Alle Ausgaben / 2008 Andacht von Helga Bobey

O Heiland, reiß die Himmel auf

Andacht zum Advent

Von Helga Bobey


Vorbereitung: Teelichter, dicke Kerze, Tücher in den Farben weiß, rot, schwarz (für verschiedene Lebens-Zeiten), Gesangbücher, Instrumentalmusik „O Heiland, reiß die  Himmel auf“, Kopien Spee-Epitaph

Mehr Informationen zu Friedrich von Spee und zum Lied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ sowie das Bild sind für AbonnentInnen unter
www.ahzw.de/ Service zum Herunterladen vorbereitet.

In der Mitte steht eine dicke Kerze. Um sie herum ist aus den Tüchern eine Spirale gelegt. Wenn alle  Frauen sitzen, wird die Kerze angezündet.

Eine liest den Eingangsspruch:(1)
Worauf
warten wir wirklich
und was
brauchen wir mehr
denn je
und wie
soll da ein Anfang sein
wovon
und wer
hofft überhaupt noch
worauf
und wann
bricht er denn an
dieser Tag
des Lichts
und wer
glaubt noch daran?

Es erklingt Instrumentalmusik zu ?“O Heiland, reiß die Himmel auf“.

Eine:
Wir haben die vertraute Musik des Adventsliedes „O Heiland, reiß die Himmel auf“ gehört. Diesem Lied wollen wir in der Andacht nach-gehen.

Das Lied entstand 1622. Den Text hat der Jesuit und Dichter Friedrich Spee von Langenfeld (1591-1635) geschrieben. Hautnah erlebte Spee die Schrecken des 30-jährigen Krieges (1618-1648): Soldatenheere zogen durch Mitteleuropa. Menschen starben zu Tausenden oder kamen als Kriegsversehrte zurück. Viele Kinder waren Waisen. Im Machtkampf der Konfessionen wurde enteignet, vertrieben, getötet. Missernten führten zu Hungersnöten. Zahllose Menschen starben durch Epidemien, vor allem durch die Pest. Ganze Landstriche wurden zerstört und entvölkert.

Als Schuldige wurden die Hexen ausgemacht. Männer und Kinder, besonders aber Frauen waren davon betroffen. Jede konnte es treffen. Unwissenheit und Aberglaube, Geldgier und Sozialneid begünstigten die Verfolgungen. Hexenprozesse überzogen wiederholt ganze Landesteile – und gingen fast immer zum Nachteil der Beschuldigten aus. Eine unabhängige Verteidigung wie in der heutigen Rechtssprechung war nicht vorgesehen. Wer die Angeklagten den noch in der Öffentlichkeit verteidigte, setzte sich selbst dem Verdacht der Ketzerei aus. Uns sind nur wenige Namen derer überliefert, die sich auf die Seite der Angeklagten stellten. Einer von ihnen ist Friedrich Spee von Langenfeld.

Zum Andenken an den 1591 in Kaiserswerth geborenen Jesuiten schuf der Bildhauer Bert Gerresheim ein figurenreiches Bronzerelief. Es befindet sich an der Außenwand der Stiftskirche St. Suitbertus in Düsseldorf-Kaiserswerth.

Nachdem die Frauen längere Zeit das Bild betrachtet haben, beschreiben sie, was sie sehen. Es sollte nicht vorschnell gedeutet werden! Wenn nötig, können Informationen zur Darstellung eingefügt werden. Die folgenden Ausführungen können auch Grundlage für eine eigene Betrachtung sein, die vorgetragen wird.

Was sehe ich?
Eine Metallplatte ist mit großen und kleinen Figuren bedeckt. In der Mitte sind eine Frau und ein Mann zu sehen. Die Frau ist in sich zusammengesunken, der Körper verkrümmt. Der Kopf liegt auf der linken Schulter. Die Arme hängen herab, die Augen sind geschlossen. Eisenfesseln liegen um ihre Handgelenke.

Der Mann steht hinter der Frau, den Oberkörper leicht vorgebeugt. Sein rechter Arm ist unter der Achsel der Frau. Die rechte Hand umgreift einen Teil ihres Gewandes. In der linken Hand hält er eine Schrift („Cautio Criminalis“). Sein Kopf ist der Frau zugewandt. Die Darstellung ähnelt einer Pieta, aber die Rollen sind vertauscht. Hier ist die Frau die Geschundene, Zerbrochene, Getötete, und der Mann hält sie.
Wodurch der große Schmerz verursacht wird, zeigt die Umgebung. Dort sind Folterwerkzeuge (spitze Keile, ein zerbrochenes Rad, Handschellen, Pfähle, Kreuze) dargestellt.

Im oberen Teil des Epitaphs werden Ortsbilder der wichtigsten Lebensstationen von Spee dargestellt. Es beginnt mit Kaiserwerth (Geburtsort) und führt über Köln (Gymnasialzeit), Mainz  (Studium und Priesterweihe) nach Trier (Grab). Eingerahmt wird diese Darstellung mit Büsten von Vorgängern oder geistigen Nachfolgern. In der Mitte führt eine gedachte Verbindung vom dornengekrönten Christus oben über Bischof Suitbertus zu Spee und der Frau. Die Kanzel, die Laute und die Bücher weisen auf die Bedeutung Spees als Prediger und Kirchenliederdichter, aber auch als Barocklyriker hin.

Impuls zum Gespräch: Was löst diese Darstellung in mir aus?

Eine:
Als Seelsorger und Beichtvater wusste Spee, was sich in den Hexenprozessen abspielte. 1631 veröffentlichte er deshalb anonym die Schrift „Cautio  Criminalis“ (Rechtliche Bedenken über die Hexenprozesse). Er forderte klare „rechtsstaatliche“ Verfahren. Er verteidigte die Rechte der angeklagten Frauen und wandte sich gegen die Verurteilung auf der Grundlage nicht beweisbarer Zeugenaussagen: „Persönlich kann ich unter Eid bezeugen, dass ich jedenfalls bis jetzt noch keine verurteilte Hexe zum Scheiterhaufen geleitet habe, von der ich unter Berücksichtigung aller Gesichtspunkte aus Überzeugung hätte sagen können, sie sei wirklich schuldig gewesen.“ Spee behauptete, die verdächtigten Frauen seien unschuldig, auch wenn sie unter der Folter ihre Schuld gestanden hätten. Damit riskierte er, selbst verdächtigt und als Ketzer verbrannt zu werden.

Die schrecklichen Erlebnisse forderten Spee heraus, nach Veränderungen zu suchen und sich dafür einzusetzen. Als Seelsorger nahm er die Gefühle der Menschen wahr, ihre Sehnsucht nach Heil, nach Frieden und Gerechtigkeit, nach Befreiung aus ihrer entsetzlichen Lage. In seinem Lied „O Heiland, reiß die Himmel auf“ fasste er ihre Sehnsucht in Worte, indem er Bilder aus dem Jesajabuch zu Hilfe nahm (Jes 11,1; 45,8; 64,1). Mit Stilmitteln seiner Zeit wie Stöhnen und Klagen (O und Ach), machte der die Dringlichkeit deutlich.

Gemeinsam singen: Strophen 1-3

Gespräch und / oder Information:
Die Strophen 1-3 bilden eine Einheit. Es ist viel Dynamik enthalten. Himmel und Erde sind ein bezogen, um die Sehnsucht nach dem Messias zu stillen. Gott wird gedrängt einzugreifen, sich zu  zeigen, den Himmel, das Reich Gottes, zu öffnen: herablaufend, abreißend; auch ruhig wie Tau ausgegossen, herabfließend;  mit Wolkenbrüchen und Wasserfluten Not, Elend und Ungerechtigkeit wegspülend durch den Messias. Durch ihn sollen die Verheißungen Gottes an Abraham, Isaak und Jakob, an das Volk Israel wahr werden.
Die ganze Schöpfung ist in diese tiefgreifende Veränderung einbezogen: Die Erde soll den Retter hervorbringen. Die tot geglaubte Wurzel Jesse, Davids Stammbaum, soll eine neue Blüte treiben. Die Verheißungen sollen sich erfüllen. Nicht Vernichtung und Tod, sondern das Leben soll den Sieg behalten.

Gemeinsam singen: Strophen 4-6

Gespräch und / oder Information:
In den Strophen 4-6 ändert sich das Stimmungsbild: Jammertal, Finsternis, größte Not, Elend, ewiger Tod weisen deutlich auf die lebensbedrohliche Lage hin. Ohne das Kommen des Retters ist sie hoffnungslos. Ohne Gottes Eingreifen gibt es kein menschliches Leben, weder vor noch nach dem Tod (ewiger Tod). Da muss Gott bedrängt werden, sich auf den Weg zu machen als Trost der ganzen Welt, als klare Sonne und schöner Stern. In all der menschlichen Dunkelheit werden Wärme und Licht von ihm erwartet. Nur durch Gottes Eingreifen sind Veränderungen möglich, so glaubt und bekennt Spee. Er hält die sehnsuchtsvolle Spannung oder spannungsvolle Sehnsucht nach Befreiung aus Krieg und Ungerechtigkeit, um Menschen innerlich mitvollziehen zu lassen, woher und wie sie Rettung, selbst in ausweglosen  Situationen, erwarten können.

Gespräch:
Was mag dieses Lied bei den Menschen seiner Zeit – während des 30-jährigen Krieges, während der Hexenverfolgungen – ausgelöst haben?
Manche werden sich gut aufgehoben gefühlt haben mit ihren Ängsten und Sehnsüchten. Andere haben diese Spannung des Wartens auf die Befreiung nicht ausgehalten. Sie haben dem Lied eine Strophe angefügt. (Strophe 7 zitieren)

Gedanken und Gefühle nennen:
Was löst dieses Lied in mir aus? Welche Befreiung erwarte ich besonders in der Adventszeit?

Offenes Gebet:
Weswegen bedränge ich Gott – jetzt?
Jede Frau kann ihre Anliegen vor Gott aussprechen. Zu jeder Bitte kann ein Teelicht angezündet und auf der Tücher-Spirale abgestellt werden. Alle bekräftigen die einzelnen Gebetsanliegen, indem sie danach als Liedruf singen „O Heiland, reiß die Himmel auf“.

Vater unser

Segen:
Gott allen Trostes und aller Verheißung,
segne uns und behüte uns;
begleite uns mit deiner Liebe,
die uns trägt und fordert;
lass dein Angesicht leuchten über uns
und sei uns gnädig,
denn deine Güte schafft neues Leben;
wende dein Angesicht uns zu
und schenke uns Heil;
lege deinen Namen auf uns,
und wir sind gesegnet.(2)


Helga Bobey ist Studienleiterin in der Frauen- und Familienarbeit der EKBO und Mitglied im Redaktionsbeirat ahzw.


Anmerkungen:

1 Carola Moosbach, Adventsfragen, aus: Himmelsspuren. Gebete durch Jahr und Tag, Neukirchen-Vluyn 2001
2 aus: Gottesdienstbuch in gerechter Sprache. Hg. von Erhard Domay und Hanne Köhler, Gütersloh 2003


Verwendete Literatur:

Liederkunde zum Evangelischen Gesangbuch Heft 2, hg. von Gerhard Hahn und Jürgen Henkys, Göttingen 2001
Friedrich von Spee, Priester – Poet – Prophet, hg. von Michael Sievernich, Frankfurt am Main 1986
Rheinische Kunststätten Heft 491, 1. Auflage 2005
Internetseiten, u.a.: http://www.nrw2000.de/reformation/hexenkaempfer.htm

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