezielle Absprachen zu treffen. Am Ende wird das Spiel bezüglich des Erreichens der strategischen Ziele bewertet. Zudem bietet sich eine Diskussion darüber an, wie realistisch das vorgegebene Szenario war, und welchen Einfluss welche AkteurInnen auf das globale Geschehen nehmen können.

Das Spiel kann für 10,- Euro erworben werden: Werkhof Darmstadt e.V. – Entwicklungspolitische Bildungsarbeit (Mainzer Str. 74 B, 64293 Darmstadt; Tel: 06151-50048 0 / www.Werkhof-Darmstadt.de

Dr. Katrin Vohland, 41 Jahre, hat Biologie studiert und in Brasilien über Artbildungsprozesse im Amazonasgebiet promoviert, in Afrika zu Artenvielfalt und Landnutzung und zuletzt am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung zu Klimawandel und Schutzgebieten gearbeitet. Aktuell arbeitet sie am Museum für Naturkunde (Berlin) im Projekt „Netzwerk & Forum Biodiversität“.

Anmerkungen

1 lat. aridus = trocken, dürr; ein semiarides (halb-trockenes) Klima herrscht in Erdregionen, in denen die Verdunstung in 6-9 Monaten pro Jahr größer ist als der Niederschlag

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