Alle Ausgaben / 2006 Editorial von Margot Papenheim

Neues wächst auf

Von Margot Papenheim


„Da hab ich gut Wetter prophezeit“, sprach der Hahn, „weil unserer lieben Frau Tag ist, wo sie dem Christkindlein die Hemdchen gewaschen hat und sie trocknen will; aber weil morgen zum Sonntag Gäste kommen, so hat die Hausfrau doch kein Erbarmen und hat der Köchin gesagt, sie wollte mich morgen in der Suppe essen, und da soll ich mir heut Abend den Kopf abschneiden lassen. Nun schrei ich aus vollem Hals, solang ich noch kann.“ „Ei was, du Rotkopf“, sagte der Esel, „zieh lieber mit uns fort, wir gehen nach Bremen, etwas Besseres als den Tod findest du überall; du hast eine gute Stimme, und wenn wir zusammen musizieren, so muss es eine Art haben.“

Ohne zu zögern nannte eine Kollegin mir die „Bremer Stadtmusikanten“, als ich nach literarischen Texten zur Jahreslosung 2007 fragte. Wie bitte? Die Losung ist dem 43. Kapitel des Jesajabuches entnommen und lautet: „Siehe, ich will ein Neues schaffen; jetzt wächst es auf, erkennt ihr's denn nicht?“ Zugegeben – es dauerte einen Moment, bis ich den Zusammenhang begriff. Und ein bisschen despektierlich fand ich die Zusammenstellung dieser beiden Texte auch. Aber bezeugt nicht die Bibel selbst, dass ein Esel bisweilen klüger sogar als ein Prophet des Herrn sein kann? Und außerdem hatte sie einfach recht: Die Gemütslage des norddeutschen Hahns dürfte sich kaum von der Stimmung derjenigen unterscheiden, denen die prophetischen Worte zugesprochen werden: deprimiert ergibt er sich in sein drohendes Unheil, so beschäftigt mit seinem Lamentieren über die Ungerechtigkeit dieser Welt, dass er blind ist für die offenkundigen Möglichkeiten, dem Unglück zu entgehen. „Etwas Besseres als den Tod findest du überall“, lockt ihn der Esel. Schaut hin: das Neue, die für euch notwendigen Lebens-Mittel wachsen bereits auf, sagt der Prophet. „Du hast eine gute Stimme“, erinnert der Esel den Hahn an seine eigenen Möglichkeiten, die neue Situation zu meistern. „Erkennt ihr's denn nicht?“ fordert der Prophet seine resignierten Zuhörerinnen und Zuhörer heraus. Und dass das biblische „Erkennen“ viel mehr bedeutet als etwas mit den Augen zu sehen und mit dem Verstand zu begreifen, steht allemal fest…

Wie das geht, das verheißene „Neue“, das Gott erst schaffen will, und das doch bereits wächst, zu „erkennen“ – um diese Frage kreisen die Beiträge dieser Arbeitshilfe zur Jahreslosung 2007. Ich hoffe, dass die Ausgabe die Arbeit Ihrer Gruppen im nächsten Jahr begleiten und bereichern kann. Und dass die Gedanken unserer Autorinnen dabei helfen, das Neue zu erkennen, das Gott für Sie alle schaffen will!

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