Alle Ausgaben / 2012 Editorial von Margot Papenheim

Ortswechsel

Von Margot Papenheim


Eigentlich ist es nicht die Jahreszeit für Hausputz. Muss aber sein, vor allem ganz oben, unterm Dach, wo man vor Gerümpel kaum noch treten kann. In der alten Umzugskiste, die sich zwischen den Koffern und den Campingstühlen verkantet hat, fällt mir etwas Aufgerolltes entgegen. Vergessene Bilder?
Neugierig schaue ich nach und finde eine kleine Sammlung verschiedener Tapeten-reste. Hier, die hellblaue mit den kleinen weißen Möwen! Die wollte ich damals unbedingt haben für meine erste Küche, auch wenn sie wohl nicht sehr haltbar sein würde. Und da, die dunkelrote mit den winzigen bunten Blümchen – ich hatte mich sofort in sie verliebt, auch wenn sie eigentlich zu teuer für mich war. Eine Flut von Bildern rollt über mich hinweg. Wie Blätter im Herbststurm wirbeln Erinnerungsfetzen durch meinen Kopf. Hier der Blick aus dem Wohnzimmerfenster über die satt gelben Rapsfelder. Dort, weit weg von zuhause, im Ausland, der winzige, mit grässlichen roten Kugeln und Lametta geschmückte und schon vor Heiligabend fast kahle Weihnachtsbaum. Hier der elende Hahn der Nachbarn, der auch sonntags in aller Herrgottsfrühe loskräht – wenig später abgelöst von der erbärmlich scheppernden Glocke der hässlichen kleinen Kirche direkt neben unserem Garten. Da das Surren des tapferen Ventilators, der keine Chance hat gegen die Hitze, die sich im Laufe des Tages unter den schlecht isolierten Dachschrägen aufgestaut hat.
 
„Wir haben hier keine bleibende Stadt.“ Wie gut ich das kenne! Zehnmal in knapp 40 Jahren habe ich, meist aus beruflichen Gründen, den Wohnort gewechselt. Beim Einzug schon gewiss, dass es bestimmt nicht für immer sein würde. Aber jetzt bin ich wohl angekommen. Hoffe es jedenfalls. Merke das daran, dass ich Dinge tue, die mir früher nie in den Sinn gekommen wären. Sträucher in den Garten pflanzen zum Beispiel, statt Topfblumen zu kaufen. Darüber nachdenken, ob das Bad sich barrierefrei umbauen ließe. Und sollten wir uns nicht wenigstens einmal informieren, wie aus der Terrasse ein kleiner Wintergarten werden könnte? Nicht sofort. Aber später vielleicht?

„Wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir.“ – Auch die Kolleginnen im Redaktionsbeirat sprühen geradezu vor Ideen, als wir die Ausgabe zur Jahreslosung 2013 planen. Möge die Erfahrung, keine bleibende Stadt zu haben, Sie nicht ängstigen, sondern verlocken, sich auf die Suche nach Zukunft zu machen. Gewiss, dass Sie nicht alleine gehen.

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