Alle Ausgaben / 2009 Frauen in Bewegung von Ilona Helena Eisner

Porträt einer deutsch-polnischen Gartenfreundschaft

Beziehungen zum Blühen bringen

Von Ilona Helena Eisner


Betritt man das KinderGedächtnis-GesundheitsZentrum (KGGZ) in Warschau, fällt auf, dass in allen Korridoren reichlich Pflanzen stehen, die für eine freundliche Atmosphäre sorgen. Blumenkübel in allen Größen, Blüh- und Grünpflanzen nebeneinander.

.Auch der Blick nach draußen fällt immer wieder auf Grünanlagen und bepflanzte Patios. Viele Hektar Garten und Wald säumen das Gelände. Auch hier wird mit Liebe und Mühe für eine einladende Umgebung gesorgt, denn der Krankenhausalltag ist hart genug für die kleinen PatientInnen.

Vor 30 Jahren wurde das KGGZ mit Spenden aus mehreren europäischen Ländern gebaut. Dem physischen und psychischen Leiden von Millionen Kindern während des 2. Weltkrieges sollte ein Ort entgegengesetzt werden, der das Leiden von Kindern mindert und ihre Heilung unterstützt – ein Krankenhaus für Kinder.

Die gepflegten Grünflächen tragen ein wenig dazu bei, den Schrecken des Krankseins zu vergessen. Bei der Größe des Krankenhauses und der Anzahl der Korridore drängt sich sofort die Frage auf: Wer pflegt das alles? Es muss ein riesiges Team geben, um diese Aufgaben zu bewältigen! Doch in der Gartenabteilung treffen wir auf drei Frauen und drei Männer, die alle nur stundenweise arbeiten: Barbara, Ewa und Maria, Slawomir, Piotr und Marian. Während die Frauen für die Pflanzen in den Gebäuden und die Säuberung der Patios verantwortlich sind, sorgen die Männer für das Außengelände. Dabei sind Traktor, Rasenmäher und Schredder unabdingbar. Der Gärtnereihund, dessen Namen ich vergessen habe, treibt sich mit den Männern draußen herum – am meisten liebt er den kleinen Traktor, mit dem er um die Wette rennt.

Barbara ist die Leiterin der Gartenabteilung. Sie hat den Überblick und teilt
die Kräfte ein. Maria ist still und fällt BesucherInnen kaum auf. Ihr Reich ist ein Raum, in dem sie Stecklinge zieht, Pflanzen pikiert, absenkert und eintopft. Geld für Neuanschaffungen gibt es nicht. Alles, was gepflanzt wird, ist selbst gezogen. Ewa ist die Kontinuierliche. Sie kennt ihre Aufgaben und geht, mit Gießkanne oder Harke und Eimer ausgestattet, an die vielseitigen Pflegearbeiten heran.

Maria ist auch die Kontaktfrau für die Helferinnen aus Deutschland. Einmal im Jahr fahren bis zu zwölf Frauen, eingeladen und unterstützt von den Evangelischen Frauen in Deutschland, für zwei Wochen nach Warschau. Die eine Hälfte der Gruppe wird die Arbeit im Garten unterstützen, die andere auf der Reha-Station eingesetzt.

Verständlicherweise bekommen wir Aufgaben zugeteilt, zu denen sonst niemand kommt – Töpfe und Wasserbehälter reinigen, Bambusstängel spalten und auf eine Länge kürzen, um daraus Verkleidungen für Blumentöpfe zu schaffen, Stecklinge produzieren und einpflanzen. Die Patios, die nicht sofort einsehbar sind, haben schon darauf gewartet, dass sie wieder von Moos und Unkräutern befreit werden. Nicht versiegeltes Straßenpflaster ist ein beliebter Ort für Löwenzahn, und auch diesen gilt es mit Hacke und Spachtel zu beseitigen. Wir sind schließlich in einem Krankenhaus – Gifte werden hierfür also nicht eingesetzt.

Die Zusammenarbeit in der Gartenabteilung ist sehr herzlich. Dazu trägt auch die gemeinsame Kaffeepause bei. Oft dreisprachig verständigt man sich über Gott und die Welt, und es wird viel miteinander gelacht. Ich bin oft gefragt worden, warum ich das mache und meinen eigenen Garten für zwei Wochen sich selbst überlasse. Die Antwort ist mit einer kleinen Begebenheit einfach zu geben: Beim Säubern im Eingangsbereich der Reha-Abteilung kam eine junge Familie mit drei Kindern vorbei, eines davon war schwer krank. Den Eltern stand die Sorge um ihr Kind ins Gesicht geschrieben. Doch sie nahmen sich die Zeit zu fragen, woher wir kämen und warum wir hier arbeiteten. „Versöhnung“ und „gute Nachbarschaft in Europa“ waren die Stichworte. Dafür nehmen wir Urlaub und lassen auch mal unseren eigenen Garten zurück. Die junge Frau nahm die Hand einer Teilnehmerin, sah ihr offen in die Augen und bedankte sich von Herzen.

Eine gemeinsame Sprache finden im Füreinander Da-Sein, Freude und Dankbarkeit geben und erfahren – das passiert mir in meinem eigenen Garten nur selten. Für solche Begegnungen lohnt es sich ins KGGZ zu fahren. Sie stärken den Willen, eine gemeinsame Zukunft zu gestalten. Die kann die Schrecken der Vergangenheit zwar nicht ungeschehen machen, aber den nachfolgenden Generationen helfen, offener und freundschaftlicher miteinander umzugehen. Pflanzen sind dafür ein schönes Bild. Werden sie mit Liebe gepflegt, stehen sie irgendwann in voller Blüte und erfreuen unser Herz. Ähnlich ist es mit unseren Beziehungen, seien sie familiär, partnerschaftlich oder Länder übergreifend. Wir sollten sie pflegen, um sie zum Blühen zu bringen. Auch dafür lohnt es sich, ins  KinderGedächtnisGesundheitsZentrum zu fahren.


Ilona Helena Eisner, Jg. 1966, ist Mitglied im -Präsidium der EFiD. Sie hat dreimal Fahrten ins KGGZ geleitet. Nähere Informationen erhältlich
in der Geschäftsstelle der EFiD – Kontakt: siehe Impressum S. 83

Ausgabenarchiv
Sie suchen eine Ausgabe?
Hier entlang
Suche
Sie suchen einen Artikel?
hier entlang