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Platz für hundert Jahre Urlaubsfotos

Cloud-Computing ohne Reue

Von Andrea Eibs-Lübcke

„Wolken“ spielen bei der modernen Kommunikation eine große Rolle. Mich interessiert aber hier nicht deren Bedeutung etwa für die Arbeitswelt. Ich will wissen: Was haben Clouds mit mir zu tun? Danach frage ich Andrea Eibs-Lüpcke, Vorstandsvorsitzende der Frauencomputerschule DONNA MEGABYTE in Hannover. Kann sie einer wie mir – oft im Internet unterwegs, aber nicht damit aufgewachsen – erklären, was es mit Cloud-Computing auf sich hat?

Andrea Eibs-Lüpcke: Sie haben ja selbst einen Computer zu Hause und im Büro. Das heißt: Sie kennen Speichermedien, und Ihnen wird eine externe Festplatte ebenso geläufig sein wie ein USB-Stick. Wichtig für Sie ist hier die ­externe Festplatte. Denn eine Cloud ist im Prinzip nichts anderes als eine externe Festplatte, die – und das ist der Knackpunkt – nicht bei Ihnen zu Hause steht oder im Büro, nahe an Ihrem Arbeitsplatz, sondern irgendwo in Schweden oder in Kanada oder wo immer unter der Erde, weil es da kühler ist und der Boden das hergibt.

Sie kennen ja wahrscheinlich die Bilder von Gorleben? So können Sie sich das vorstellen – nur mit einer anderen Konsistenz an Stein drum herum und mit einer Dauertemperatur von x. Und da stehen gängeweise große Maschinen, die nur dafür da sind zu speichern. Und die sind nichts anderes als „externe Festplatten“, die ich jetzt nicht mit einem Kabel an meinen Computer angeschlossen habe, sondern mit denen ich mich übers Internet verbinde. Dort lege ich dann meine Dateien ab.
Das ist also eine Cloud. Das Wort Cloud ist gewählt worden, weil wir Menschen die Wolke als etwas Positives sehen, weil sie über uns schwebt und von vielen Seiten sehr weit zu sehen ist. Und weil sie ja ein großes Volumen haben kann, ohne dass etwas rausfällt.

Nur manchmal…
Nur manchmal, genau! Damit kommen wir zu einem wichtigen Punkt. Cloud-Computing hat nämlich ganz viel mit Datenschutz zu tun. Genauer: Cloud-Computing ist stark davon abhängig, wo meine Cloud sich befindet. Sie könnten jetzt sagen: Nun ja, wenn sie in Schweden ist und die ist von Apple, oder die ist in Schweden und da ist ­Facebook dabei, dann ist ja alles gut. Ist ja in Schweden. Dann sage ich: Nein, der Anbieter ist maßgeblich!

Und der sitzt in Amerika?
Genau, der sitzt in Amerika! Vielleicht in Kalifornien. Und dann gelten die Datenschutzbestimmungen der Vereinigten Staaten – wenn nicht sogar die des Staates XY.

Es gibt drei verschiedene Kategorien an Datenschutz. Der amerikanische Datenschutz ist für uns Europäer_innen oder Deutsche der kundenunfreundlichste. Der europäische hat schon ein bisschen mehr mit unserer Erwartung an den Datenschutz zu tun. Und dann kommt der deutsche. Ich würde also, wenn ich eine solche Cloud benutzen möchte, darauf achten, dass eine deutsche Firma die Anbieterin der Cloud ist.

Können wir noch einmal einen Schritt zurückgehen? Verstehe ich das also richtig, dass ich es mit einer Cloud zu tun habe, wenn ich auf Facebook unterwegs bin oder bei Instagram meine Urlaubsbilder ablege?
Nicht unbedingt. Wenn ich bei Facebook bin oder Instagram oder bei WhatsApp oder wo immer, dann bewege ich mich auf normalen Speichern im Internet. Aber eine Firma wie Facebook und Instagram sagt auch: „Du hast so viele Daten! Willst du deine Seite oder deinen Computer nicht entlasten? Dann lagern wir diese Daten aus in eine Cloud.“ Das wird Ihnen aber gesagt, und das wird Ihnen auch angeboten. Und damit haben Sie auch die Chance zu sagen: Will ich. Oder: Will ich nicht.

Aber wenn ich das Angebot igno­riere, werde ich nicht gegen meinen Willen …
Nein, das auf keinen Fall. Facebook etwa kann Ihre Daten nur auslagern, wenn Sie ausdrücklich zustimmen.

Zurück zur Cloud. Ich will eine Cloud nicht verteufeln. Mir ist aber ganz wichtig, dass Menschen, die eine Cloud benutzen, sich darüber Gedanken machen, welchen Sicherheitsschritt sie machen wollen und welche Sicherheitszone sie verlassen. Als private Nutzerin würde ich mich fragen: Kann ich mir nicht eine eigene Cloud leisten? Und jetzt wird es interessant. Sie können sich nämlich Ihre eigene Cloud problemlos zu Hause auf den Schreibtisch stellen. Denn es gibt externe Festplatten, die nicht einfach über die USB-Schnittstelle an meinen Computer angeschlossen werden, sondern die eine erweiterte Funktion haben, und diese erweiterte Funktion heißt: Ich kann diese Cloud über mein WLAN an den Router in meinem Haushalt anschließen. Und dadurch, dass diese externe Festplatte am Router angeschlossen ist …

… kann ich auch von unterwegs darauf zugreifen?
Genau! Aber es ist meine Cloud, bei mir zuhause. Dann muss ich natürlich auch dafür sorgen zu verschlüsseln, die Schutzsoftware draufzubringen. Aber das ist kein Buch mit sieben Siegeln. Und wenn ich mich darum kümmere und mich beraten lasse, dann geht es gut! Das wäre also meine Alternative. Denn damit bin ich sofort im deutschen Rechtsraum. Das Thema hätten wir also „abgefrühstückt“.

Zudem hätte ich selbst die Kontrolle über die Passwörter, den Schutz, die Verschlüsselung. Wie oft ändere ich das? Ich kann individuell, ganz nach meinem Bedürfnis auf den Schutz dieser Cloud einwirken. Ich kann auch bestimmen: Otto oder Fritz oder Edith oder Marlies, die dürfen die Bilder von der letzten Party sehen. Also dürfen die mit Kennwort xy auf meine Cloud zugreifen und sich die Sachen anschauen. Denn darum nehmen ja viele Leute eine Cloud: weil sie Daten schnell für andere zur Verfügung stellen wollen oder selber, wenn sie in Peine sind, sich die gleichen Bilder anschauen wollen wie in Pattensen. Super!

Eine Cloud hat also durchaus Vorteile. Aber Vorsicht: Für mich gehören in eine kommerzielle Cloud – abgesehen von der Lösung, die ich mir zu Hause schaffen könnte – keine Bilder, keine Testamente, keine Flugpapiere, keine Parkkarten und, und, und. Solche Möglichkeiten werden ja inzwischen von unseren Smartphones oder i-Phones automatisch angeboten. Ihr Ticket bei der Bahn können Sie sich als Handy-Ticket holen. Da wird Ihnen dann angeboten, es in einer Cloud zu speichern. Ja super! Dasselbe bei Flugtickets, Hotelbuchungen und so weiter. Das würde ich wegen der fehlenden Schutzmöglichkeiten nicht machen. Wenn aber etwa ein Hörbuch drin ist oder Musik, also nur Daten, die aus meiner Sicht nicht personalisiert sind …

… Daten also, die einfach nur viel Speicherplatz fressen würden?
Richtig! Dann sollen die gerne dahin. Und wenn tatsächlich jemand Beethovens Neunte klauen will, dann soll er oder sie das machen. Das schadet mir nicht. Aber alles, was private Daten betrifft: Nie in eine Cloud!

Nun wird mir ja bei meinem Smartphone regelmäßig angeboten, meine Fotos, meine Kontakte und so weiter in der Cloud zu speichern, damit im Fall des Falles …
-Den habe ich im letzten Jahr erlebt. Und weiß darum auch, wie es sich anfühlt, wenn das Ding buchstäblich ins Wasser gefallen ist. Und die Fotos vom letzten Urlaub und die aktuellen Kontaktdaten von Bekannten und Verwandten einfach weg sind.
Für viele ist das ein GAU, ja!

Trotzdem bleiben Sie dabei: solche persönlichen Daten anders sichern?
Sie haben bei allen Geräten – ob es die Android-Variante ist oder die IOS-Variante, oder ob Sie Windows-Phone als Software haben – die Möglichkeit, Ihr Telefon auch auf Ihrem Computer zu ­sichern. Sie können jederzeit ein Backup auf Ihrem Laptop oder auf Ihrem festen Computer machen, und das würde ich der ganzen Cloud-Geschichte komplett vorziehen.

Jederzeit heißt was?
Das kommt auf die Nutzung an. Wenn Sie sagen, Sie sind obsessiv, dann vielleicht einmal die Woche oder einmal alle zwei Wochen. Ansonsten einmal im Monat oder einmal im viertel Jahr. Das würde wahrscheinlich schon reichen. Sie haben mit mir leider eine erwischt, die sehr kritisch ist, was Sicherheit angeht. Ich bin der Meinung – und das gebe ich den Frauen auch so weiter: Auf dem Smartphone hat außer der Mobilfunknummer und eventuell noch der Emailadresse nichts anderes etwas zu suchen. Weder Hausadressen noch ­Telefonnummern, Festnetznummern, Schuhgrößen, Lieblingsblumen, was weiß ich. Mein Rat ist: So viel wie nötig, so wenig wie möglich! Denn alles, was da drin ist, kann im schlimmsten Fall eben auch gezogen werden.

Viele unserer Leser_innen sind vermutlich Ihrem Publikum bei den Frauen-Computerkursen oder im SeniorinnenComputerClub ziemlich ähnlich. Wissen die jetzt alles, was sie über den Umgang mit Cloud-Computing wissen müssen?
Ich kann Frauen nur ermutigen, sich auf die Art, wie ich es beschrieben habe, elektronisch zu verselbständigen. Denn alle Daten, die ich aus der Hand gebe, können viel leichter verloren gehen oder kopiert werden als Daten, die ich wirklich zu Hause habe. Natürlich gibt es die Leute, die durch die Straßen fahren, vor Häusern parken und dann mal ausprobieren, welcher WLAN-Router gerade nicht verschlüsselt ist. Aber das Interesse, unsere privaten, normalen WLAN-Router zu übernehmen, wenn sie verschlüsselt sind, und dann wirklich anzusetzen und zu sagen: „Den knacke ich jetzt!“, ist doch eher gering. Für die ist interessant: Komme ich in eine Kanzlei oder eine Praxis rein, wo Daten vorhanden sind, die Sinn machen für Leute, die Daten klauen. In dem Moment, wo ich als Privatperson eine individuelle Cloud zu Hause eingerichtet habe und damit arbeite, habe ich aus meiner Sicht alles getan, was mir im Moment technisch zur Verfügung steht.

Wichtig zu wissen ist dann: Je weiter ich die Cloud öffne, desto höher ist das Risiko, dass etwas passiert. Denn klar ist auch: Die private Cloud zuhause auf dem Schreibtisch ist nicht das Allheilmittel. Wenn die Lücke da ist, ist sie da. Das ist wie beim Wasser. Das kommt auch überall durch. Aber ich habe den größtmöglichen Damm gebaut, um eine Überflutung zu verhindern. Dass das Wasser dann durchkriecht, das kann passieren. Aber das liegt dann nicht mehr in meiner Hand. Um das auszuschließen, müsste ich wirklich abstinent werden. Es ist jedenfalls sicherer als eine fremde Cloud. Und es ist allemal sicherer als eine kostenlose Cloud.

A propos kostenlos: Was kostet so ein Gerät eigentlich?
Das liegt so zwischen 180 und 400 Euro. Man kann sich natürlich immer was Teureres kaufen – aber das ist die Preislage, in der man etwas Vernünftiges bekommen kann. In der Regel auch in ausreichender Größe. Diese Geräte haben meist ein Terabyte, das sind 1.000 Gigabyte. Das ist schon eine Menge Holz! Da können Sie für die nächsten hundert Jahre Hochzeiten fotografieren, wenn Sie wollen.

Davor aber steht natürlich immer die Frage, mit der jede sich selbst auseinandersetzen muss: Will ich das, will ich das nicht? Viele Frauen unter 40 machen sich über die Dinge, über die wir gerade gesprochen haben, schon gar keine Gedanken mehr. Für die ist das ihr täglich' Brot. Sie wachsen in dieser Welt auf. Sie haben ganz viele andere Eindrücke, die schon prägend sind – und da fehlt in meinen Augen oftmals der Wille zur Auseinandersetzung mit dem Thema. Es gibt natürlich auch vieles, was die Jüngeren in ihrem Alltag bewältigen müssen, so dass sie sich gar nicht mehr die Zeit nehmen können, aber es eben auch gar nicht mehr für wichtig halten. Was ja auch ok ist. Aber auch wenn ich als letzte Hysterische ins Grab gehe: Das ist dann eben so …

Herzlichen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Gespräch genommen haben!
Gerne! Ich hoffe, Sie konnten damit etwas anfangen!

Andrea Eibs-Lüpcke (*1962) ist EDV-Dozentin.
Sie leitet den SeniorinnenComputerClub von Beginn an und ist, zurzeit gemeinsam mit einer Kollegin auf Honorarbasis, verantwortlich für die Angebote. – mehr unter www.donna-megabyte.de
Die Fragen stellte Margot Papenheim, Redakteurin der ahzw.

SeniorinnenComputerClub
Computer-Kurse für Frauen (und inzwischen auch Männer) haben sie bei DONNA MEGABYTE in Hannover ebenso im Angebot wie spezielle Schulungen, etwa zum Umgang mit Excel. Herzstück des Vereins aber ist der SeniorinnenComputerClub. Seit 16 Jahren funktioniert er jetzt schon. Im Schnitt treffen sich hier wöchentlich 60 Frauen in sechs Gruppen. Fast ein Drittel von ihnen bereits seit über acht Jahren, elf davon sogar seit über zehn Jahren.

Was hält sie so lange dabei, immerhin drei Stunden, Woche für Woche? Und was machen sie da überhaupt? Im Prinzip immer dasselbe: Etwa eine Stunde lang werden Fragen beantwortet, die seit dem letzten Treffen aufgetaucht sind beim heimischen Umgang mit Computer oder Smartphone. Dann kommt das, was in allen anderen Frauengruppen auch dazu gehört: Kaffee trinken, plaudern, Neuigkeiten austauschen. Und dann gibt es eine Einheit zu ausgewählten Themen. „Wie gestalte ich eine Powerpoint-Präsentation?“ Oder: „Wie lege ich auf meinem PC ein Fotobuch an?“ Oder: „Wie bearbeite ich Texte, wenn ich meine Lebensgeschichte aufschreiben möchte?“ Und natürlich: „Wie funktioniert das, wenn ich im Internet einen Blog für meine Reise-Impressionen führen möchte?“ Das Ergebnis ist im Reise-Blog einer Teilnehmerin unter www.impressionen-unterwegs.de anzuschauen.

Die Vorteile der modernen Medien nutzen, aber nicht abgezockt werden oder sich gefährliche Viren einfangen: Eben „Spaß ohne Reue“ haben. Darum treffen sie sich hier. Woche für Woche drei Stunden.

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