Ausgabe 1 / 2008 Material von Luise Metzler

Ort des Heiligen

Von Luise Metzler


„Die Welt Gottes ist mit Sauerteig zu vergleichen, den eine Frau nahm und in drei Sat (1) Mehl verbarg, bis das ganze Mehl durchsäuert war.“ (Mt 13,33)

Gott und Küche – wie passt das zusammen? Kann das Heilige in der alltäglichen Arbeit von Frauen sichtbar werden? Der englische Künstler John Millais nimmt die Bibel beim Wort: Inspiriert vom Gleichnis der Brot backenden Frau bildet er Gottes Welt im Küchenalltag von zwei Frauen ab.(2)
Der Theologe Doug Adams vergleicht die Küchenszene mit Darstellungen Jesu: „Millais bildet zwei arme Frauen ab, die in ihrer eigenen Kultur des 19. Jahrhunderts kaum zählten. … Im Mittelpunkt befindet sich ein sich um die Hüfte der Frau bauschender Stoff – es erinnert an die häufige Darstellung des sich um Jesus bauschenden Leinstoffes am Kreuz. Die Hände der Frau kneten oder segnen das Brot, wobei auf vielen Kunstwerken Jesu Hände als das Brot segnend dargestellt sind. Wir können den Tisch als einen Abendmahlstisch verstehen, an dem eine Frau nicht nur anwesend ist, sondern liturgisch leitet. (Als dieser Holzschnitt geschaffen wurde, stand der Priester … am Altar üblicherweise mit dem Rücken zur Gemeinde …; in den meisten Kirchen leiteten Männer so den Gottesdienst.) Das Mädchen hält ebenfalls ein Brot in der Hand und könnte als eine Abendmahlshelferin oder Messdienerin gesehen werden, in einer Zeit, als es nur Messdiener gab.“(3)
Bevor die Gaben dargereicht werden können, muss das Brot geknetet und gebacken werden. Millais ermutigt uns, die knetenden Frauenhände nicht von dem Segen zu trennen, der über dem Brot gesprochen wird. Ihr Körper, der in mühsamer Arbeit gebeugt ist, spiegelt den Leib Christi. Die Küche als Ort des Heiligen? „Seht und schmeckt, wie freundlich GOTT ist.“ – Solches kann abgebildet sein in einer Küche, in der Arbeit einfacher Frauen.


Anmerkungen
1
1 Sat = 13,13 Liter.
2 Zur Interpretation vgl.: Luise Schottroff / Andrea Bieler, Das Abendmahl. Essen, um zu leben, Gütersloh 2007, 167f.
3 Doug Adams, Changing Patterns and Interpretations of Parables in Wilson Yates (Hg.), in: Arts, Theology and the Church: New Interpretations, New York 2005, 136.

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